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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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2. Heft
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Anwand, Oskar: Hans Meid
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0061
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Hans Meid: In Desdemonas Schlafgemach. Aus Hans Meids Othello-Zyklus. Verlag J. Casper, Berlin W.

HANS MEID. -**

®berall zeigt es sich; wir leben heut inmitten einer Kunst, die über den Im-
e) pressionismus mit seiner Wirklichkeitswiedergabe der Luft, des Lichts und der
von ihnen umfangenen Gegenstände hinausgeschritten ist. Ja, öfters scheint es, als ob
der Zick-Zack-Weg der Entwicklung ihnen gerade entgegenliefe. Das jedenfalls steht außer
Zweifel, daß heute ein Zug der Romantik und Phantasie vorherrscht und Anregungen,
wie sie in klassischen Meistern der Renaissance oder in Rubens, Rembrandt usw.
schlummern, in neuer Weise aufgenommen werden. Auch die Schwarz-Weiß-Kunst
kommt wieder zu Ehren. Es war nur folgerichtig, daß der Impressionismus, der die
Auflösung der Formen durch das Licht darstellte, in der Farbe sein Ausdrucksmittel
sah und auf die Schwarz-Weiß-Kunst wenig Gewicht legte. Ebenso natürlich ist es
aber, wenn die neue Kunst der Phantasie gerade auf diese Technik, die schon durch
die Andeutung soviel gestaltet oder ahnungsvoll
mitschwingen läßt, hohen Wert legt. Dennoch ist
die Zahl der Schwarz-Weiß-Künstler, die wirklich
vom neuen Geist getrieben werden, recht gering,
ein Zeichen, daß wir noch in einer jungen Entwick-
lung stehen. Zu ihnen gehört Hans Meid, der durch
seine beiden Radierungszyklen zu Shakespeares
„Othello" und Mozarts „Don Juan“ nicht nur die
Aufmerksamkeit der Kunstkenner auf sich gezogen,
sondern auch in weiteren Kreisen einen starken
Erfolg errungen hat. Das mit Recht, denn Meid ist
eine jener glücklichen Naturen, denen ihre be-
sondere Kunst wie ein Leib angegossen sitzt, die
gleichsam in sie hineingeboren scheinen. Aber auch
dieser Künstler, der mit 30 Jahren plötzlich fertig
dasteht, hat erst andere Wege zurücklegen müssen,
ehe er zu dem heute erreichten Ziele gelangte, das
wieder neue Ausblicke eröffnet.
Man kann Hans Meid kaum als den Schüler
eines älteren Malers oder Radierers einreihen. Wohl
hat er in Karlsruhe unter Schmid-Reutte und Wil-
helm Triibner gearbeitet, aber von ihnen keine
persönliche Anregung oder gar Richtung, sondern
nur die allgemeine Unterweisung empfangen, wie
sie ein Schüler seiner Begabung anderweitig ähnlich

[Nachdruck verboten.]
übernommen hätte. Stärker noch als von seiner Malerei gilt dies von seiner Radier-
kunst, in der er bei Walter Conz nur den allgemeinsten Unterricht genoß, da er sich
damals nicht ernstlich mit ihr beschäftigte. Hier wie später in Hamburg malte er
Porträts von ruhiger Haltung mit gedämpften Farben in der stilvoll-kargen, etwas
weltfernen Karlsruher Art, die seinem eignen Wesen im Grunde gar nicht entspricht
und in Berlin von ihm abfallen sollte. Damals schien er ein tüchtiger, kulturvoller
Porträtist werden zu wollen.
Inzwischen hatte er in Meißen U/a Jahre verbracht, die für ihn zunächst verloren
schienen, aber in Wirklichkeit sein Inneres mit Formen und Anregungen bereicherten,
die der Boden für das Wachstum seiner Persönlichkeitskunst wurden. Hans Meid war
nach Meißen berufen worden, um Malereivorsteher an der dortigen Porzellanmanufaktur
zu werden, deren Erzeugnisse bekanntlich immer
noch die Welt des Rokoko mit ihren Liebes-
szenen und galanten Figürchen mit Vorliebe wieder-
geben. Aber er konnte sich in den kaufmännisch-
künstlerischen Betrieb nicht einfinden, und so ver-
ließ er Meißen wieder. Aufs Geratewohl zog er
nach Berlin, ohne seinen Weg und sein Ziel zu
kennen, nur in der Ahnung, daß sich hier neues
Leben rege.
Was hier auf ihn einstürmte, waren Eindrücke
revolutionärer Art, die dem ruhigen Karlsruher Geist
und der alten sterilen Rokokokultur Meißens aufs
stärkste widersprachen. Meid fühlte sich den jungen
Künstlern der Sezession verwandt. So schleuderte
er, in der Freude Eigenes zu geben und seine
Gestaltungskraft zu erproben, in einer Art, die dem
heutigen Expressionismus nahesteht, kühn-sinnliche
Gesichte auf die Leinewand. Der „Verlorene Sohn“,
„Venusberg" und „Frauen am Meer" erregten in der
Sezession 1910 Aufsehen; besonders das erste hat
auch durch seine frische, märchenhafte Farbe, der
ein feines Empfinden zugrunde liegt, seine Vorzüge.
Aber schließlich bedeuten sie doch ein Extrem, den
notwendigen Rückschlag gegen Karlsruhe. Hans
Meids gesunder Sinn betrachtete sie bald nur als

Von Dr. Oskar Anwand.


XXVIII. 7.

Hans Meid: Am Wasser.
 
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