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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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3. Heft
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Baumann, Felix: Chrysanthemen - Verehrung in Japan
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Luther, Carl J.: Flußwandern im Segeltuchkajak
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0098
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MODERNE KUNST.




Natürlich hat sich auch die Sage des Chrysanthemums be-
mächtigt; während der Blütezeit kann man wieder und
wieder die reizenden Erzählungen „Das Chrysanthemum-
Versprechen“ und „Die beiden Brüder“ oder die Le-
gende von der hübschen kleinen Maid aus Himeji,
O Kiku, hören, mit der uns auch Lafcadio Hearn

vertraut gemacht hat. Außer in Dangozaka werden in Tokio
noch Chrysanthemen-Ausstellungen im Asakusa-Park, so-
wie im „Kokugikwan“, dem „National-Amphitheater“ in
Ryogoku, geboten.
Aber die „piece de resistance“ bleiben die Darbietun-
gen in der Vorstadt Dangozaka. Felix Baumann

Flußroanbern i'm
Eine Plauderei von

Segeltucbkaj'ak.
Carl J. Luther, München.

er amerikanische Ivanoesport in erster Linie,
und dann wohl auch das Wanderrudern
auf den breiten Strömen und den ausge-
dehnten Kanälen Norddeutschlands mögen die An-
regungen für das in Süddeutschland, namentlich in
Oberbayern so beliebt gewordene Flußwandern im zu-
sammenlegbaren Segeltuchboot gegeben haben. Jedenfalls
war es ein Faltboot aus Amerika, das als erstes vor etwa
acht Jahren auf der Isar fuhr. Und heute? Allsonntäglich sind
auf den reißenden Gebirgsflüssen, auf Inn, Lech, Iller, Amper, auf
dem Oberlauf der Donau und des Rheins ganze Gruppen der
leichten zierlichen Boote unterwegs, und an schönen Sonntag-
abenden erwarten an der Hinterbrühlerschleuse des Münchener Floßhafens Tau-
sende die „tragbaren Kajakfahrer“, um ihre pfeilschnelle Fahrt durch die brau-

Das zusammengepackte Boot.
Phot. Carl J. Luther, München.

ein leichtes Zelttuch beifügen, können sie im
Sommer wochenlang ganz gut auf die GrandTIotels
und die übrigen Segnungen der Zivilisation ver-
zichten und nach Lederstrumpf und Karl May etwas
Wildwest spielen. Und das hat seine ganz besonderen
Reize. Vielfach ist solches Lagerleben und Bummeln
jenseits von Zeit und Raum sogar ausschlaggebend und
der Kajak weniger ein Sportgerät als ein Mittel, stille Stätten,
verborgene Täler, kurzum die Natur in ihrer Unberührtheit auf-
zusuchen, um fernab vom Hasten der Stadt und vom Getriebe
der Arbeit auszuruhen und Erholung und Gesundheit in vollen
Zügen zu schlürfen.
Es sind, namentlich in München, das sehr viele Anhänger dieser neuen
Touristik hat, verschiedene Boottypen im Gebrauch. Vor allem auch viel selbst-
gebaute, mehr oder weniger primitive oder kunstvolle Fahrzeuge. Dem Laien
und dem Wasserscheuen werden alle diese Arten „Seelenverkäufer“ sein, und
doch sind sie, im besonderen das vorherrschende Klepperboot und das Zirleboot
in der Hand eines Kundigen durchaus verlässige und stabile Schwimmer. Das
Klepperboot, dem ich aus mancherlei Gründen den Vorzug gebe, ist nach Grön-
länderart fast ganz geschlossen, indes das etwas steifere, mit Riemen ausgerüstete
Zirleboot offen ist.
Das Wandern im Kajak ist in erster Linie Touristik, und der Fallbootmann

Praktischer Kajakanzug für Damen.

Phot. Carl J. Luth
München.

senden Wellen der schmalen steilen Floßgasse mit anzusehen. Das Faltboot-
wandern ist populär geworden, die Isar ohne Faltboote nicht mehr zu denken,
und auch die seit Jahrzehnten beliebten Passagierfloßfahrten von Tölz nach
München gehen fast regelmäßig unter Faltbootbegleitung vor sich.
Wie Berlin der Mittelpunkt des Wanderruderns ist, dessen sportlicher Reiz in
der Fortbewegung mit eigener Kraft ruht, so wurde München der Sitz des Fluß-
wanderns im Kajak, einer verhältnismäßig mühelosen Wassertouristik, bei der uns
die rasche Strömung des Flusses durch ewig wechselnde Szenerien unberührter
Gebirgstäler ohne sonderliche eigene Kraftaufwendung dahinträgt, und sich der
sportliche Genuß in erster Linie bei der geistesgegenwärtigen und aufregenden
Überwindung der tückischen Heimlichkeiten reißender Stromschnellen und
kochender Wirbel äußert.
Der Faltbootmann ist in der glücklichen Lage des „Omnia mea mecum porta“.
Sein leichtes Segeltuchboot kann er, zusammengelegt und
für bequemen Transport zu Land wohl verpackt, ins
Bahnkupee mitnehmen, und auch aufgestellt ist
es unschwer aus dem Wasser zu heben und
über etwelche Hindernisse, über Sand-
bänke und um Wasserwehre und Fälle
zu tragen. Zweisitzer und größere
Boote sind natürlich entsprechend
schwerer, aber nicht im gleichen
Maße unhandlicher. Etwas Proviant,
den die Genügsamkeit des „tragbaren
Kajakfahrers" überall leicht ergänzen
kann, Feuerzeug, Kochapparat,.Kamera,
Karten, Reservewäsche usw., alles natür-
lich möglichst wasserdicht verpackt, z. B.
in Gummibatistsäckchen eingebunden, werden
zu Land und im Boot im Rucksack mitgenommen.
Wenn Freunde des „Camping out“ dieser Ausrüstung

Rast im ruhigen Hinterwasscr.

Thot. Carl J. Luther,
München.

ist kein Kilometerfresser, wenn er sich auch freut, daß ihn die eilende Strömung
mit 10 und 15 Kilometer Geschwindigkeit talabwärts trägt und ihm Stromschnellen
auf kurze Strecken noch viel größere Geschwindigkeit und hohen sportlichen
Genuß verschaffen. Da gilt es mit raschem, wohl überlegtem Paddelschlag zu
steuern, dem Bereiche der Strudel zu entfliehen, den Wellen die Spitze zu
bieten, zwischen Sandbänken und Felsblöcken das richtige Fahrwasser einzuhalten
und für Augenblicke und Minuten mit voller Geistesgegen-
wart und Kraft gegen Gefahren anzukämpfen, die
dem Unkundigen zum mindesten ein kaltes Bad,
oder auch den Verlust des Bootes bringen
können, dem Kundigen aber hohe sport-
liche Reize bieten. Hochaufatmend kann
er dann in ruhigem Fahrwasser das
Paddel sinken lassen und mit breitem
Behagen die Schönheiten der vor-
über wandelnden Landschaft ge-
nießen. In ihrer düsteren Mächtig-
keit, wenn dunkle Gewitterwolken
den Engpaß überschatten und alte
Raubnester von den Felsen grüßen, in
ihrer strahlenden Lichtfülle, wenn die
Sonne hoch über den schneeigen Gipfeln des
Gebirges steht. So ist der sportliche Genuß für
ihn mit dem Genuß der Natur eng verbunden.

Isarfloss, vom Faltboot aufgenommen.
Phot. Carl J. Luther, München.
 
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