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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0099
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MODERNE KUNST.





2 ick-

<3>-\cin Künstlerfest in Paris. Wenn der Humor
q7 überhaupt ein buntscheckiger übermütiger Ge-
selle ist, der gern seine Purzelbäume schlägt, so
gilt dies vom Künstlerhumor in noch tollerer
Weise. Denn lebhaftes Empfinden und . starkes
Temperament bilden ja eines der Fundamente
der Künstlerseele. Häufig zeigt sich dabei der
Tragiker am ausgelassensten, als suche er da-
durch die Ergänzung seines Wesens. Das Publi-
kum wird aber durch das Unerwartete dieses An-
blicks aufs höchste belästigt, da es seinen Eieiden
gleichsam im Nachthemd oder Unterhosen sieht.
Von den bunt-seltsamen Blüten, wie sie der Künstler-
humor treibt, zeugen die barocken Malereien und Pla-
stiken vieler Künstlerkneipen. Ebenso beherrscht der
Humor die Feste und Maskenbälle der Künstler, die beson-
ders Paris gern feiert. Am übermütigsten aber zeigt er sich in
den Zirkusvorstellungen, wie sie von Schauspielern oder Künstlern
gelegentlich zu wohltätigen Zwecken veranstaltet werden. Zwei
Piecen eines solchen Festes bilden die Grundlage unserer beiden
Abbildungen, von denen die erste einen Sieger im römischen
Wagenrennen darstellt. Gehörte doch das ’W’agenrennen in Rom und Olympia
zu den Wettspielen, denen die Zuschauer mit atemloser Erwartung folgten. In
Gedanken an Pindar, der die Sieger der Wettkämpfe gern in seinen Oden feierte,

2ack.

Ein Künstlerfest in Paris:
Der Sieger im Wagenrennen.
Phot. Charles Delius, Paris.

Kollege nicht weniger als 682:10, und auch die Platz-
quote von 144:10 war nicht übel. Es ist eine große
Seltenheit, daß ein Rennen von der Bedeutung des
Kronprinzen-Preises von einem so krassen Außen-
seiter gewonnen wird. Kollege, der in dem Rennen
mit 63'/a kg zu den leichtgewichteten Pferden
zählte, hat seinen unerwarteten Sieg in erster
Linie dem schneidigen Reiten von Leutnant von
Platen zu verdanken. Der Wandsbeker Husar
hatte sich bereits in den ersten Phasen des Rennens
die Führung gesichert und brachte das Feld in
scharfer Fahrt über sämtliche Sprünge. In der
Geraden konnte er dann, immer noch in Front, einen
Schlußangriff von Wackerlos, auf dem Graf Holck
das wertvolle Rennen noch aus dem Feuer zu reißen
versuchte, sicher mit anderthalb Längen abwehren. Leut-
nant von Platen, der unter unseren Herrenreitern bis dahin
noch nicht besonders hervorzutreten vermochte, absolvierte hier
einen ebenso schneidigen wie überlegten Ritt. Er nutzte das
leichte Gewicht von Kollege geschickt aus und hielt sich, stets
an der Spitze des Feldes liegend, von dem großen Rudel fern,
vor allem bei

Ein Künstlerfest in Paris: Der Kampf der Sackhüpfer.
Phot. Charles Delius, Paris.
singt Goethe in „Wanderers Sturmlied“: „Wenn die Räder rasselten | Rad an Rad
rasch ums Ziel weg | Hoch flog | Siegdurchglühter | Jünglinge Peitschenknall |
Und sich Staub wälzt | Wie vom Gebirg herab | Kieselwetter ins Tal, | Glühte
deine Seele Gefahren, Pindar.“ Da sieht unser Sieger freilich etwas anders aus.
Die feurigen Renner sind durch brave, aber nicht allzu stürmische Esel ersetzt,
und der Bauch des „siegdurchglühten Jünglings“ scheint nicht gerade die Frucht
antiker Körperkultur zu sein. Die zweite Abbildung zeigt eine Schlachtszene,
bei der die Streiter fast noch sicherer als im ernsten Kampfe fallen. Denn man
hat mehrere zusammengekoppelt und in Säcke gesteckt. So müssen sie zugleich
hüpfen und kämpfen; und es kommt häufig vor, daß nicht nur
der Feind den Feind, sondern schon die unrhythmisch
hüpfenden Freunde sich selbst zu Fall bringen. Dann
sinken sie wie eine Reihe Zinnsoldaten um, wäh-
rend eine dröhnende Lachsalve anstatt der
Trauerschüsse ihrer Kameraden über ihre
ruhenden Gebeine hinhallt. O. A.
Der Kronprinzen - Preis von
Magdeburg, der mit seiner Dotierung
von rund 64 000 Mark das wertvollste
Offizierreiten im deutschen Hindernis-
sport ist, endete in diesem Jahre — am
17. August — mit einer großen Über-
raschung. Leutnant von Platen (15. IIus.) ge-
wann das von 13 Pferden bestrittene Rennen
auf Herrn R. Olsons altem Wallach Kollege
gegen Wackerlos, Hadwiga und Hart, auf denen
unsere drei Champions Leutnant Graf Holck, Leut-
nant v. Egan-Krieger und Dr. Riese im Sattel waren.
Am Totalisator gab es auf den Sieg des wenig beachteten


Regina Badet, Pariser Charakter-Tänzerin.
■ Phot. Felix, Paris.

in dem ja
einem so schwierigen Kurs,
selbst dem besten Springer
leicht allerhand Unfälle be-
gegnen können. Für die Zu-
kunft des jungen Rennreiters
kann dieser schöne Erfolg
von um so größerer Bedeu-
tung sein, da er ein niedriges
Gewicht in den Sattel brin-
gen kann und an Rittange-
boten daher kaum Mangel
haben wird. W. K. E.
Mlle. Regina Badet,
die berühmte Pariser Cha-
rakter-Tänzerin, welche sich
kürzlich im Gymnase Thea-
ter in Henry Batailles Stück
„Das nackte Weib“ als vor-
zügliche Interpretin der Titel-
rolle dem Publikum vor-
stellte, veranlaßte die Film-
gesellschaft „HeklaFilm“, ihr
die Titelrolle in dem neue-
sten Filmdrama anzuver-
trauen. Dieses Drama, das
in der bevorstehenden Saison wohl zu den führenden Lichtspielen gehören
dürfte, heißt „Zoe“ und ist nach dem in England außerordentlich verbreiteten
und vielgelesenen Roman gleichen Namens von Coralie Stanton und ITeath Hosken
bearbeitet worden. Das Drama schildert Leben und Leiden eines schnell zu
Ruhm und Ansehen emporgestiegenen Künstlers in anschaulichster Weise. Re-
gina Badet, die anmutige und graziöse Künstlerin, nimmt unter den französischen
Kinoschauspielerinnen eine hervorragende Stellung ein, denn die
großen französischen Filmgesellschaften erkennen ihr frag-
los die Palme zu. Die speziell für den Film geforderte
Detailmalerei, die sich in einer außerordentlichen
Präzision und Zusammengerafftheit äußert, ist
eine besondere Eigenschaft der gefeierten
Künstlerin. Da ist kaum ein großer Sensa-
tionsfilm, auf dem nicht ihr Name prangte,
gehört doch Regina Badet sowohl zu den
Günstlingen der Varietebesucher als auch
der Habitues der Kinobühne. Hand in
Hand mit ihrer Beliebtheit beim Pariser
Publikum geht eine Volkstümlichkeit, um
welche man die Schauspielerin beneiden
könnte. Das ist Leben, frisch pulsierendes
Leben, welches Regina Badet im Film und
auf der Bühne zeigt; ihr Hauptbestreben ist
es, allerorten interessante Menschen zu finden
mit originellen Charaktereigenschaften, welche ihr
selbst Gelegenheit bieten, als glänzende Darstellerin
die größten Erfolge zu erringen. V. //.

Der Sieger im Kronprinzenrennen von Magdeburg
Phot. Illustrations-Photoverlag, Berlin.
 
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