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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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4. Heft
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Buss, Georg: Spanische Malerei der Gegenwart
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0127
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Perico Ribera: Versuchung.

Spanische Malerei der Gegenwart.
Von Georg Buß.
~ [Nachdruck verboten.]
Rezept der französischen Pseudoklassik erstickte mit seiner Pedantik das Feuer
und den Witz der spanischen Dramatik, die faden, schwülstigen Allegorien der
französischen Rokokomaler, welche den König samt seinen Courtisanen als
Olympier verherrlichten, siegten im Verein mit der akademischen Trockenheit
eines Mengs über Spaniens nationale Kunst, und sogar die. schwarze Manlilla
sank in Madrid von manchen schönen Schultern zugunsten der Pariser Mode.
Zwar begann die Literatur schon um die Wende des Jahrhunderts das
fremde Joch zornmütig abzuschütteln, aber die Kunst beugte sich ihm noch
lange. Als einsame Größe ragt Goya hervor — ein Genie, andere nennen ihn
ein Temperament, das aus dem Dunkel aufblitzt wie grelles Wetterleuchten.
Gleich einer Scheidewand stand zwischen ihm und dem Auslande die fran-
zösische Kunst — zuerst die leichtfertige Generation Boucher, dann der Klassi-
zismus Davids und noch zuletzt die Neuromantik eines Guörin und Delacroix.
Als der große Radierer und Maler 1828 auf fremder Erde, in Bordeaux, die


?ada de estrangeria“, nichts vom Auslande, lautet die alte spanische
Redensart. Sie ist geboren aus dem stolzen Nationalbewußtsein des
altkastilischen Volkes, dessen edler Unabhängigkeitssinn alles Fremde
abwies. Als die Macht des spanischen Königtums die halbe Welt beherrschte,
die Cervantes, Lope und Calderon ihre unvergänglichen Dichtungen schufen, die
Zurbaran, Velasquez und Murillo ihre meisterlichen Bilder malten, entsprach die
Redensart der Wahrheit. Aber später? Ach, die Schicksale der Völker sind
wandelbar wie das Wetter — mit Spaniens Glanz und Größe war es im 18. Jahr-
hundert vorbei: sein Los waren für lange Zeit Ohnmacht, Verfall und Abhängig-
keit vom Auslande. Wer da noch das Nada de estrangeria sprach, täuschte
in Erinnerung an die große Vergangenheit sich selbst.
Das geistige Leben der Nation, Literatur und Kunst, diese feinsten Äuße-
rungen eines Volkes, blieben von dem Niedergange erst recht nicht verschont.
Der Gallizismus brach sich trotz manchen Widerstandes Bahn — das Boileausche

XXVIII. 14.
 
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