Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI Heft:
4. Heft
DOI Artikel:
Lemke, M. Ewald: Das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0131
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Das QöI^eP5ehIaebtdenl{mal bei Leipzig.

Von M. Ewald Lemke.

[Nachdruck verboten.]


itn Jahrhunderttage der Schlacht bei Leipzig ist das Völkerschlachtdenkmal
enthüllt worden, und die Zahl 13 hat auch für den Bau selbst eine Rolle
gespielt. Denn in dieser Zeit, seit der Grundsteinlegung am 18. Oktober
1900, wurde der machtvolle Riesenbau vollendet. Wuchtig steht das ragende
Denkmal, wie der breiten Erde entstiegen. Aber ein Jahrhundert hat es gebraucht,
um zur Wirklichkeit zu werden und nicht gleich der deutschen Einheit nur
ein Traum vieler zu bleiben. So lenkt man den Blick unwillkürlich auf sein
Schicksal innerhalb dieses
Jahrhunderts zurück, das
für Deutschland so segens-
reich war.
Denn der Gedanke
des Völkerschlachtdenk-
mals tauchte schon kurz
nach der Schlacht selbst
auf, indem Ernst Moritz
Arndt eifrig dafür eintrat.
Ja auch über die Grundge-
stalt war er sich insofern
klar, als er ein schlichtes
großes, mächtiges Monu-
ment wollte; „wie ein Ko-
loß, eine Pyramide, ein
Dom inKöln“. „Ein kleines
unscheinbares Denkmal,
das sich gegen die Natur
in nichts gleichen kann,
tut es nicht.“
Seitdem ist von Künst-
lerhand so mancher Ent-
wurf geschaffen worden,
wobei häufig genug gegen
den Grundgedanken der
Schlichtheit und W ucht
verstoßen wurde. Wie
weit man hierbei vom Ziele
abirren konnte, beweist
zum Beispiel das Projekt
des bekannten Bildhauers
Dannecker, der um eine
große allegorische Figur
die Gestalten der verbünde-
ten drei Herrscher stellte,
während doch das Monu-
ment ein gewaltiges Zei-
chen dafür sein sollte, daß
sich die Kraft des Volkes
im Befreiungskriege durch
Eisen, Not und Tod selbst
befreit hat.
Dann ließen die Kriegs-
jahre 1864, 1866 und 1870
das Interesse an dem Denk-
mal zurücktreten, und
lange Zeit war es frag-
lich, ob Deutschland über-
haupt ein würdiges Völker-
schlachtdenkmal erhalten
werde. Da aber rief die Tat-
kraft Clemens Thiemes im
Jahre 1894 den „deutschen
Patriotenbund“ ins Leben,
der keinen andern Zweck hatte, als die Verwirklichung dieses Monuments. Aus
den Preisträgern der Hauptkonkurrenz 1896 wurde jetzt der Entwurf von Bruno
Schmitz, der bereits das Kyffhäuserdenkmal erbaut hatte, für die Ausführung
bestimmt, und die hundertste Wiederkehr des Tages, der Napoleon endgültig ein
„Rückwärts“ zurief, sieht jetzt sein Werk gekrönt.
Der Gesamteindruck dieses Kolossalbaues, dessen Baukosten rund sechs
Millionen Mark betragen, ist nun wirklich der mächtiger Größe. Mit 91 Metern
Höhe, die dieser Kuppelbau auf breiter massiver Grundlage erreicht, stellt er
weitaus das gewaltigste Denkmal Deutschlands dar, dem das Monument auf
dem Kyffhäuser als zweitgrößtes bereits um 26 Meter nachsteht. An Raum-
inhalt übertrifft es dieses 16 mal. Man kann sich von dem Maßstab des Ganzen
und der einzelnen Teile eine Vorstellung machen, wenn man hört, daß jede der
Wächterfiguren, welche die Kuppel umkränzen, mehr als 8000 Zentner wiegt.

Das Völkerschlachtdenkmal bei Leipzig. Erbaut von Bruno Schmitz.
Phot. Ed. Krömer.

Die Köpfe allein haben eine Höhe von je 1,60 Metern, und ein Fuß dieser Stein-
riesen wiegt 50 Zentner. Diese Figuren stammen ebenso wie die vier Koll.ossal-
gestalten der Ruhmeshalle im Innern des Baus, nämlich die Glaubensstärke,
Tatkraft, Opferwilligkeit und Volkeskraft, wie ferner die acht Schicksalsmasken
samt den zu zweit davor Totenwacht haltenden Kriegern und wie der Reiter in
der Kuppel aus der Hand des Bildhauers Franz Metzner. Etwas Urtümliches,
der Erde Entstiegenes tritt durch die Schwere und Ruhe, die sich auch in
ihnen ausspricht, zu Tage.
Das 60 Meter breite und
20 Meter hohe Relief am
Eingänge des Denkmals
mit der mehr als 10 Meter
hohen Figur des heiligen
Michael hat Christian
Behrens entworfen.
Ein riesiges Wasser-
bassin breitet sich vor dem
Denkmal aus, und von ihm
führt eine mächtige Frei-
treppe zu dem soeben ge-
nannten Riesenrelief, ln
einer Höhe von ca. 20 Me-
tern über dem Straßen-
niveau liegt dann die
Krypta, ein Raum von er-
habener Tragik, in dem die
Schicksalsmasken und die
Ritter, welche die Toten-
wacht halten, ihre Auf-
stellung gefunden haben.
Denn das Völkerschlacht-
denkmal hat, wie Clemens
Thieme hervorhob, die
dreifache Aufgabe, ein
Ehrenmal für die gefalle-
nen Helden, ein Ruhmes-
mal für das deutsche Volk
und ein Wahrzeichen für
die kommenden Geschlech-
ter zu sein. Das Gedenken
der Gefallenen, die unter
dieser Halle ruhend ge-
dacht werden, bildet gleich-
sam die erste Stufe des
Völkerschlachtdenkmals.
Wuchtiger noch wirkt die
Ruhmeshalle, ebenso dem
ernsten Charakter des
Ganzen angepaßt, mit ihren
mächtigen, gleichfalls be-
reits erwähnten Gruppen,
der Glaubensstärke, Tat-
kraft, Opferwilligkeit und
Volkskraft, deren Stil
wiederum die Not der
schweren Zeit charakteri-
siert. Durch diesen Geist
herben Trotzes erweist
sich das Denkmal aber
nicht nur als Wahrzeichen
des Jahres 1813, sondern
trägt zugleich den Stempel
der Architektur unserer Zeit an sieh. Denn stilvolle Ruhe und architektonische
Schwere sind heute beliebt. Fast könnte man fragen, ob nicht das Element des
Aufatmens, des feurigen Schwunges und der Befreiung, das vor 100 Jahren
durch die deutschen Lande ging, in diesem Bau hätte stärker zum Ausdruck
kommen sollen. Vielleicht aber wäre dadurch sein einheitlicher Stil gestört
worden, während das Monument jetzt in voller Geschlossenheit dasteht.
So ist Ernst Moritz Arndts Traum in doppelter Weise Wahrheit geworden.
Das deutsche Kaiserreich steht neu geeint und hat den Rhein als „Deutschlands
Strom, nicht Deutschlands Grenze“ längst errungen. Jetzt erhebt sich auch bei
Leipzig das Völkerschlachtdenkmal, wohin, wie Arndt es gewünscht hat, die
Urenkel wallfahrten und „einander die Schrecken und Freuden der ersten beiden
Jahrzehnte erzählen“. Man muß hier das Dichterwort in den Ausspruch um-
kehren: „Wohl dir, daß du ein Enkel bist".

XXVIII. 4. Z.-Z.
 
Annotationen