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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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Das Lusamgärtlein in Würzburg,

eigentlichen Wesen entspricht: große und gute Helden
samt ihren Taten gehen im Strom der Zeit nicht unter,
sondern bleiben in der Erinnerung ihres Volkes lebendig
bis zu fernsten Tagen. Es sind mächtige Architektur-
gebilde, originelle Schöpfungen aus dem Formenbereiche
mittelalterlicher Kunst, fest im Boden wurzelnde trotzige
Baumassen, die, unentwegt vom tosenden Wetter, von
der Flut der Jahre und den Schicksalen der Menschen,
anmuten wie die großen Marksteine der Geschichte —
Sie reden von deutscher Kraft und Herrlichkeit, von
Heldentum, von Kaisertum und Mannestreue. Solchen

Bruno Schmitz, der Erbauer des Völkerschlachtdenkmals.
Phot. Deutsche Illustrations-Gesellschaft, Berlin.
Zauber umwebt des Künstlers Denkmal Kaiser Wilhelms I.
an der Porta Westfalica, das machtvolle Denkmal auf dem
Kyffhäuser mit Hundriesers Reiterfigur des ersten Kai-
sers und das im Jahre 1897 enthüllte Kaiserdenkmal am
Deutschen Eck bei Coblenz, wo die jugendfrische Mosel
in den sagenumwobenen Rhein strömt. Die tiefen Emp-
findungen des deutschen Volks für seinen Heldenkaiser,
der ihm im Verein mit dem eisernen Kanzler die Ein-
heit schmiedete, sind in diesen Monumenten ergreifend
zum Ausdruck gebracht — jedes von ihnen ist ein Epos
in Stein. Schade, daß des Künstlers Entwurf zum Na-
tionaldenkmal in Berlin nicht zur Ausführung gelangt
ist — in idealer Auffassung als Ausdruck erhebendster

Reichsherrlichkeit war der Kaiser inmitten einer im
Halbrund gedachten Anlage vor einem Ehrentor aufge-
stellt. Ein erster Preis war der Lohn — den andern
ersten Preis erhielt der Entwurf von W. Rettig und
Pfann — aber die Ausführung unterblieb zu Gunsten
des Entwurfs von Reinhold Begas. Wenn das poetische
Element des Volksepos im Nibelungencharakter aus des
Meisters Schöpfungen so stark erklingt, so nimmt das
nicht Wunder, denn seine Wiege stand am Rhein. Er
ist in Düsseldorf am 21. November 1858 geboren, be-
suchte als angehender Architekt die Kunstakademie unter
Lotz und Woermann und wirkte später eine Reihe von
Jahren unter Riffarth beim Bau der Kunstakademie.
Dann siedelte er nach Leipzig über, wo er mit Hartei,
der inzwischen als Dombaumeister des Straßburger
Münsters gestorben ist, einen Entwurf zum Reichsgericht
schuf. Später, im Jahre 1886 ließ er sich in Berlin nieder,
dem er auch bis heute treu geblieben ist. Daß er beim
Wettbewerb um das Viktor-Emanuel-Denkmal in Rom
bei der engeren Konkurrenz einen ersten Preis errang,
daß er das Nationaldenkmal in Indianapolis in Nord-
amerika und das reizvolle Denkmal der Kaiserin Augusta
für Koblenz ausführte, daß er auch hervorragendes in
Gebäuden leistete und manchen Preis auf diesem Gebiete
errang, sei als Beweis seiner Schaffenskraft rühmend
hervorgehoben. Genannt seien von diesen Bauten das
Bankgebäude in St. Gallen, das österreichische Handels-
museum in Linz und die Tonhalle in Zürich. So oft er
eingesetzt hat mit seinem künstlerischen Empfinden und
Können, ist immer etwas Bedeutendes und Originelles
geboren worden. G. B.
-=*$*=-

Ernst Moritz Arndt nnd das YölkerschlacMdenkmal.

Bruno Schmitz,
der Schöpfer des gewaltigen
Denkmals derVölkerschlacht
bei Leipzig, ist auf dem Ge-
biete monumentaler Kunst
längst kein Neuling. Schon
seit Jahrzehnten ist sein
Name mit unseren schönsten
Denkmälern verbunden. In
heißem Wettbewerb fiel ihm
Sieg auf Sieg zu, weil er im
Denkmal dasjenige auszu-
sprechen wußte, was seinem

Unwillkürlich schweift der Blick von dem voll-
endeten Völkerschlachtdenkmal, das sich als ein trotziges
Wahrzeichen deutscher Kraft und deutschen Freiheits-
gefühls auf der Leipziger Wahlstatt erhebt, in die Zeiten
zurück, da der Jubel über Napoleons erste entscheidende
Niederlage in den Fierzen nachzitterte. Daß dieser Sieg
durch ein bleibendes Monument gefeiert werden müßte,
stand jedermann fest. Aber die schwere Zeit und die
Erschöpfung der Mittel nach dem Kriege ließ die Sehn-
sucht nicht bis zu einem Denkmal von solcher Wucht,
solcher Größe und solchen Kosten emporsteigen, wie es
das geeinte Deutschland jetzt erbaut hat. Damals hätte
man sich mit einem gleichfalls wuchtigen, jedoch weit
schlichteren Monumente begnügt. Daß dies aber dem
Geiste des heutigen Völkerschlachtdenkmals entsprochen
hätte, zeigt Ernst Moritz Arndts Abhandlung von der
„Feier der Leipziger Schlacht", die in die Worte über
ein „Denkmal bei Leipzig“ ausklingt:
„Daß auf den Feldern bei Leipzig ein Ehrendenk-
mal errichtet werden muß, das dem spätesten Enkel
noch sage, was daselbst im Oktober des Jahres 1813
geschehen, darüber ist in ganz Deutschland, ja wohl
fast in der ganzen Welt nur eine Stimme. Aber
wie und in welcher Art dieses Denkmal errichtet wer-
den soll, darüber werden die Stimmen gewiß ebenso
verschieden lauten, als sie über das erste einig sind.
Ein kleines, unscheinbares Denkmal, das sich gegen
die Natur umher in nichts gleichen kann, tut es nicht;
ein zierliches und blankes, etwa in Leipzig selbst
auf irgendeinen Platz hin-
gestellt, würde in seiner
Armseligkeit von der großen
Tat, wodurch die Welt von
dem abscheulichsten aller
Tyrannen und dem tückisch-
sten aller Tyrannenvölker
befreit ward, zu sehr be-
schämt werden. Das Denk-
mal muß draußen stehen, wo
so viel Blut floß; es muß so
stehen, daß es ringsum von
allen Straßen gesehen wer-
den kann, auf welchen die
verbündeten Heere zur bluti-
gen Schlacht der Entschei-
dung heranzogen. Soll es ge-
sehen werden, so muß es
groß und herrlich sein wie
ein Koloß, eine Pyramide, ein
Dom in Köln. Aber solches
in großer Kraft und im großen
Sinn zu bauen, fehlt uns
das Geld und das Geschick,
und ich fürchte, wenn man
bei kleinen Mitteln etwas Ähn-
liches machen will, kommt,
etwas Erbägmliches heraus.
Ich schlage daher etwas
ganz Einfaches und Aus-
führliches vor, ein Denkmal,
wobei die Kunst keine Äffe-
reien anbringen, und woge-
gen unser nordischer, allen
Denkmälern so feindseliger

Jeder Deutsche weiß, daß der größte Liederdichter
des Mittelalters, Walther von der Vogelweide, in Würz-
burg begraben liegen soll. Aus Pergamenten läßt sich
diese alte Überlieferung zwar nicht erweisen, aber lange
Zeit ist die Stätte geheiligt geblieben, die das Volk für
des ruhelosen Wanderers und Kriegsmannes letztes
Lehen hielt. Sein Grabstein mit den ausgehöhlten
Trögen, in welche mitleidige Menschen Körner streuten,
damit auf des Vogelweiders Grab die Vögel eine Weide
haben sollten, ist oft abgebildet und von späteren Dich-
tern besungen worden, am schönsten von Justinus Kerner.
Aber von den vielen Fremden, die heute in der lachen-
den Bischofsstadt am Main Rast machen, um beim
Brückenbeck oder im Juliusspital einen Becher von
goldenem Leistenwein zu trinken und von der Bastei
der Veste Marienburg die Augen durch das fränkische
Paradies lustwandeln zu lassen, findet keiner die Stätte
des Sängergrabes mehr. Und es suchen sie wohl auch
wenige. Der Fremdenführer bemerkt beim Rundgang
durch die zahlreichen stolzen Kirchen der Stadt irgendwo
ganz nebenbei, daß sich am Neumünster der ver-
schwundene Kreuzgang befunden habe, wo Walther von
der Vogelweide beerdigt wurde. Man muß schon fragen,
wenn man mit Hilfe eines freundlichen Einheimischen
den Weg finden will. Denn der Kreuzgang ist längst
nicht mehr beim neuen Münster, sondern er hat wandern
müssen. Großenteils ist er schon vor mehreren Menschen-
altern zerstört worden. Als es Würzburg in seinen
Festungsmauern immer enger wurde, brauchte man den
Platz zur Bebauung, und wir müssen es als ein beson-
deres Glück betrachten, daß wenigstens ein Teil des
köstlichen romanischen Architekturwerkes damals nicht
weggerissen, sondern einfach verbaut wurde. Die
Häuser neben dem Neumünster mußten dann am Ende
des 19. Jahrhunderts einem großen Geschäftspalaste
weichen, und dabei fand man unter Mörtel und Fach-
werk den Kreuzgang des Lusamgärtleins wieder. Sorg-
fältig wurden die Steine von ihrem Platze genommen
und nach dem Garten des Museums überführt, wo sie
als Leihgabe des Kaufhausbesitzers aufgestellt und mit
allen der Gegenwart zu Gebote stehenden Mitteln gegen
den weiteren Verfall geschützt wurden. Nur unter be-
sonderer Führung darf man den von einem sicheren
Zaun umgebenen Platz betreten, wo sich das altersgraue
Gemäuer dem Grün der Bäume so stimmungsvoll
einfügt, daß man glauben könnte, es stehe seit Jahr-
hunderten an seiner Stelle. Aber es scheint, als ob
etwas von Walther von der Vogelweides Ruhelosigkeit
auch auf seine Grabstätte übergegangen sei. Der Würz-
burger Kreuzgang gilt mit Recht als eine Perle unter
den uns in so verhältnismäßig spärlicher Zahl erhaltenen
romanischen Architekturdenkmälern, zumal hier außer
dem Baumeister auch der Bildhauer seine Kunst ver-
ewigt hat. Infolgedessen ist es begreiflich, welche Er-
regung seinerzeit die Nachricht hervorrief, daß der
Kreuzgang nach Berlin überführt und dort dem Neubau
der königlichen Museen auf der Museumsinsel eingefügt
werden solle, nachdem der Besitzer des Denkmals seinen
Fund für einen hohen Preis an die Generalverwaltung
der Königlichen Museen verkauft hatte. Bekanntlich hat
der Kaiser entschieden, daß das Lusamgärtlein einst-
weilen in Würzburg ver-
bleibt. Die lokalpatriotischen
Würzburger behaupten frei-
lich, daß auch ohnedies eine
Überführung unmöglich sein
würde. Denn der Wieder-
hersteller des Kreuzganges,
ein alter Würzburger Maurer-
meister, soll in Vorahnung
der späteren Möglichkeiten
die Steine mit einem Zement
verbunden haben, der allen
Wiederabbruch versuchen ein
für allemal widersteht. Und
darum sagt man in der be-
häbigen IVlainstadt: es schade
gar nichts, daß die Berliner
das Lusamgärtlein besäßen;
behalten müßten es doch
die Würzburger. W. S.

XXVIII. 4. B.

Der Kreuzgang des Lusamgärtleins in Würzburg, wo Walther von der Vogelweide begraben liegt.
Phot. G. Severing, München.
 
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