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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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8. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [5]
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Morgenstern, Christian: Morgensonne im Winter
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0249
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MODERNE KUNST.

IOI


Wilhelm Sehr euer: Bei Tisch.

Aus dem Kunslsalon Eduard Schulte, Berlin, Düsseldorf.

nicht recht aus ihnen klug; sie waren liebenswürdig, gewandt und höf-
lich, so wie es sich für wohlerzogene Mädchen ziemt, aber dabei musterten
sie die junge Frau von Brenkhusen mit so neugierig amüsierten Blicken, wie
man ein fremdartiges, etwas komisches Tier im Zoologischen Garten mustert.
Als die nächsten Besucher eintraten, verabschiedete sich die Ober-
präsidentenfamilie— beinahe unhöflich schnell, fand die junge Hausfrau,
„als ob sie nur um Gottes willen nicht mit den Neuen zusammenbleiben
wollten“. Und dieses Ehepaar, ein Regierungsrat mit seiner Frau, gefiel
Fanny eigentlich besser als alle, die sie heute kennen gelernt hatte.
Sehr muntere, gesprächige Leute. — Er sah aus, als ob er einen guten
Schluck zu würdigen wüßte. Die Frau, eine üppige Erscheinung, sehr
vollbusig mit dünner Taille, noch ziemlich jung oder wenigstens sehr
jugendlich zurechtgemacht, imponierte Fanny durch
ihre äußerst moderne Toilette. Einige von den
andern Damen waren ihr kümmerlich einfach vor-
gekommen. Die Frau Regierungsrat Kollmann aber,
das war etwas anderes. Der sah man an, daß sie
nicht zu knausern brauchte. Sie war die Tochter
eines reichen Fabrikanten aus dem Harz und ließ
die junge Frau von Brenkhusen nicht im unklaren
über ihre guten Vermögensverhältnisse, sprach
aber auch ihre Freude darüber aus, daß der Herr
Oberpräsidialrat eine so liebenswürdige junge Frau
gefunden hätte, und hoffte, daß man sich recht
häufig sehen würde; Fanny müßte in ihren Tennis-
klub eintreten, und später wollte man recht fleißig
zusammen Schlittschuh laufen.
Als die Flut der Besucher sich verlaufen
hatte und das junge Ehepaar Brenkhusen, ein
wenig verspätet, beim Mittagsmahle saß, meinte

Fanny, den hübschen Kopf nachdenklich zur Seite neigend: „Weißt, was
ich jetzt sein möchte? Ejn Mäuschen. Und überall rumschlüpfen können
in die Häuser und heimlich zuhören können, was sie über mich sagen.“
Er lächelte. „Viel Böses wird’s nicht sein, Fanneri.“
Sie seufzte „Na? — Die Weiher sind meistens giftig. Da kenn’
ich mich aus. Und die norddeutschen Damen — kein rechtes Zutrauen
hab’ ich da nimmer. Ich möchte dir gern Ehre machen als deine Frau“,
fügte sie treuherzig hinzu.
Mit einer warmen Bewegung reichte er ihr die Hand über den Tisch.
Sie war doch ein prächtiges Geschöpf.
Und er hatte heute auch den Eindruck gehabt, daß sie gefiel — den
meisten gefiel. Nur eins war ihm aufgefallen: daß ‘niemand Fanny
nach ihrer Familie gefragt hatte.
Selbst wenn ihre Heimat erwähnt wurde, immer
nur sprach man von dem reizenden Würzburg;
das Elternhaus der jungen Frau wurde nicht er-
wähnt: als ob man einen peinlichen Punkt um-
gehen müßte.
Alberne Vorurteile! dachte Curt Brenkhusen.
Seine Frau brauchte sich ihrer Familie nicht zu
schämen. Und niemand sollte glauben, daß er
8 ihre Verwandten je verleugnen würde. Nie. Er
fühlte sich als Mann von Charakter.
Und doch, wenn er sich vorstellte, daß er dem-
nächst die Schwiegermutter als Logiergast begrüßen
müßte, — und daß der Onkel aus Schweinfurt
im Frühjahr auf seiner Geschäftsreise in Hannover
Station machen würde, wie er ganz sicher —
„Hand drauf, lieber Curt!“ — in Aussicht ge-
stellt hatte ... [Fortsetzung folgt.]


Morgensonne imWinter.
Von Christian Morgenstern.
Auf den eisbedeckten Scheiben
fängt im Morgensonnenlichte
Blum’ und Scholle an zu treiben . . .
löst in diamantnen Tränen
ihren Frost und ihre Dichte,
rinnt herab in Perlensträhnen . . .
Herz, o Herz, nach langem Wähnen
lass’ auch deines Glücks Geschichte
diamantne Tränen schreiben!

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f

XXVIII. 26.
 
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