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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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8. Heft
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Otto, Friedrich: Die Flugleistungen des Aviatikers Pégoud
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0257
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MODERNE KUNST.




Seitenstürze eignet, muß sich den ziemlich neuen Begriff
der Zentrierung zu eigen machen. Häufig stellen
sich ja leider Begriffe eher ein als ein sie aus-
füllender Inhalt, aber der Begriff der Zen-
trierung eines Flugzeuges hat doch vor
kurzem eine ziemlich scharfe Definition
erfahren. Besonders der schwedisch-
deutsche Ingenieur Villehad Forßman
hat in diesen Tagen in einem längeren
Vortrag zur rechten Zeit diesen Begriff
scharf Umrissen. Wer Mauthners Kritik
der Sprache kennt, weiß, daß alle Worte
eine ganze Entwicklungsgeschichte
hinter sich schleppen. So ist auch der
Begriff „Zentrierung“, obwohl er erst
ein Jahr alt ist, mit einer Entwicklungs-
geschichte erblich belastet. Man verstand
„damals“ unter Zentrierung eines Flugzeuges,
daß alle Gewichte, Luftwiderstände und Kräfte-
wirkungen des Motors und Propellers möglichst nahe
in der Mitte zusammengeschoben würden. Die Flugzeug-
konstrukteure und klugen Flieger sind durch Erfahrung und
Instinkt dazu getrieben worden, ihre Apparate zu zentrieren,
bevor sie den Be-
griff kannten. Eine durchaus ver-
ständliche Erscheinung. Denn der
Verstand, der an der sinnlichen An-
schauung haftet, geht fast immer
der abstrahierenden Vernunft, der
Mutter aller Begriffe, voraus. Tat-
sache ist jedenfalls, daß es in Frank-
reich gut zentrierte Flugzeuge gab,
ehe man deutlich bewußt eine Zen-
trierung kannte. Bald aber erfuhr
der Begriff der Flugzeugzentrierung
noch eine bedeutsame Verschärfung.
Um das genau zu verstehen, möchte
ich den Leser bitten, folgendes zu
tun. Denken Sie sich, daß Sie ein
kleines Brett, vielleicht den Deckel
einer Zigarrenkiste, an den schmalen
Kanten links und rechts zwischen
zwei Nägeln aufspießen, so daß sich
das Brett um die beiden Spitzen
drehen läßt. Die eine, obere Seite
des Brettes sei aber schwerer als
die untere. Dann werden natürlich
die Nagelspitzen nicht in der Mitte
eingesetzt werden dürfen, sondern
näher der schweren Kante zu. Jedes
Flugzeug hängt aber so ähnlich in
der Luft. Die längere, leichte Fläche
liegt unten, die viel kleinere schwere,
mit Flieger, Motor, Benzin und Ka-
rosserie belastete, liegt oben. So-
lange kein Wind von der Seite weht,
ist alles gut und richtig. Kommt
jedoch eine Seitenbö, so findet sie bei einem nach den Gewichten noch
so gut zentrierten Flugzeug doch auf der unteren Partie viel mehr

Fläche als über der Gewichtszentralachse. Der Erfolg
ist mörderisch, ein derartig einseitig gewichtszen-
triertes Flugzeug wird bei Seitenwind stets unter-
halb der Gewichtsachse mehr Luftwiderstand
haben als oberhalb. Bldriot war nun der
erste, der mit Bewußtsein von der unteren
größeren Luftwiderstandsfläche so viel
wegzunehmen wußte, daß die Bö oben
auf ebensoviel Fläche traf wie unten.
Daher ist sein Anlaufgestell so dünn
und fein. Weil aber das Flugzeug nach
drei Dimensionen sich bewegen kann,
mußte er auch dafür sorgen, daß auch
die vordere Partie und die hintere Partie
den gleichen Druck empfingen. Daher hat
er — gegen alle moderne Entwicklung —
einen Teil des Rumpfes unbekleidet gelassen,
damit die Luft auf der längeren hinteren Partie
des Flugzeuges nicht mehr Widerstand finde.
Beim Bleriot-Ivopfflugapparat fallen daher alle Achsen
zusammen: die Gewichtsachse, die Angriffsachse des Mo-
tors und Propellers, die Luftwiderstandsachse. Mit einem Worte:
der neue Bleriot-Ideal-Eindecker ist in der Luft nahezu als eine
Kugel zu be-
trachten. Wie eine Kugel leicht
aus dem Gleichgewicht zu bringen
ist, ihr jede Lage eigentlich egal
ist, so muß auch der Bleriot-Ein-
decker stets gesteuert werden, doch
ist er mit Leichtigkeit in jede Lage
wieder zurückzubringen. Bisher
galt aber der Grundsatz: das Flug-
zeug muß stabil sein, muß sich bei-
nahe automatisch wie ein Stehauf-
männchen wieder in seine Flug-
zeuglage zurücklegen. Damit dies
geschehe, sind die meisten Flug-
zeuge der Welt mit Bewußtsein
exzentriert konstruiert worden.
Kamen diese exzentrischen Flug-
zeuge doch einmal gründlich aus
der Lage, dann war die Not groß.
Die Frage der Zukunft ist, ob wir
zentrierte oder deszentrierte Flug-
zeuge haben werden. Bleibt mir
noch die zweite und dritte Frage.
Die zweite nach den Steuerbe-
wegungen. Sie ist eine Frage des
theoretischen Studiums, das Herr
Vorreiter den Fliegern erleichtert
und ermöglicht hat, da Pdgoud sein
Geheimnis nicht verraten hat. Und
die dritte Frage. Nach den mensch-
lichen Qualitäten?! Pegoud ist
ganz selbstverständlich nach allen
menschlichen Erfahrungen keine
Einzelerscheinung, sondern nur ein
Typ, unsere und anderer Länder kühne Flieger besitzen dieselben Qualitäten.
Die Antwort auf Frage zwei gilt auch für Frage drei. Friedrich Otto.

Adolphe Pegoud in der Maschine.
Phot. A. Groß, Berlin.

Ein Sturzflag Pegouds.
Phot. A. Groß, Berlin.

Pegouds Verkehrtflug.
Phot. Conrad liünich, Berlin-Charlottenburg.

Zick.-

$£cine kriegswirtschaftliche Reliquie. Im Jahre 1815
of hatte die Kontribution, die Frankreich an die verbündeten
Mächte zu zahlen sich verpflichten mußte, nur 700 Millionen
Franken betragen. Dagegen betrug sie nach dem Kriege
von 1870/71 fünf Milliarden Franken, die das Deutsche Reich
für die finanziellen Opfer des gewaltigen Krieges entschädigen
sollten. Die Republik, die das Erbe des zweiten Kaisertums
antrat, war also gezwungen, mehr als das siebenfache der
Kriegsentschädigung von 1815 aufzubringen. Die erste Rate
mit 500 Millionen Franken war innerhalb 30 Tagen von dem
Zeitpunkt an gerechnet fällig, wo die französische Regierung
in der von der Kommune beherrschten Hauptstadt wieder
festen Fuß gefaßt hätte. Eine Milliarde war im Laufe des
Jahres 1871 und eine halbe Milliarde bis zum 1. Mai 1872 zu
leisten. Die Gesamtsumme von fünf Milliarden Franken mußte bis
zum 2. März 1874 entrichtet sein. Die vom 2. März 1871 ab fälligen

Summen waren mit fünf Prozent zu verzinsen. Nach jeder
geleisteten Teilzahlung sollten seitens der Deutschen bestimmte
Strecken des von ihnen noch besetzt gehaltenen französischen
Gebiets nach einem genau vereinbarten Räumungsplane
freigegeben werden. Fünf Milliarden Franken, also vier
Milliarden Mark — welch eine riesige Summe Geldes! Wie
kann man denn überhaupt so viel Geld zusammenbringen,
um eine derartige Summe zu zahlen? Diese Frage wird
sicherlich schon manchen Leser beschäftigt haben und es
mag daher von Interesse sein, etwas über die Zahlungsweise
zu berichten, in der die französische Kriegsentschädigung
erlegt wurde. Man kann natürlich den Betrag von fünf Milliarden
Franken nicht in gemünztem Gelde auszahlen. Dazu würde der
Vorrat an Edelmetall auch nicht annähernd ausreichen, selbst in
einem so reichen Lande, wie es Frankreich schon im Jahre 1871
war. Die Zahlung mußte in allen Formen des Geldverkehrs möglich

Adolphe Pegoud.
Phot. A. Groß, Berlin.
 
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