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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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12. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [7]
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148

lie J^tfen des JUerm uon ^ren^usen.

Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth),


XI. [Fortsetzung.]
|m Frühjahr begann für Brenkhusen eine Zeit angespannter Tätig-
keit. Der Provinziallandtag trat in Hannover zusammen und
brachte für die Beamten des Oberpräsidiums eine Fülle von Arbeit.
„Armer Kerl, was du jetzt für ein geplagtes Tier bist!“ bedauerte
Fanny ihren Mann häufig, wenn er wieder eine Stunde später als sonst
zur Mahlzeit erschien oder bis lange nach Mitternacht am Schreibtische
saß. „So schlimm hat’s ja nicht mal ein Geschäftsmann. Und wenn’s
bei uns auch noch so viel Arbeit gab, punkt neun Uhr saß der Vater bei
seinem Abendschoppen im Franziskanerbräu. Läßt du dir auch nicht zu
viel aufladen? Ganz schmal und blaß bist du schon geworden.“
Aber er meinte: „Dieses Leben tut mir sehr gut. Man muß manch-
mal gezwungen sein, alle Kräfte anzuspannen. Dann merkt man doch,
daß sie noch da sind.“
Es war aber noch etwas anderes, das ihn in diesem Jahre die Fülle
der Arbeit nicht als Bürde — nein, beinahe als Wohltat empfinden ließ,
etwas, das er sich selber nicht eingestehen mochte. Keinem, auch sich
selber nicht, hätte er sie zugeben mögen, diese wunderliche Tatsache:
daß ihm die Zeit der Muße früher kostbarer gewesen war. Ja, früher —-
diese stillen Abende, an denen er sich in seine geschichtlichen, künst-
lerischen, kulturhistorischen Studien vertiefte, an denen er seine geliebten,
nicht ohne Opfer erworbenen Kunstblätter durch die Hand gleiten ließ
und neue Werte in altem Besitz entdeckte — diese einsamen Streifzüge
durch die Heide, wenn er in den Bauernhöfen einkehrte und Altväter-
hausrat aufspürte — und endlich die schönsten Stunden von allen, da er
seine feinen, stillen Freuden, seine inneren Errungenschaften zu der
verständnisvollen Freundin tragen und mit ihr Austausch pflegen durfte.
Jetzt war das alles verändert. Wenn er jetzt nach des Tages Lärm
und Mühe sich zurückziehen und sich in seine gedruckten Freunde ver-
senken wollte, dann kam die junge Frau mit ihrer Handarbeit: „So, nun
kann man endlich mal gemütlich ein Wort miteinander reden!“ Und sie
erzählte von den unverschämten Ansprüchen der jeweiligen neuen Köchin
— die Köchinnen wechselten sehr häufig unter Fannys Herrschaft —
oder von dem entzückend feschen Hute, der ihr heute auf der Georg-
straße begegnet war.
Das war ja manchmal ganz nett, und Brenkhusen genoß diese Abende.
Wenn das warme, rötlich verschleierte Lampenlicht über den ge-
senkten Frauenkopf fiel, über das weiche,
dunkle Haar und das schöne Gesicht mit
dieser wundervollen klaren, frischen Ju-
gendfarbe, über die fleißigen Hände und
die ruhig atmende Brust, dann erschien
Fanny als die Verkörperung häuslichen
Friedens, vollendeter Frauenlieblichkeit.
Ein Glück, dieses süße, junge Weib zu
besitzen, dachte Curt Brenkhusen — aber
er konnte es nur selten so empfinden, wie
er zu. empfinden wünschte.
Wenn Fanny in seinen Armen lag und
ihre weiche Glieder ihn umschmiegten,
glaubte er, sie heißer zu lieben denn je.
Wenn sie ihm aber in ruhigen Stunden
gegenüber saß, hatte er oft ein Gefühl,
als ob sie ein Gast in seinem Hause wäre.
Wie etwas nicht zu ihm Gehöriges er-
schien sie ihm dann. Nicht, daß ihre
kleinen Schwächen ihn ernstlich zurück-
stießen — er wußte recht gut, daß er
selber durchaus nicht frei von Schwächen
und Schrullen war. Kaum irgend etwas,
das er ihr ernstlich hätte vorwerfen kön-
nen. Und doch — diese Einsamkeit, dieses

Copyright-1913 by Rieh. Bong.
Fremdgefühl an ihrer Seite. Er besaß ein schönes Weib, aber keine
Gefährtin, so formulierte er die Empfindung der Leere, des Entbehrens,
die ihn manchmal bedrückte. Er litt unter dem Gefühl — und doch
nannte er sich selber ungerecht.
Fanny tat ihre Pflicht mit bestem Willen, so wie sie es verstand.
Sie sorgte für das körperliche Wohl ihres Mannes, hielt seinen Haus-
stand gut in Ordnung und empfing ihn mit freundlichem Gesicht, wenn
er heimkehrte. Daß die Räder des Wirtschaftskarrens jetzt häufig etwas
knarrten, mußte man einer so jungen Herrin wohl nachsehen. Sie ver-
stand noch nicht, die zartgewöhnten hannoverschen Dienstboten zu be-
handeln. Die Kathrins und Resis daheim konnten einen stärkeren Puff
vertragen. So eine hannoversche Zierpuppe kündigte ja gleich auf eine
„dumme Gans“ hin! Daß die junge gnädige Frau dazwischen wieder
sehr vertraulich war, halbe Stunden lang in der Küche saß und sich
Nachbarschaftsklatsch und Geschichten vom Schatz erzählen ließ, machte
das Verhältnis nicht besser. Früher war alles so still um Brenkhusen
gewesen. Aber dafür hatten sie ihn auch unverschämt betrogen, meinte
Fanny. Sie „faßte“ die Leute täglich „ab“. Und war stolz darauf. Ja,
sie hielt auf den Groschen. Freilich nur in der Wirtschaft. Die feinen
Modewarengeschäfte an der Georgstraße konnten sich nicht über Knauserei
der jungen Frau von Brenkhusen beklagen.
Daß ihre Vergnügungslust jetzt mehr hervortrat als in der ersten
Zeit, konnte bei ihrer Jugend nicht befremden. Es wurde Brenkhusen
wohl manchmal etwas viel, wenn man ihm nach einem arbeitsreichen
Tage verkündete: „Gelt, es ist dir doch recht, daß ich Billetts für die
,Fledermaus1 besorgt habe?“ Oder wenn die Notwendigkeit, den welt-
berühmten Jongleur im Mellinitheater zu bewundern, die Hoffnung des
abgespannten Mannes auf einen stillen, traulichen Abend schnöde ver-
eitelte. Und nach dem Theater war ein Souperchen im Restaurant
selbstverständlich. „Jetzt kann man doch noch nicht heimgehen. Jetzt wird’s
ja erst recht gemütlich. Man ist halt nur einmal jung und muß seine
Jugend genießen, gelt? Und dir tut’s auch nur gut, wenn du mal ’raus-
gerappelt wirst.“
Diese Argumente führte sie besonders gern an, seit sie so viel mit
ihren neuen Freunden zusammenkam.
Das war ein schwarzer Punkt: dieses Ehepaar Kollmann, das regel-
mäßig in den Restaurants auf tauchte, die
Fanny zum Soupieren vorgeschlagen hatte.
Man setzte sich zusammen an den Tisch,
junge Hausfreunde des flotten Ehepaars
gesellten sich dazu, und dann wurde es
lustig — so. lustig, daß man sich häufig
an den Neben tischen umwandte nach
diesen überlaut lachenden, geputzten jun-
gen Frauen.
Ein paarmal hatte Brenkhusen sich
ungehalten ausgesprochen über diese Ver-
abredungen gegen seinen Wunsch. Kleine
häusliche Szenen waren die Folge ge-
wesen, Tränenströme der Entrüstung. —
„Wo die Frau Kollmann doch meine ein-
Freundin in Hannover ist. Jedes
Vergnügen wird einem vergällt.“
In der letzten Zeit hatte Fanny diese
Freundschaft mehr als ihr
Privatverbältnis gepflegt, mit
einem gewissen heimlichen
Trotz.
Wenn Curt Brenkhusen


Erich Eltze: Kries: im Frieden.


früher davon geträumt hatte,
sein junges Weib, diesen
 
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