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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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12. Heft
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Buss, Georg: Alte Wirtshäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0356
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MODERNE KUNST.

lSi

nennt er die Wirte, obwohl sie
fürchterlich zum Trinken animier-
ten, kreuzbrave Kerle, aber er
scheint doch die französischen
Herbergen vorzuziehen. Und der
Grund liegt klar auf der Hand:
dem alten Schäker gefiel die in
Frankreich übliche Bedienung von
zarter Hand. Gegen solche Be-
dienung konnte natürlich der gries-
grämige deutsche Kellner, den
Erasmus beschreibt, und der hab-
gierige, auf Trinkgelder versessene
italienische Kellner, den Garzonus
schildert, nicht aufkommen.
Schon seit karolingischer Zeit
war es befohlener Brauch, die
Weinschenken äußerlich durch
einen ausgesteckten Reifen oder
Kranz zu kennzeichnen. Auch die
Bierhäuser steckten ein „offen
zeiger oder gitter“ aus. Zeiger
oder Gitter ist nicht immer wört-
lich zu nehmen, denn das Zeichen
ist gewöhnlich eine Fahne, eine
Kanne, ein Bäumchen, vornehm-
lich eine Tanne, oder gar nur ein
Strohwisch. In manchen Gegenden
bedienten sich die Bierwirte sogar
desselben Zeichens wie die Wein-
wirte. Die Engländer nannten den
an langer Stange ausgesteckten
Kranz „Alesterke“; — der prangte
auch samt einem Heroldsrock an
dem berühmten Wirtshause „Tab-
ard“ in der Londoner Vorstadt
Southwark, in dem Geoffrey
Chaucer seine zwischen 1386 bis
1389 geschriebenen prächtigen
„ Canterbury - Geschichten ", eine
Perle altenglischer Literatur, be-
ginnen läßt. In Köln am Rhein
war es noch zu Anfang des ver-
gangenen Jahrhunderts Brauch,
vom Gringkopf, dem oberhalb der
Bodenluke vorgekragten Aufzugs-
balken, einen Ilopfenkorb derart
zu den sogenannten „Gadern“, den
halben, horizontal geteilten Türen
herabhängen zu lassen, daß ihn
der Gast beim Eintreten weg-
schieben mußte.
Zu den vorgeschriebenen Zei-
chen traten bereits im Mittelalter
die Wirtshaus- und Herbergs-
namen. Wertschätzung der Heral-
dik, Rücksicht auf die bäuerliche
Kundschaft und den Viehmarkt,
Laune und Phantasie haben bei
dieser Nomenklatur eine Rolle ge-
spielt. Der wilde Mann, der Riese,
der Mohr, der Rüde, der rote
Löwe, der schwarze Bär, der gol-
dene Hirsch, das weiße Roß, der
goldene Eber, der schwarze Adler,
der rote Ochs, das goldene Lamm,
der Schwan, die Taube, die Blu-
men, der grüne Baum, die Linde,
die Traube, die Krone, der Stern,
die Sonne, der Engel, der gläserne
Himmel, die rote Glocke, der
Brunnen — so geht es in buntem
Wechsel durcheinander. Und die
Spötter fügten noch hinzu: „Zur
kalten Herberge“, „Zum letzten
Heller“, „Zum Mauseloch“ und
„Zum Reinfall“. Für die Namen
wurden Schilder mit prächtigen Aus-
lagen geschmiedet und vergoldet


Heia Peters: Herbst.

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