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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Buss, Georg: Richard Müller - Dresden
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0404
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Richard M ü 11er: A 1'1‘e und Fasan.

Richard Müller-"Dresden. «4^
Von Georg Buß.

e Dresdner Künstlerschaft hat am 6. Februar das hunderlfünfzigjährige Bestehen
der Kgl. Akademie der bildenden Künste gefeiert. Sie konnte das schöne
Fest mit gehobenen Gefühlen begehen, denn das Kunstleben von Elb-Florenz
hat seit einigen Jahrzehnten mächtigen Aufschwung genommen. Die Plastik, in der
Männer wie Rietschel, Hähnel und Schilling ausgezeichnete Werke geschaffen, stand
zwar auf der Höhe, aber die Malerei reichte, obwohl die Bedeutung von Bendemann,
Hübner, Ludwig Richter, Schnorr und Preller anerkannt werden muß, nicht an sie
hinan. Daß von Zeit zu Zeit ein frischer Wind einsetzen muß, ist eine natürliche
Notwendigkeit, denn sonst wird die Atmosphäre stagnierend. Die Akademie und die
Künstlerschaft haben sich dabei bestens entwickelt. Hervorragende Lehrkräfte entfalten
an der Akademie eine fruchtbare Tätigkeit, das ehrliche Naturstudium ist zu seinem
Recht gelangt, kräftige Talente sind erwachsen und neue folgen den älteren. Auch
die Teilnahme des großen Publikums, nicht nur des lokalen, sondern ganz Deutsch-
lands und des Auslandes, hat erheblich zugenommen, bieten doch die Kunstaus-
stellungen seit dem Jahre 1897, da sie zum ersten Male internationalen Charakter
erhielten, ein Muster vorzüglicher Anordnung. Besonders sind in dieser Beziehung
die Verdienste zweier Männer hervorzuheben: Gotthardt Kuehl’s, der im Jahre 1893
an die Dresdner Akademie berufen wurde, und Max Lehrs, der, bevor er die Leitung
des Kgl. Kupferstichkabinetts in Berlin an Stelle des verstorbenen Lippmanri über-
nahm, geraume Zeit in Dresden
tätig war. Es würde zu weit führen,
auf diese Entwicklung der Dresdner
Kunsttätigkeit, an der eine stattliche
Anzahl tüchtiger Kräfte beteiligt ist,
näher einzugehen, nur sei betont,
daß sie von allem Eklektizismus sich
losgerungen hat, obwohl gerade hier,
wo die ältere Kunst in den Samm-
lungen, Denkmälern und Bauten so
glänzend vertreten ist, die Gefahr
eines Verzichts auf die eigne Auf-
fassung sehr nahe lag.
Eine besonders starke Note
spielt unter der Dresdner Künstler-
schaft die graphische Kunst. Aller-
dings der reine Linienstich, in dem
hier Müller, Steinla und Büchel
Meisterwerke schufen, hat wie über-
all an Anziehungskraft erheblich ein-
gebüßt; aber um so mehr blühen
die Radierung und die Steinzeich-
nung. Sie kamen stärker in Auf-
nahme zu Anfang der neunziger
Jahre, als die Sezession unter den
jungen Künstlern Boden gewann.
Wie in Berlin, Karlsruhe und
München wandte man sich den
beiden graphischen Verfahren mit
wahrem Enthusiasmus zu. Vor-
nehmlich waren es Hans Unger,
Georg Müller-Breslau, Sascha Schnei-
der, Marianne Fiedler, Georg Lührig
und Otto Fischer, dann auch Hans
Pietschmann, Ludwig Otto, Lorenz
Wiest und Richard Müller, die sich
hervortaten. Gleich in den ersten,
von einer Vereinigung von Künstlern
herausgegebenen Jahresheften für

[Nachdruck verboten.]
Griffelkunst fanden sich vorzügliche Leistungen, unter denen vornehmlich die radierten
Landschaften hervorragten. So ist kräftig emporgewachsen und zur Blüte gebracht
worden, was damals hoffnungsfroh begonnen wurde.
Zu den interessanten Erscheinungen des Dresdner Künstlerkreises gehört Richard
Müller. Er steht jetzt im vierzigsten Lebensjahre und wirkt fast anderthalb Dezennien
als Lehrer an der Akademie. In schnellem Ansturm ist er emporgestiegen, früh eine
fest in sich gegründete Persönlichkeit, in der Talent, ideales Streben, Fleiß und Energie
einen harmonischen Bund geschlossen. Im Jahre 1874 zu Tschirnitz bei Karlsbad in
Böhmen geboren, kam er mit vierzehn Jahren nach Meißen, um die Zeichenschule der
Kgl. Porzellan-Manufaktur zu besuchen. Es war gerade die Zeit, da der kunstgewerb-
liche Wetteifer auf keramischem Gebiete mit aller Kraft eingesetzt und eine sorgfältige
zeichnerische, malerische und plastische Ausbildung der erforderlichen künstlerischen
Kräfte veranlaßt hatte. Zwei Jahre später war der junge Schüler bereits derart vor- '
geschritten, daß er die Dresdner Akademie beziehen konnte. Hier waren seine Lehrer
Leonhard Gey und Leon Pohle. Gey, ein Schüler Schnorrs und von Beruf Historien-
maler, hat sich durch seine Fresken und seinen in der Nationalgalerie zu Berlin befind-
lichen „Luther, die Bibel übersetzend“, Pohle durch seine Porträts und Genrebilder
hervorgetan. Unter der fruchtbaren Lehrtätigkeit beider Männer gelangte der junge
Akademiker nach abermals zwei Jahren so weit, daß er das Wagnis unternehmen
konnte, mit einigen Griffelarbeiten
an die Öffentlichkeit zu treten.
Dann errang er Erfolg mit einem
Plakat. Der Kunst war ja im Plakat-
wesen ein neues Gebiet erschlossen
worden: Cheret und Grasset in
Paris hatten mit ihren eleganten
Plakaten und Maindron mit sei-
nem Sammelwerke „Les affiches
illustrees" die Straße erobert. Eng-
lische und amerikanische Künstler,
wie der witzige Dudley Hardy, der
Karikaturist Beardsley und der flotte
ßradley, waren nicht zurückge-
blieben. Auch in Deutschland hatte
die Bewegung, gefördert durch zahl-
reiche Wettbewerbe, kräftig ein-
gesetzt und manches Talent auf den
Plan gerufen. Aber schwerwiegen-
der als der vorbezeichnete Erfolg
war, daß der junge Künstler sich
durch seine Leistungen den Rom-
preis und die große Goldene Me-
daille in Dresden errang. Eine
Auszeichnung in Paris gesellte sich
später hinzu. Und weiter ging
der Aufstieg, denn der Sechsund-
zwanzigjährige wurde an die Dresd-
ner Akademie, deren Schüler er vor-
mals gewesen, als Lehrer berufen.
Wenige Jahre nachher, im Sommer
1903, erhielt er einen Ruf an die
Berliner Akademie, dem er jedoch
nicht folgte: er ist Dresden, das
ihm längst eine zweite Heimat ge-
worden, bis auf den heutigen Tag
unentwegt treu geblieben.
In den zwanzig Jahren seines
selbständigen Schaffens hat er eine



XXVIII. 43.

Richard Müller: Maler Gliese.
 
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