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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Buss, Georg: Richard Müller - Dresden
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Hamel, Ilse: Erwartung
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0405
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MODERNE KUNST.

eminente Schaffenskraft entwickelt. Sie verdient
um so mehr Anerkennung, als sie mit höchster
Gewissenhaftigkeit und Sorgfalt gepaart ist. Jede
Zeichnung, jede Radierung, jedes Gemälde legt
von dieser sich bis ins kleinste Detail erstrecken-
den Solidität der Ausführung Zeugnis ab. Das
geniale Überfliegen und die Spekulation auf die
Phantasie des Beschauers, die das flüchtig An-
gedeutete schon genügend ergänzen werde, liegen
ihm fern. Bereits in der zweiten Hälfte der neun-
ziger Jahre, als in der Großen Berliner Kunst-
ausstellung eine kleine Serie seiner Arbeiten in
der gemischten Manier von Kupferstich und Ra-
dierung zu sehen war, ließen sich alle jene Vor-
züge feststellen. Auch der weite Umfang seines
Stoffgebietes fiel auf — Marabus, Orang-Utangs,
ein Motiv bei Wachwitz, Asphaltarbeiter, Ski-
läufer und ein männlicher Kopf. Die Feinheit
der Naturbeobachtung verlieh jeder Darstellung
überzeugendes Leben. Den Marabus, Affen und
anderem Getier hat er auch späterhin großes
Interesse entgegengebracht.
Einige Gaben aus seinen Mappen begleiten
diese Zeilen, so daß jeder ihren Reiz genießen
kann. „In voller Würde" ist eine kleine Schöpfung
sonnigen Humors. Das Groteske und doch zu-
gleich Gemessene und Würdevolle des Marabus
mit seinem starken, kräftigen, langen Schnabel,
dem wie grindig erscheinenden Schädel und dem
gewaltigen nackten Kropfe ist vorzüglich wieder-
gegeben. Obgleich dieser afrikanische Vetter
unseres beliebten Hausstorches wegen seiner Ge-
fräßigkeit und Aasjägerei einer der widerlichsten
Vögel ist, nimmt er sich doch in diesem Falle
sehr erträglich aus, etwa wie ein verkappter
Gentleman in Frack und weißer Weste, der Zylinder,
Handschuhe und Stock abgelegt hat, um sein
elegantes Exterieur auf die photographische Platte
bannen zu lassen. Ein scherzhafter Zug ist auch
in der Szene zwischen Affe und Fasan zum Aus-
druck gebracht, allerdings auf Kosten des be-
dauernswerten Vogels, dessen prächtiges Schwanz-
gefieder dem wenig rücksichtsvollen Vierhänder
sehr wahrscheinlich zur Beute fällt. Die minutiöse
Feinheit des Details ist bei beiden Tieren ebenso
bewundernswert wie die Wahrheit der Bewegung.
Auch in der „Maus mit Lorbeerzweig'1 ist die subtile Durchführung bis zum höchsten
Grade geschehen. Schon mehrfach hat der Künstler die niedlichen kleinen Nager zum
Gegenstände seiner Darstellung gewählt und dabei ihr Äußeres und ihr Gebaren mit
frappierender Wahrheit geschildert. Ein kleines Juwel dieser Art ist die Maus in der
Falle. Das Mäuschen, das den Lorbeerzweig benagt, scheint übrigens eine Allegorie
auf die Vergänglichkeit des Ruhmes zu sein. Ein tieferer Sinn liegt auch der brillant
gezeichneten Phantasie „Nach beendetem Spiel" zugrunde: das Schach des Lebens
ist zu Ende, die Knochenhände des Sensenmannes haben zugegriffen und versenken
Könige und Königinnen, ritterliche Läufer und arme Bauern schonungslos in die Tiefe
des Beutels — also im ganzen genommen ein origineller Totentanz, nicht ohne packende
Wirkung. Dann ein kleines Porträt — das des Malers Gliese. Mit den tiefen Schatten-

massen, die nach der unteren Gesichtspartie
hellem Licht weichen, ähnelt die Wirkung der
eines Schabkunstblattes. Unwillkürlich wird man
erinnert an das Schwarzkunstblatt des Prinzen
Rupert von der Pfalz, jenen aus tiefen Schatten
auftauchenden, vorn von sonnigem Licht erhellten,
feurig blickenden Jünglingskopf, unter dessen
federbesetztem Hut seitlich üppig gelocktes Haar
hervorquillt. Ein Beispiel, wie der Künstler auch
einer Plattenrüstung fesselnden Reiz abzugewinnen
und dabei den Charakter des Materials, des Eisens,
sowie alle Einzelheiten dieses komplizierten Werkes
alter Harnischmacherei genau zu kennzeichnen
weiß, bietet sich ebenfalls dar. Es berührt diese
Zeichnung geradezu monumental — sie läßt die
kraftvollen Männer ritterlicher Zeit, die, hoch zu
Roß, in solchem schweren Schutz ihre Fehden
ausfochten und dabei totbringende Schwabenhiebe
austeilten, wieder lebendig werden.
Nicht minder hat er seine Kraft als Maler be-
währt. Der predigende Mönch, ein Bild von
tiefer Charakteristik, in dem das Asketische die
Stimmung angibt, das von Leben erfüllte, fein
individualisierte Porträt seines Vaters, das Bild
einer alten Frau und eine stattliche Reihe anderer
Schöpfungen, unter denen auch formenschöne weib-
liche Gestalten nicht fehlen, lassen ihn als einen ge-
dankenreichen Meister erscheinen, der nicht so sehr
auf die blendende Pracht der Farbe, als vielmehr auf
das Ausprägen seelischer Zustände, tiefen Innen-
lebens und gedanklicher Prozesse Wert legt. In
manchen Bildern klingt auch etwas wieder von der
altdeutschen Weise, die gern mit dem Reiz knitt-
rigen Faltenwurfes, mit den Mitteln einer subtilen
Zeichnung und mit dem Eingehen auf Details
zu wirken suchte Daß er in dieser Beziehung
zu weit ginge, etwa wie der alte Balthasar Denner,
der jedes Haar und jede Runzel mit minutiöser
Genauigkeit wiedergab, als ob jedes Bild dem
Mikroskop standzuhalten hätte, läßt sich nicht
sagen: bei allem Eingehen auf Einzelheiten ist
doch seine Vortragsweise eine breite und ge-
schlossene, und zwar gilt das in erhöhtem Maße
von seinen jüngeren Bildern. Von den kolo-
ristischen Überschwänglichkeiten einer über-
schäumenden, pointilistisch, kubistisch und futu-
ristisch experimentierenden Jugend hat er sich fern gehalten. Groß geworden unter
den Stürmen der Sezession, hat er am Berechtigten und Guten ihres Strebens teil-
genommen. Das beweist die Feinheit, mit der er die Veränderungen der Farben unter
den Wirkungen wechselnder Luft- und Lichtphänomene zu schildern weiß. Aber zu
einer koloristischen Sensationsmache hat er sich nie herabgelassen — für eine solche
ist ihm sein Pinsel zu vornehm.
So steht der Künstler als Graphiker und Maler unter den Kollegen der Dresdner
Kunstgemeinde hochgeschätzt da, rüstig und mit steigenden Erfolgen schaffend,
wie denn seine Werke auch außerhalb von Elbflorenz besten Ruf genießen, zu den
gern gesehenen Gästen großer Kunstausstellungen gehören und in hervorragenden
Kabinetten, Museen und Galerien des In- und Auslandes anzutreffen sind.


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Richard Müller: Rüstung.


Erwartung.

Von 0Ise Ramel.

Q{osen sofl’n auf meinem fische stefi’n,
‘Ranken wimp eff roh im ‘Winde weh’n;
Wie die Sonne soff mein Renster gfänzen,
(fächelnd möcßt’ ich sefber mich bekränzen.
Rau send Worte flüstr’ ich in die Weilen,
R>aß wie cSchwafben sie dich heimgefeiien,
fjunges (Hoffen soff dir Rfüien streu ’n,
Weil mein (Herz ein einzig großes Rreu’n,
Weif du kommst!




Weil du kommst, und aff die dunkle Hoi
Hun verschwebt wie Hacht vorm Hlorgenrot,
(Du, den sefig jeder (Herzschfag grüßt!
Rornzerrissen hat mein (Herz gebüßt!
Rag= und nächtefang in bangem Warten —
Und nun ist voff (Ilärchengfück mein Sorten
Und voff fafterbuntem Rraumesweh’n ....
Rosen so fl ’n auf meinem Rische sfeh’n,
Rosen.

ur
 
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