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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Unterweger, M.: Trachtenbilder aus Kärnten
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0415
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MODERNE KUNST.





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(in gewaltiger Strom rauscht das Leben über die Erde.
Die Formen wandeln sich. Es wandeln sich die
Menschen, die Völker. Die Zwillingskinder der Zeit
sind der Modernismus und die Mode, launisch wie April-
wetter. Ihr Lieblingsaufenthalt ist die Großstadt, doch vor
einem Hindernis haben sie bis jetzt Halt gemacht, dem
Hochgebirge. In manchem dieser abgeschiedenen Gebirgs-
winkel hat sich daher die Ursprünglichkeit der Sitten
und Trachten erhalten durch Jahrhunderte hindurch bis
heute. Einer der merkwürdigsten Landstriche dieser
Art ist das österreichische Kronland Kärnten, dessen
Grenzen in der ersten Strophe eines beliebten Kärntner
Volksliedes gekennzeichnet sind:
„Dort, wo Tirol an Salzburg grenzt,
Des Glöckners F.isgefilde glänzt;
Wo aus dem Kranz, der es umschließt,
Der Leitha reine Quelle fließt;
Bis zur Karawanken Felsenwand
Dehnt sich mein teures Kärntnerland.“
Innerhalb dieses „Kranzes“ von Bergen breiten sich reiz
volle, zum Teil wildromantische Längentäler aus, die wieder
durch mächtig aufstrebende Gebirgsstöcke streng von einander
getrennt sind. So hat jedes Tal seine eigene Geschichte, sei
nen in sich geschlossenen

aus Xärnfen.

("Nachdruck verboten ]
und vorn an den Taschen kunstvoll mit grüner oder weißer
Seide ausgenäht. Bis an die Knie reichende Schaftstiefel
vervollständigen die Tracht.
Noch malerischer und origineller ist die Tracht der Gail-
taler Frauen und Mädchen. Bei festlichen Gelegenheiten
trägt die Gailtalerin die an die Krainerin erinnernde „Pet-
scha“, eine weiße, fein gefaltete Spitzenhaube. An gewöhn-
lichen Sonn- und Feiertagen wird sie durch ein seidenes
Kopftuch ersetzt. Das Hemd ist von blendend weißem
Linnen und hat gebauschte Ärmel mit Spitzenmanschet-
ten. Das knappsitzende, geschlossene Mieder endet nach
dem Halse zu in eine breite Halskrause. Der Rock reicht
kaum bis an die Knie, so daß die farbigen Strumpfbänder
noch sichtbar sind.
Im Mölltale gilt heute noch das uralte Sprichwort: „Selbst
gesponnen, selbst gemacht, ist die schönste Bauerntracht.“
Der Mölltaler stellt seine Kleiderstoffe und Kleider meist im
Hause her. Die rupfene Leinwand (aus Werg gewonnen) wird
zu Alltagshemden und die reistene (das aus den ausgezogenen,
langen Fasern hergestellte feine Linnen) zu Sonntagshemden
verarbeitet. Die Kleiderröcke der Frauen, die Hosen, Westen und
Joppen der Männer sind meist aus selbstverfertigtem Raß gemacht.
Auch Loden, sogenannter

Werdegang und Charakter.
Eine Verschiedenheit der
Trachten und Sitten besteht
auch zwischen den Bewohnern der
Täler und jenen der Gebirge. Der
Gebirgsbewohner hat seine originellen
Grundzüge, die ihn haarscharf kenn-
zeichnen. Das wichtigste Unterschei-
dungsmoment aber, das bestimmen-
den Einfluß auf die Trachten hat, ist
die Nationalität. Das Kärntnerland wird
von Deutschen und Slovenen bewohnt.
Die Slovenen haben den südöstlichen
und südwestlichen Teil des Landes, am
rechten Ufer der Drau inne. Das ganze
übrige Gebiet ist deutsch. Der Kärntner
ist durchaus konservativ und hängt
mit eiserner Zähigkeit am Altherge-
brachten. Den Berg oder das Tal, wo
er geboren, liebt er über alles und ist
stolz auf seine individuellenEigenheiten.
Es ist ihm selbstverständlich, diese
Eigenheiten auch nach außen hin zu
vertreten und ihnen Geltung und Ach-
tung zu ver-

Kärntner Volkstrachten
Untergailtaler.

Bauernloden, wird im Möll-
tal erzeugt. Die Mölltaler
Burschen tragen an Sonn-
und Feiertagen meistens eine braune,
griinpassepoilierte Lodenjoppe, roten
Brustfleck und grüne Hosenträger,
irchene (ausSchaffellen erzeugte) oder
lodene Kniehosen, die mit grüner Seide
gestickt und an den Nähten mit grünem
Tuch passepoiliert sind.
Im Lessachtal, in der Nähe von
Luggan und Liesing ist der sogenannte
Wolkenreiser, eine dem Tirolerhut
ähnliche hohe Kopfbedeckung üblich.
Der Mölltaler trägt einen ähnlichen
Hut aus Filz. Die Taille umspannt in
der Regel ein vorn breit ausgeschweif-
ter Gürtel mit Pfauenfederstickerei.
Die Mölltalerin trägt an Sonntagen
lange wollene Kleider, braun oder
grün gefärbt, sehr breites Vortuch
(Schürze), Spenser (Mieder) mit Puff-
ärmeln und breitrandigem, schwarzen
Filzhut. Bei den Lessachtalerinnen
reicht das

Kärntner Volkstrachten: Lessachtalerin.

schaffen.
Die Kenn-
zeichnung
derselben kam seit jeher in einer besonderen Art sich
zu kleiden — in der Tracht — zum Ausdruck. So ent-
standen im Laufe der Jahre im kleinen Lande Kärnten
eine große Menge der verschiedensten Trachten. Sie
galten gleichzeitig als Erkennungszeichen für die feind-
liche oder freundliche Partei und gaben so indirekt
Anlaß zu den blutigsten Kämpfen und Schlägereien.
Um diesem Unfug zu steuern, wurde unter der Re-
gierung Erzherzog Karls II. im Jahre 1587 eine eigene
Bekleidungsordnung für Kärnten erlassen. Sie er-
streckte sich auf alle Stände und wurde mit Strenge
gehandhabt. Nach Aufhebung dieses Gesetzes lebten die
alten Trachten größtenteils wieder auf und haben sich
in vielen Landstrichen bis heute unverändert erhalten.
Unter den Kärntner Trachtenbildern fällt vor allem
die originelle Gailtaler Tracht ins Auge. Der Gailtaler
Bursche trägt einen mit Schildhahnfedern, bei festlichen
Anlässen überdies noch mit roter Nelke geschmückten,
kotzeten (rauhen) Filzhut und darunter eine seidene
Zipfelmütze. Um den Hals schlingt er ein buntseidenes
Halstüchel. Ein Staatsstück stellt die buntfarbige Tuch-
weste mit silbernen Kugelknöpfen dar. Die Tuchjoppe
(Janker) ist dunkelblau oder dunkelgrün. Die Kniehosen
sind meist aus Reh- oder Gemsleder und an den Seiten

*1

Kärntner Volkstrachten: Landtagsabgeordneter
Baumeister Pöltnigg aus dem Obergailtal.

Vortuch
um die
ganze
Hüfte. Die Mölltalerinnen, wie auch die Lessach-
talerinnen tragen um den Hals buntseidene Halstücher.
Im Lavanttal war bis in die neueste Zeit bei den
Männern der niedere Filzhut allgemein gebräuchlich.
Darunter trugen sie ein Käppchen aus grünem Samt.
Ferner kurze Tuchjoppe, samtene Weste mit silbernen
Knöpfen, irchene Kniehosen, blaue Strümpfe und derbe,
rindlederne Bundschuhe. Die Glantaler, Liesertaler,
Krappfelder, Gurktaler und Drautaler besitzen eine
ausgesprochene Eigentracht nicht mehr. Nur der Glan-
taler trägt als besonderes Unterscheidungsmerkmal den
(nudelgupfeten) niederen Filzhut. Der Rosentaler er-
innert in seiner Tracht sehr an das benachbarte Krain.
Die Männer tragen hohe Krainerstiefel, die Frauen
weiße Kopftücher und gefranste, seidene Halstücher.
Lebenslust, Tracht, Freude an Festlichkeiten, ’s
Dirndl und die Natur stehen beim Kärntner im innigsten
Zusammenhang und bilden gewissermaßen eine lebens-
volle Symphonie, die bei den Hochzeitsfeiern am
vollsten erklingt. Diese ist und bleibt der Glanzpunkt
im Leben des Kärntners. Wer einmal Gelegenheit
hat, in St. Johann oder St. Martin bei Villach einer
größeren Bauernhochzeit beizuwohnen, findet fast alle
Trachten des Landes vertreten. M. Unlerzvcger.

XXVIII. 14 Z. Z.

Kärntner Volkstrachten: Alt-Kärntner.
 
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