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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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14. Heft
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Zur Vollendung des Panamakanals
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0416
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MODERNE KUNST.



COLON

Chagres Fl.
Damm
Ga tun

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Pedro,

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Zup Oollendung

t if Spannung erwartet die Welt die Eröffnung
-wfwT des Panamakanals. Wer sich einen Begriff

von dem gigantischen Werke machen will, das hier
seiner Vollendung entgegengeht, bedarf unbedingt
eines erfahrenen Führers, um sich in dem Laby-
rinth der Ereignisse zurechtzufinden. Der be-
kannte englische Schriftsteller John Foster Fra-
ser, der eine Studienreise nach Panama unter-
nahm und lange Zeit in der Kanalzone lebte,
ist wie kein anderer berufen, dem Leser die ein-
zelnen Phasen des gewaltigen Baues am Isthmus
zu schildern und die Riesenarbeit, die hier seit
vielen Jahren geleistet wird, richtig zu würdigen.
Sein erschöpfendes Buch über die Entstehung und
Bedeutung des Panamakanals ist soeben in deutscher
Übersetzung beim Deutschen Verlagshaus Bong & Co.
in Berlin erschienen*)-
Schon bald, nachdem Kolumbus die Neue Welt entdeckt
hatte, suchte man nach einer Durchfahrt zum Stillen Ozean. Aber
alle Mühen waren umsonst, nirgends fand sich die ersehnte Wasser-
straße, und so verfiel man schließlich auf den Gedanken, durch
einen künstlichen Wasserweg die beiden Weltmeere zu verbin-
den. Unzählige

Gesamtansicht
kanals aus der

Projekte
tauchten auf und wurden
wieder verworfen. Alle
Kulturvölker beteiligten
sich an der brennenden
Frage, und doch verging
lange Zeit, ehe man den
ersten Spatenstich wagte.
Meist scheiterten die Pläne
an der Unentschlossenheit
der Unternehmer, an den
gewaltigen Geldopfern, an
Zwist und Zwiespalt der
Völker und nicht zuletzt
an den schier unüberwind-
lichen technischen Schwie-
rigkeiten. Dann machterder
berüchtigte Panamakrach
jedoch dem französischen
Unternehmen ein Ende,
und nun traten die Ameri-
kaner auf den Plan, um
das gigantische Werk der
Vollendung entgegenzu-
führen.
Fraser schildert in an-
schaulichster Weise die

des Ponama^onols.
stich bei Culebra, aber der Laie vermag gerade für
diesen viel leichter ein wirkliches Verständnis zu
gewinnen. Es war eine der schwierigsten Auf-
gaben, die hier ihrer Lösung harrte. Man bedenke
nur, daß die Hügel auf einer Strecke von 14,5 Kilo-
metern durchbrochen, daß für den Kanal ein Bett
von durchschnittlich 36,5 Meter Tiefe und min-
destens 91,2 Meter Breite geschaffen, daß ein
Weg durch die Wasserscheide gebahnt werden
mußte, die von „Gold Hill“ und „Contractors’
Hill“ gegen den Stillen und Altantischen Ozean
zu gebildet wird. Man bedenke ferner, daß das
Hügelland 114 Meter tief abgetragen wurde und
daß man fast 100 Millionen Kubikmeter Erd- und
Felsmassen — also nahezu die Hälfte des gesamten,
beim Kanalbau ausgehobenen Bodens — fortzuschaffen
hatte. Dazu kommt, daß die Arbeiten durch die Unbilden
der Witterung, durch Naturgewalten und Unglücksfälle ständig
gestört, verzögert und aufgehalten wurden. Wie häufig verschüt-
teten Damm- und Erdrutsche bereits fertiggestellte Kanalteile, so daß
des Panama-
Vogelschau Flüsse, die schon abgeleitet waren, in ihr altes Bett zurückkehrten und
mit mächtiger Gewalt Menschen und Maschinen mit sich fortrissen.
Der künstliche Wasserweg verläuft nicht in gerader Richtung durch die
Hügelkette, sondern schlängelt sich leicht durch das Tal des Rio Obispo zur
„Wasserscheide“ und von dort durch das Tal des Rio Grande bis Pedro Miguel;
hier trifft man auf die erste Schleuse in der Richtung des Stillen Ozeans. Der
Kanal liegt an dieser Stelle gleich dem Gatunsee 25,8 Meter über dem Meeres-
spiegel und wird wie dieser hauptsächlich von dem Chagresfluß gespeist. Am
Nordende wurde ein Damm errichtet, um das auf der andern Seite sich an-
sammelnde Wasser am Eindringen zu verhindern.
Ich stand am Rande von „Contractors’ Hill“, und zu meinen Füßen lag das
mächtige schwarze Becken, aus dem unaufhörlich Getöse zu mir heraufdrang.
Der Culebrastich ist von einem weitverzweigten 120,7 Kilometer langen Schienen-
netz durchquert. Ganze Wagenkolonnen, von hier oben wie Kinderspielzeug
anzuschauen, sind aufgefahren und erwarten das Signal zum Vorrücken, um,
mit Schutt- und Erdmassen beladen, an den steilen Abhängen emporzuklimmen.
Über weite Strecken hin werden die schweren Lasten befördert, um dann in
der Nähe der sumpfigen Küste von Balboa abgeladen zu werden, wo man mit
ihnen das Moorland aufschüttet und die Ufer befestigt. Bald werden auch dort
Werften, Docks, Warenhäuser und sogar ein Riesenbahnhof entstehen. Zu beiden
Seiten des Durchstichs sind Arbeiter aus aller Herren Ländern in Gruppen bei
dem schwierigen Werk. Unaufhörlich heulen die Bohrmaschinen, auch hier
erdröhnt der Donner der Explosivstoffe wie Schlachtengetöse. Die ganze Atmo-
sphäre ist in Pulverdampf gehüllt, und gewaltige Erdmassen werden durch die
Kraft der Sprengstoffe emporgeschleudert. Bald sind die Dampfschaufeln zur
Stelle, und neue Züge werden beladen. Um mit den Ausgrabungen und Ab-
tragungen gleichen Schritt halten zu können, müssen -die Schienenwege täglich
über 1,5 Kilometer verschoben werden.
Es war mir vergönnt in alle Teile des gewaltigen Werkes einen Einblick zu

Der Panamakanal: In der Dschungel.

Entstehung
des giganti-
schen Werkes am Isthmus. Er zeigt, wie hier seit Jahren Tausende
und aber Tausende von Händen rastlos tätig sind, wie hier eine
Schöpfung entstand, welche die höchsten Forderungen an mensch-
liche Ausdauer, Tatkraft, kluge Berechnung und zweckmäßige
Arbeitsorganisation stellen. Unter Frasers Leitung durchstreifen
wir den Isthmus, lernen Land und Leute kennen, durchwandern
unwegsame Dschungel und sumpfiges Moorland und erleben den
erbitterten Kampf gegen das mörderische Klima, gegen die ver-
derbenbringenden Fieber- und Moskitoherde. Von besonderem Inter-
esse sind die im Schlußwort enthaltenen Ausführungen des Fregatten-
kapitäns Walther, der die handelspolitische und strategische Bedeu-
tung des Wasserweges am Isthmus in kritischer Weise beleuchtet.
Aus diesem fesselnden Werk über das neueste Weltwunder,
das den Kaufmann wie den Gelehrten, den Ingenieur wie den Militär,
ja auch den einfachsten Arbeiter interessiert, bringen wir das Ka-
pitel: „ Der D u rclistich bei Culebra“ im Auszug zum Abdruck.
Der sehenswürdigste Teil des Panamakanals ist zweifellos der
Durchstich bei Culebra. Den Techniker und Ingenieur dürfte aller-
dings der „große Graben“ weit mehr interessieren, als der Durch-

*) Der Panamakanal. Seine Entstehung und Bedeutung. Von John
Foster Fraser. Autorisierte Übersetzung. Mit 2 Karten und 46 Vollbildern
nach Originalaufnahnien. Deutsches Verlagshaus Bong & Co., Berlin W 57.
Preis M. 3.— broschiert, M. 4.— gebunden.



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Der Panamakanal: Sprengung des Gamboadamms, der letzten Schranke zwischen den beiden Weltmeeren,
am 10. Oktober 1913.
 
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