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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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15. Heft
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0448
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Copyright by Rieh. Bong, Berlin. 26. 3. 1914. Alle Rechte, auch das der Übersetzung in andere Sprachen, sind den Urhebern Vorbehalten.




Die Wohltätigkeitsvorstellung der Hof-
gesellschaft im Königl. Sehauspielhause.
Gegen den Schluß der Saison stellte sich eine ganze
Anzahl von Mitgliedern des hohen Adels und der Hof-
gesellschaft in den Dienst der öffentlichen Wohltätigkeit.
Zum Besten des unter dem Protektorat der Kaiserin
stehenden Paul-Gerhardt-Stifts fanden im Königlichen
Schauspielhause drei Vorstellungen statt. Diesmal setzte
sich die Gesellschaft der Logen und des Parketts aus
denselben Elementen zusammen wie die der darstellen-
den Bühnenkünstler; der Theaterzettel zeigte ausnahmslos
illustre Namen, deren Träger sich selbstlos und mit
überraschendem Geschick dem Dienste der Thalia ge-
widmet hatten. Eine Festouvertüre von Klemens Schmal-
stich eröffnete das Programm, darauf sprach Otto
Sommerstorff einen vom Generalintendanten der Hof-
bühnen Grafen von Hülsen-PIaeseler gedichteten, warm-
empfundenen Prolog, und nun kamen die Bühnenkünstler

Wohltätigkeitsvorstellung der Hofgesellschaft im Königl. Schauspielhause: „Dornröschen".
Von links nach rechts: Frl.de Quesada, Prinzessin von Thurn und Taxis, Graf Praschma, Oberleutnant
von Einern, Komtesse Praschma, Erbprinz zu Fürstenberg, Prinzessin Erika von Hohenlohe, ein Mohr.
Phot. E. Bieber, Berlin.
zu ihrem Recht. Der altbeliebte Einakter „Im Warte-
salon I. Klasse“ von Hugo Müller eröffnete den Reigen,
mit dem Prinzen von Wrede und der Gräfin Helene
Rödern in den Hauptrollen. Darauf folgte der schon
vor Jahren bei ähnlicher Gelegenheit aufgeführte zwei-
aktige Schwank aus der Feder des deutschen Militär-
attaches in Paris Detlef von Winterfeldt „Eine Pferde-
kur“. Hieran schloß sich eine Pause, während der sich
im Foyer sehr reges Leben entfaltete. Am Biiffett sah
man die Gräfin Berkheim, die Prinzessin von Schönaich-
Carolath, Gräfin Itzenplitz,
Frau von Friedländer-Fuld
und Frau Arndt allerlei
Erfrischungen zu Phan-
tasiepreisen kredenzen.
Dann folgte als Schluß-
effekt die von Elisabeth
de Gasperini glanzvoll
ausgestattete Pantomime
„ Dornröschen", zu der
Engelbert Humperdinck
aus seiner gleichnamigen
Märchenoper die Musik
geliehen hatte. Der Hof-
staat des Märchenkönigs -
hofs zeichnete sich vor
den sonstigen Hofstaaten
der Bühne dadurch aus,
daß hier wirkliche Prinzen
und Prinzessinnen, wirk-
liche Grafen und Gräfin-
nen, wirkliche Barone
und Baroninnen in des
Märchenkönigs Gefolge
erschienen. Die Fee der
Liebe wurde durch die
schöne Gräfin May La-
risch in hoher Grazie
verkörpert. Ihr Schutz
galt dem „Dornröschen“,
der reizenden Komtesse
Ilse Yvonne Wedel, die
schließlich von dem
schmucken Prinzen, dem
Grafen Kraft Henckel von

Donnersmarck, trotz der Intrigen der bösen Fee aus
tiefem Schlaf erweckt wird und um sich her neues
Leben erwachen sieht.
Während der Vorstellung vergaß man öfters, daß
Dilettanten auf der Bühne agierten, so sicher wirkte
das gut einstudierte Spiel, dessen Eindrücke durch
eine Fülle zaubrisch-märchenhafter Bühnenbilder
erhöht wurden. Ein schöner Erfolg und reicher Er-
trag lohnte alle Mühen und Opfer, welche die ersten
Kreise der Gesellschaft der edlen Sache dar-
gebracht hatten. W.
-o®c-
Das neue Torpedofahrrad
In allen für den Radfahrsport interessierten
Kreisen hat in der letzten Zeit eine Erfindung des
französischen Ingenieurs und Voisinfliegers Bunau-
Varilla berechtigtes Aufsehen erregt, die berufen
scheint, auch in anderen Sportzweigen den Kon-
strukteuren wertvolle Fin-
gerzeige zu geben. Diese
Erfindung ist dasTorpedo-
fahrrad, mit dem der be-
kannte französische Renn-
fahrer Marcel Berthet im
Anfang des Jahres eine
Reihe neuer Weltrekords
schuf. So fuhr Berthet z. B.
einen Kilometer in 1 Mi-
nute 4 Sekunden und fünf
Kilometer in 5 Minuten
46,8 Sekunden, und zwar
legte er diese Distanzen
allein und ohne Führung
zurück. Den Namen Torpedo-
fahrrad hat die Maschine
Bunau-Varillas daher, daß das
mit einer Art Karosserie ver-
sehene gewöhnliche Rennrad
etwa wie ein Torpedo aus-
sieht. Es ist nämlich von
einem fischähnlichen, mit Bal-
lonstoff umspannten Holz-
gerippe eingeschlossen, das
vorn in eine Art Kugelspitze
ausläuft. Die Besonderheit
dieser Konstruktion birgt den
Vorteil in sich, daß der Luft-
widerstand auf das geringste
Maß herabgemindert wird.
Der Fahrer sitzt nämlich im
Innern des Oberbaues, und
nur die Füße sind von ihm
zu sehen. Die Vorderwand der Karosserie ist anstatt
mit Ballonstoff mit Zelluloid verkleidet, durch das der
Fahrer genug sehen kann, um sein Fahrzeug zu steuern.
Auch in Berlin ist kurze Zeit später nun auch ein der-
artiges Torpedofahrrad auf der Bildfläche erschienen, das
von einer namhaften deutschen Fahrradfabrik gebaut
worden ist und von dem bekannten holländischen Meister-
fahrer Piet Dickentman mit Geschick gesteuert wird.
Ursprünglich hatte Dickentman noch einen kleinen Pro-
peller an dem Hinterteil seines Fahrzeugs anbringen

Graf Kraft- Henckel von Donnersmarck
als Prinz im Märchenspiel „Dornröschen".
Phot. E. Bieber, Berlin.

lassen, in der An-
nahme, die Geschwin-
digkeit des Rades da-
durch noch steigern
zu können, aber die
auf Landstraßen vor-
genommenen Versu-
che haben gezeigt,
daß der Propeller, der
durch, die Tretarbeit
der Beine betrieben
wurde, die Schnellig-
keit des Rades eher
verminderte. Auf der
Radrennbahn im Berli-
ner Sportpalast führte
Dickentman seine Ma-
schine dann gelegent-
lich des kürzlich be-
endeten Sechs-Tage-
Rennens vor und er-
brachte in einem Ver-
folgungsrennen gegen
zwei so gute Fahrer
wie Pawke und Packe-
busch, die er nach 18
Runden einholte, den
Beweis, daß seine
Maschine schneller ist
als der beste Fahrer
auf einem gewöhn-
lichen nichtkarossier-
ten Rade.

Wohltätigkeitsvorsteliung der Hofgesellschaft im Königl. Schauspielhause: „Dornröschen“ (Hauptgruppe). Berlin.
Von links nach rechts: Obere Reihe: Graf Chamare, Prinz v. Wrede. Freiherr v. Oelsen, Graf Hohenthal, Graf Haugwitz, Prinz W. Schaumburg-Lippe.
Mittlere Reihe: Freiherr v. Reischach, Herr v. Roon, Komtesse v. d. Groben, Freiherr v. Soleinacher, Frau v. Ihne, Graf Quadt, Gräfin Moltke.
Frau v. Schwabach, Frl. v. Witzleben, Gräfin Finckenstein, Prinzessin zu Salm-Horstmar, Herr v. Osten.
Untere Reihe: Herr v, Ihne, Baronesse Salza (Barbara). Baronesse Salza (Carin), Komtesse Radolin.

Das Sechs-Tage-Rennen, gelegentlich dessen das
Torpedofahrrad vorgeführt wurde, ist das siebente seiner
Art in Berlin gewesen. Im Jahre 1909 fand das erste
Sechs-Tage-Rennen Berlins in der Halle am Zoolo-
gischen Garten statt und wurde von den Amerikanern
Mac Farland—Moran überlegen mit einer Runde Vor-
sprung gegen die Paare Stol—Berthet und Brocco—Pas-
seneu gewonnen. Der inzwischen verstorbene deutsche
Meisterfahrer Thaddäus Robl nahm damals auch teil,
vermochte mit seinem Partner Stellbrink aber nur den
fünften Platz zu besetzen. Im nächsten Rennen, das
Weihnachten 1909/1910 stattfand, siegten Rütt und der
Australier Clark, und dann kamen drei Jahre, in denen
das Paar Rütt—Stol sich als unbesiegbar erwies. Das
letzte Rennen, dessen Schauplatz im Januar 1913 wieder
die Halle am Zoo war, nachdem man die Konkurrenz
drei Jahre lang im Sportpalast in der Potsdamer Straße
abgehalten hatte, holten sich Clark und Hill gegen
Stol—Miquel. Das Ergebnis dieses Jahres ist ja noch
in aller Erinnernng und bedarf daher keines näheren
Eingehens. Über den sportlichen Wert von Sechs-Tage-
Rennen hat man sich lange Zeit mit heißem Bemühen
gestritten. Fanatische Gegner des Sports erkannten dem
Rennen jeglichen sportlichen Wert ab, während die
Vertreter der Gegenpartei ebenso energisch dafür ein-
traten, daß eine derartige Dauerprobe von mancherlei
Gesichtspunkten aus sportlich gar nicht hoch genug ein-
geschätzt werden könne. Über dieses Für und Wider
soll an dieser Stelle nicht entschieden werden, eins ist
aber sicher, daß die An-
forderungen, die an die
physische und geistige
Leistungsfähigkeit der
Rennfahrer in einem sol-
chen Rennen gestellt wer-
den, ganz außerordentlich
sind. Von den beiden
Fahrern je einer Mann-
schaft hat jeder etwa
72 Stunden zu fahren —
bekanntlich dürfen sich
die Fahrer jeder Mann-
schaft nach Belieben ab-
wechseln — und der un-
ablässig tobende heiße
Kampf um die Spitze be-
ansprucht auch alle gei-
stigen Kräfte der Fahrer,
denn die geringste Unauf-
merksamkeit kann den
Verlust aller Siegesaus-
sichten zur Folge haben.
Den Teilnehmern am
Rennen stehen Helfer zur
Seite, die für ihre körper-
lichen Bedürfnisse Sorge
tragen, die für sie kochen,
sie baden, massieren, ihre
Räder in Stand halten
und auch darauf achten,
daß die Mannschaft, deren
Wohl und Wehe ihnen
anvertraut ist, alle sich
ihr bietenden Chancen

XXVITI. 8 B. M
 
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