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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0477
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MODERNE KUNST.




Paris und Florenz gebildet. Nach Berlin siedelte er im Jahre 1889 über, um
sich der impressionistischen Kunst hinzugeben, die seine Malart kennzeichnet. —
Der zweite Künstler, Raffael Schuster-Woldan, stammt aus Schlesien, hat sich
aber gleichfalls in München gebildet. Zugleich war aber auch Italien von Einfluß

auf seine Kunst,
die einen vor-
nehmen Anstrich
zum Beispiel in
den Damenbild-
nissen verrät.
Dieser Maler ist
weiteren Kreisen
besonders durch
seine Bilder alle-
gorischen Inhalts
bekannt, in denen
er häufig beklei-
dete und unbe-
kleidete Figuren
nebeneinander-
stellt. Die letzte
große Berliner
Kunstausstellung
zum 25jährigen
Jubiläum des Re-
*
Eine Ma-
donna Raffael s
für 2800000 Mk.
Die Preise für
die Gemälde be-
rühmter Meister

Prof, Raffael Schuster-Woldan.
Phot. Alice Matzdorff, Berlin.

gierungsantritts
unseres Kaisers
enthielt sein
großes Gemälde,
auf dem ein
Künstler den zar-
ten Nacken einer
auf freier Höhe
sitzenden nack-
ten Frauengestalt,
die gleichsam
zum Genius der
Kunst wird, hin-
gebungsvollküßt.
Raffael Schuster-
Woldan wurde
am 7. Januar 1870
in Striegau ge-
boren und lebt
seit mehreren
Jahren in Berlin.
*
steigen ins Un-
gemessene. Zur
jüngsten Sensa-
tion gehört der
Preis von 140000
Pfund Sterling

oder 2800000 Mark, den Mr. P. A. B. Widener zu Philadelphia für Raffaels Kleine
Madonna aus der Galerie des Lord Cowper in Panshanger gezahlt hat. Das Bild
ist 68 Zentimeter hoch und 46 Zentimeter breit. Seine Fläche läßt sich mit
560 Zwanzigmarkstücken bedecken. Erst zweihundertfünfzig solcher Lagen, die
insgesamt fast ein halbes Meter hoch sind, entsprechen dem kolossalen Kauf-
preise. Vor zwei Jahren hat Mr. Widener Rembrandts „Mühle“ aus der Galerie
des Marquis of Lansdown zu Bowood mit 100000 Pfund oder 2000000 Mark
bezahlt. Geld spielt eben bei den reichen amerikanischen Sammlern, wenn es
sich um die Erwerbung weltbekannter Meisterwerke handelt, keine Rolle. Be-
dauerlich ist nur, daß die englische Hocharistokratie sich ihres Kunstbesitzes in
steigendem Maße entäußert, und daß infolgedessen Europa so mancher edlen
Schöpfung seiner höchsten Kunstblüte verlustig geht. Zur Ehre des Lords sei
jedoch hervorgehoben, daß er sein Bild zuvor für den Preis von 70000 Pfund
oder 1 400000 Mark der National Gallery in London angeboten hat, also für die-
selbe Summe, die diese im Jahre 1885 dem
Pierzog von Marlborough für Raffaels „Ma-
donna degli Ansidei“ zahlte. Und die National
Gallery lehnte Lord Cowpers Angebot ab!
Ihre Gründe entziehen sich der Öffentlichkeit.
Möglich, daß ihr keine genügenden Geldmittel
zur Verfügung standen, mußte doch seinerzeit
zur Beschaffung der 900000 Mark für Ankauf
des jüngst von der Suffragette Mary Richard-
son so scheußlich verunstalteten Velasquez-
schen Bildes „Venus mit dem Spiegel“ eine
Nationalsubskription veranstaltet werden. Mög-
lich auch, daß der Verzicht geschah, weil die
National Gallery bereits mehrere Madonnen
Raffaels besitzt, und zwar neben der schon
erwähnten Madonna degli Ansidei, die „Ma-
donna vom Tower“ und eine alte Kopie der
„Madonna Bridgewater“, die in Lady Elles-
meres Wohnzimmer zu Bridgewater House,
dem Londoner Sitze des Earl of Ellesmere,
hängt. Auch besitzt die National Gallery ein
Jugendwerk Raffaels, den „Traum des Ritters“,
und aus der Florentiner Zeit des Meisters die
„Heilige Katharina von Alexandria". Genug,
Raffaels „Kleine Madonna“ ist dem Amerikaner
anheimgefallen. „Klein“ wird sie genannt, weil
Lord Cowper noch eine andere Madonna des
Meisters besitzt, die höher und breiter ist und
die Bezeichnung „Große Madonna von Pan-
shanger“ trägt. Jene ist aber die reizvollere.
Gemalt wurde sie von Raffael im Jahre 1505
zu Florenz, wo er seit dem Herbst 1504 mit
einigen Unterbrechungen während vier Jahre

ansässig war. Dort verblieb sie auch, bis sie später ihren Einzug in Panshanger
hielt. Gerade der Florentiner Epoche gehören die schönsten Madonnen Raffaels
an: mit der weltlichen, rein menschlichen Betonung stillen Mutterglücks verbindet
sich in ihnen eine ideale Auffassung, die in höchste Reinheit und jungfräulichste
Anmut ausklingt. So kann sich Mr. Widener trotz des hohen Kaufpreises zur
Erwerbung der Kleinen Madonna Panshanger Glück wünschen. G. B.

Verfangener Plirsch. Wohl in den allermeisten Fällen gibt eine Kugel
dem Hirsche den Tod. Seltener finden Hirsche beim „Verkämpfen“ ihr Ende,
indem die ineinander geschlagenen und gestoßenen Geweihstangen sie an jeder
Bewegung hindern und so den Tod durch Verhungern und Verdursten herbei-
führen. Unser Bild auf der nächsten Seite zeigt eine gewiß ganz vereinzelte
Todesart des Kirschs. Das Tier ist vermutlich auf der Flucht an den Abgrund ge-
raten und zurück- von einem 72Jah-
scheuend hinab- re altem Hirsche,
gestürzt, wobei Er tritt die Eichel
es dem Ge- den Grund,
weih sich zwi- schildert er, und
sehen Fichten- sieht den Baum
Stämmen daraus aufwach-
Nach dem alten sen, der ihm dann
„bildlichen“ Aus- JjHHdHBi reichliche Mast
druck der Jäger ■- <*&■■■■ liefert, und er
stirbt der Hirsch sieht diesen Baum
überhaupt nicht, |||||||^H§ ‘ ' vergehen, daß er
soll heißen, er IjHlpfflSSB JjS'itefc* sein Geweih in
vermagein außer- , * ,'i £***&% 3. 'jwIHi denStamm stoßen
ordentlich und das modern-
Alter zu errei- HHHRL . :V.-, de Holz mit den
dien. Schon die .....Läufen zerstäu-
Alten brauchten QgWgsffläU ben kann, ln Vin-
so für ein hohes ; cennes erlegte
Greisenalter den Louis Philipp im
bezeichnenden ,,-v- tBSi *jBwivyjpf' Jahre 1836 einen
Ausdruck „cervi- V !■ Hirsch, der
nosannos vivere“, in die Haut einge-
die Jahre eines wachsenen Mes-
Hirsches leben. singring mit der
Franz v. Kobell -Jahreszahl 1808
berichtet in sei- Prof- Max SIev°gt- trug. Es ließ sich
nem „Wildanger“ ermitteln, daß
dieser Hirsch, damals bereits ein Zweiundzwanzigender, auf Veranlassung der
Kaiserin Josephine damals das Halsband umgelegt erhalten hatte und etwa
20 Jahre schon alt war; er war nunmehr also ein Fünfziger. Um das Alter der
Hirsche festzustellen, hat übrigens bereits Alexander der Große, wie es ähnlich
jetzt durch die Markenkontrolle des „Allge-
meinen Deutschen Jagdschutzvereins“ ge-
schieht, gefangene Hischkälber mit einem be-
schrifteten Halsband versehen und wieder
freigelassen. Ein derart gezeichneter Hirsch
soll einmal im Alter von 85 Jahren erlegt
worden sein. Höchstwahrscheinlich sind an-
dere Hirsche zuweilen noch älter geworden.
* * H.

Der „Geliebte“ im Schuh. Oft sind
es eigenartige Rätsel, welche uns die ewig
launische Frau Mode aufgibt, und manchmal
fragt man sich vergebens, woher sie ihre
suggestive Kraft nimmt, mit der sie Männlein
und Weiblein in ihr zuweilen nicht allzu lieb-
liches Joch zwingt und rücksichtslos tyranni-
siert. Gewiß soll der Reiz, der unbedingt in
der Abwechslung liegt, nicht verkannt werden;
von ihm geht sicherlich eine belebende Kraft
aus, die Handel und Wandel befruchtet und
veredelnd auf die Kultur des Geschmacks zu
wirken vermag. Aber das Neue ist keines-
wegs immer das Bessere, und nicht alles,
was uns die Mode in den letzten Jahren be-
schert hat, ist vorbildlich und erfreulich. Von
alters her war die Kleidung der Frau ihre
eigentliche Domäne, sie war unausgesetzt dem
Wechsel unterworfen, und kein Stück ist ihrer
Laune je so heilig gewesen, daß sie es nicht
in irgendeiner Form umgestaltet hätte. Da
treibt die Sucht nach Neuerungen denn oft gar
eigenartige Blüten. Der Schuh, der den zier-

Raffael: Maria mit dem Christuskinde. Für 2800000 Mark verkauft.
 
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