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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0478

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MODERNE KUNST.





liehen Fuß der Schönen umspannt, ist von diesen Metamorphosen natürlich nicht
verschont geblieben, ihm haben die Modekünstler in den letzten Jahren wieder-
holt ihr lebhaftestes Interesse zugewandt. So sah man Ballschuhe, deren Ober-
leder und Hacken mit köstlichen Steinen, von denen im Festsaal ein Glitzern
und Funkeln ausging, geziert waren. Dann wieder wurden die Schnallen der
Straßenschuhe der eleganten Damenwelt eine Zeitlang mit einer winzi-
gen Uhr geschmückt, und jetzt ist als dernier cri „der Geliebte“ im
Schuh an der Reihe. Ob die neue Idee sehr glücklich und geschmack-
voll ist, möge dahingestellt bleiben; ebenso, ob sie bei dem schönen
Geschlecht die erwartete Gegenliebe findet — absurd und
exzentrisch ist sie auf alle Fälle. Wie so viele unserer
eigenartigen Modelaunen, hat auch diese ihren Weg über
den Ozean zu uns gefunden. Ob dem Auserwählten aber
gerade der etwas exponierte Platz auf der Schuhschnalle
besonders sympathisch und erstrebenswert erscheint, wer
soll es heute entscheiden? Qui vivra, verra! P. G.

Eine neue Modetorheit
Phot. Welt-Preß-

Kopenhagener Osterteller. Ostern wird in allen
christlichen Ländern seit alter Zeit unter mancherlei Ge-
bräuchen, von denen verschiedene an solche der heidni-
schen Vorzeit anknüpfen, als das Fest der Auferstehung Jesu und zugleich als das
Fest der Auferstehung der Natur in erhebendster Weise gefeiert. Seinen Namen
hat das Fest nach der Frühlingsgöttin Ostara erhalten, weil bei den Germanen das
dieser Göttin geweihte Fest fast in dieselbe Zeit fiel. Der schöne Kopenhagener
Osterteller ist natürlich zum Darbringen von Ostergeschenken und Osterspeisen
bestimmt. Man bringt wie bei
uns in Deutschland als Gabe
natürliche Ostereier, Paaskes-
keaeg, und künstliche, diese
mit einem hübschen Schmuck-
stück, dar und vertilgt wohl-
schmeckende Osterfladen, Paas-
kehage. Der Teller entstammt
der rühmlichst bekannten Ma-
nufaktur einer Kopenhagener
Firma und ist in der von
ihr meisterlich geübten und
vorbildlich gewordenen Unter-
glasurmalerei ausgeführt. Der
Rand ist mit der Dornenkrone
und dem Hinweise „Paasken
(Ostern) 1914“ dekoriert. Im
Fond steht auf einem Zaun
über samtweichen Knospen-
kätzchen der Hahn, der in die
Lande kräht und den Frühling
kündet. Er erinnert zugleich
an die Worte, die Jesus nach
dem Abendmahl zu Petrus am
Ölberg sprach: „Wahrlich, ich
sage dir: heute, in dieser Nacht,
ehe denn der Hahn zweimal
krähet, wirst du mich dreimal
verleugnen.“ Nebenbei be-

hingegen besteht er hier und da noch bei den Katholiken,
wie er denn noch fest wurzelt bei den Anhängern der
orthodoxen Kirche in Rußland, die, nach den langen Ent-
behrungen der siebenwöchentlichen Fasten, in der Oster-
nacht bestimmte Speisen, mit denen man sich entfastet,
vor der Kirche beim Scheine flammender Wachskerzen
vom Diakon mit Weihwasser besprengen lassen, wobei
der Djatschök als Kirchenzehnten von jedem Teller ein
Ei nimmt. Die Speisen sind eben hart gekochte Eier und
dazu das aus feinem Weizenmehl gebackene Osterbrot
„Kulitsch“ und eine „Päss’cha“ genannte, oben abge-
stumpfte Pyramide, bestehend aus einem Gemisch von
Käsequark, Zucker und Eiern, die an den vier Seiten mit
dem russischen Kreuz aus Rosinen besteckt ist. Der
eigens für die zu segnenden Osterspeisen bestimmte
Teller ist je nach den Mitteln des Gläubigen, aus Holz,
Ton, Porzellan oder Silber gefertigt und österlich ge-
schmückt. Aus diesem Hinweis auf Rußland läßt sich er-
sehen, wie der Brauch, zur Osterzeit Gaben und Speisen
auf österlichem Teller darzureichen, ein weit verbreiteter
ist. Der Kopenhagener Osterteller steht mit ihm in lebendigem Zusammenhänge, s.

: Der Geliebte im Schuh.
Photo-Komp., Wien.

Verfangener Hirsch.
Phot. J. J. Olbrich, Würbenthal.

merkt: der Hahn auf den Glockentürmen der Kirchen kommt
schon im zehnten Jahrhundert zu St. Gallen vor — er ist
das Symbol der Wachsamkeit in Beobachtung der kano-
nischen Stunden, wie man denn vor Erfindung der
Uhren sich mit dem Beginn des Frühgottesdienstes
nach dem Hahnenschrei richtete. Die Sitte, sich zu
Ostern gegenseitig mit einer Gabe zu beschenken,
insbesondere mit Eiern, ist uralt. Schon den
Völkern des Altertums galt das Ei als Sinn-
bild der Schöpfung und Fruchtbarkeit. Auch
die Kosmogonie der Japaner beginnt mit dem
Ur-Ei, in dem die Gewässer wogten und die
Keime der Dinge lagen, bis die reinen Licht-
keime aufwärts stiegen und den Himmel und
den Raum bildeten, hingegen die verbleiben-
den schweren und dunklen Keime sich zur
Erde wandelten. Die christliche Kirche er-
klärte das Ei für das Symbol des Erlösers,
der aus dem Grabe zum ewigen Leben erstan-
den, damit alle, die da gesündigt und an ihn
glauben, die gleiche Herrlichkeit erlangen. So
schließt das Beschenken mit Eiern den Wunsch ein,
daß dem Empfänger ein glückseliges Leben beschieden
sei. Ein anderer alter Brauch ist das Segnen der Oster-
speisen. Bei den Protestanten in Deutschland ist er abgekomtnen,

Der Hund als Handstandkünstler. Zu den originellsten Dressurakten,
die in der verflossenen Saison im Zirkus gezeigt wurden, gehört unzweifelhaft das
sogenannte „Hunde-Varietö“ des Monsieur Ganja, mit welchem sich derselbe im
Zirkus Albert Schumann pro-
duzierte. Die großen und klei-
nen Vierfüßler zeigten sich als
Jongleure und Rechenkünstler,
als Saltomortalespringer und
Musiker, als Equilibristen und
Handstand künstler. Da war
ein kleiner Pinscher, der einen
Kanarienvogel auf dem Kopfe
balanzierte und dabei auf zwei
Pfoten eine Treppe erstieg,
da gab es einen kleinen Mal-
teser Pudel, der als Farben-
kenner und Rechenkünstler
auftrat und sogar mit ver-
bundenen Augen die Farben
und Zahlen richtig erriet.
Ein ziemlich großer Griffon
spielte Schlittenschellen, wäh-
rend zwei kleine Schoßhünd-
chen, reizend kostümiert, dazu
tanzten. Ein kleiner Seiden-
pudel trat als Clown auf und
wußte ganz allerliebst seine
Komik im richtigen Augen-
blick zur Geltung zu bringen.
Auch eine kleine niedliche
Pantomime, ausgeführt von
Ilund und Katze, gehörte zu
dem Programm dieses Hundevarietes. Auch ein kleines Äffchen
wirkte mit; es trug einem großen schwarzen, als Dame
kostümierten Pudel die Schleppe. Dieser Pudel, ein
mächtiger schwarzer Geselle, ließ sich an den Zähnen
hoch hinauf zur Zirkuskuppel ziehen. Oben angelangt,
fand eine drollige Entkleidungsszene statt, das Ko-
stüm flog langsam zur Erde nieder und der Pudel
hing ruhig und still da, nur bedeckt von seinem
Fell, aber umtost von Beifallsrufen. Eine der
besten Programmpiecen war aber der Hand-
standkünstler, ein Reh-Rattler, der auf der
Hand des Monsieurs Ganja, wie unser Bild
zeigt, auf der linken Vorderpfote stehend, in
sehr ruhiger Balance „Handstand“, besser
gesagt „Pfotenstand“, ausführte. Zu dieser
schwierigen Position gehört viel Vertrauen
seitens des Vierfüßlers. Viel Aufsehen erregte
natürlich der Hund als Rechenkünstler, um so
mehr, als sein Herr in der Manege ziemlich
weit von ihm entfernt stand, und der kleine Kerl
doch seine Aufgaben fast stets mit tödlicher
Sicherheit löste. Er muß brillant auch auf das ge-
ringste Zeichen eingearbeitet sein, besonders da er
bei der Ausführung seiner Aufgabe seinem Herrn den
Rücken zudrehen mußte. V. H-

Mr. Ganja als (Hundedresseur.

Kopenhagener Osterteller.
 
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