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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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4. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn des Brenkhusen, [2]
DOI Artikel:
Buss, Georg: Handzeichnungen moderner Meister
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0124

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MODERNE KUNST.


Schimmernd floß dort unten der Mainstrom dahin, die Lebensader
des Frankenlandes, an seinen Ufern breitete sich die schöne alte Bischof-
stadt aus; ihre vielen Türme stiegen schlank und luftig, hochragend über
der grauen Häusermasse empor; grüne Hügel umschlossen zärtlich
schützend das fruchtbare Tal, und die Sonne dieses sommerlichen Früh-
lingstags lag warm und goldhell, wie ein Freudenlächeln, über der
reizenden Landschaft, über der Heimaterde des Fanneri. Brenkhusen
hatte ein Gefühl, als ob das schöne Mädchen ein Teil dieser sonnigen
Landschaft wäre und als ob er einen köstlichen Besitz an Wärme, Früh'

Das Mönchlein drehte sich schmunzelnd um. Die beiden dachten
wohl auch, sie wären ganz allein auf der lieben Gotteswelt!
Fanny hätte ihren Verlobten am liebsten gleich mit nach Hause zur
Mutter geführt. „Was die Augen machen wird! Ganz starr wird sie
sein vor Staunen. Wissen Sie •— weißt,“ verbesserte sie sich lachend,
„daß wir uns gern hatten, das hat sie wohl gemerkt an dem Abend,
aber sie hat halt geglaubt, Sie — du hättest deine Freud’ an mir, aber
ernst war’ es dir nicht. Und von mir hat sie wohl geglaubt, es war' so
mehr, daß ich mich geschmeichelt fühlte; wie furchtbar ich mich gesehnt
hab' diese ganze Zeitlang, davon hat sie nichts geahnt.“
In ihren Augen standen Tränen. Leidenschaftlich
drückte sie sich gegen seinen Arm und schmiegte im
Gehen ihr Gesicht an seine Schulter.
Mit glücklichem Lächeln sah er ihr in die Augen
und schüttelte doch ein wenig den Kopf dabei. „Das
klingt so süß und ist doch schwer zu glauben. Ein
Mann mit so vielen grauen Flaaren, Fanneri? Zuerst
kam ich dir doch gewiß wie ein alter Onkel vor?“
Heftig verneinte sie. „Von dem Augenblick an,
wo ich zuerst dich angeschaut habe, damals im Bürger-
spital, wußt’ ich: Der, wenn er wollt’, den könnt’ ich
lieb haben wie keinen andern!“
Er küßte sie, auf offener Straße. Das klang so
echt, so ehrlich-
„Sie wird’s gar nimmer glauben wollen, die Mutter,“
fuhr Fanny fort, „sollst seh’n, es wird ein Hauptspaß,
die Überraschung!“
Aber Brenkhusen liebte Überraschungsszenen


Max Liebermann: Landstraße.

lingsfrische, Sonnenkraft in sein künftiges
Leben mitnehmen würde, wenn er dieses
liebe Geschöpf zu eigen gewönne.
Plötzlich merkten sie, daß ihre Hände
ineinander lagen, ohne daß sie es wußten,
wie das so gekommen war.
„Haben Sie manchmal an mich ge-
dacht, Fräulein Fanny, während ich an den
italienischen Seen war?“ fragte er, sich
zu ihr beugend.
Sie sah zu Boden. „Sehr, sehr viel“,
antwortete sie leise. Sie atmete stürmisch.
Ihm war, als ob er das Klopfen ihres
Flerzens vernehmen könnte.
„Ich habe Ihr Bild vor Augen gehabt
Tag und Nacht“, sagte er, sie näher an
sich ziehend. „Fanny, liebe Fanny!“
Und einige Minuten später, da sah
ein frommes Mönchlein im Kapuziner-
gewande, das, aus dem Hospiz tretend,
dem Berghange zuschritt, wie zwei sich
küßten. Es war ein langer und inniger Kuß, im Angesicht des blühen-
den Maintals und der Wallfahrtskirche des heiligen Nikolaus.

Max Lieberm.mn: Auf dem Kanal. Aus dem Werk „Meister der Zeichnung".
nicht und widersetzte sich deshalb lächelnd. Er zog
Nachmittage die Mama um ihren Segen zu bitten.

es vor, erst am
[Fortsetzung folgt.]

Handzeichnungen moderner Meister.
Von Georg Rhenanus.

ltime Einblicke in die Entwicklung großer Persönlichkeiten erwecken
jenen eigenartigen Reiz, der mit dem Beobachten von Wachstum und
Reifen untrennbar verbunden ist. Daher die Anziehungskraft der Hand-
zeichnungen bedeutender Künstler: sie besitzen eine gewisse Ähnlichkeit mit
Memoiren, in denen von Erlebtem, Empfundenem und Erstrebtem Kunde gege-
ben wird. Es ist so, als ob Herzen sich erschlössen und Bekenntnisse ablegten
von dem, was da im Innern gestürmt, gebraust und gerungen hat. Und mehr
noch: klärendes Licht wird über so manches verbreitet, was vordem nicht immer
verstanden oder gar abfällig beurteilt wurde.


[Nachdruck verboten.]
Wer dächte aus diesem Anlasse nicht an Eugöne Delacroix? Sämtliche
Gardisten des sinkenden Pariser Klassizismus schrien es in alle Winde, daß
er im Zeichnen nichts los habe. Sie zeterten, wetterten und fluchten unter
leidenschaftlichen Gestikulationen über Mißachtung der Natur, Unsicherheit und
Flüchtigkeit der Mache, schlimme Knochenbrüche, Verrenkungen und andere
scheußliche Todsünden ihres Opfers. Aber der schaffensfrohe Künstler ließ das
Korps der Nörgler schreien und malte seine rauschenden Farbensymphonien
gelassen weiter. Und als nach seinem Heimgange die Testamentsvollstrecker
die hinterlassenen Mappen öffneten, fanden sie zu ihrer Überraschung mehr als
 
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