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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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4. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn des Brenkhusen, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0123

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MODERNE KUNST.

49



Und als sie
verschwunden
waren, wich
plötzlich Fan-
nys strahlende
Sicherheit. „Ja,
ich wollte doch
wissen, wie es
Ihnen geht —“
brachte sie ver-
legen hervor,
„und ob Sie auf
der Reise sich
schön erholt ha-
ben, die Beiden
geh’n langsam,
denen komme
ich schon noch
nach.“
„Ist aber
gar nicht nötig,
Fräulein Fan-
ny,“ sagte er,
„jetzt müssen
Sie mich be-
gleiten, das sind
Sie als einge-
borene Würzburgerin dem Fremden schuldig. Ich könnte sonst den Weg
verfehlen.“
Sie lachte und duldete es, daß er beim Weitergehen ihren Arm
nahm.
Und als seine Hand die Wärme dieses weichen Mädchenarms fühlte,
und als sie ihn so scheu und innig von der Seite ansah — ein Blick von
wunderbar keuscher Lieblichkeit, hingebend und rein — da wurde es klar
in ihm, da wußte er, daß er sein Glück gefunden hatte.
„Sie haben einen Morgenspaziergang nach dem Käppeli gemacht?“
fragte er.
Fanny schüttelte den Kopf. „Einen Spa-
ziergang? Eigentlich nicht. Ich mußte — —
ich hatte da etwas zu tun.“
„Im Käppeli?“
„Ja, ich wollte —“ sie zögerte ein wenig
mit dem Geständnis — „zur Muttergottes wollt'
ich. Kennen Sie die schwarze Muttergottes
dort oben?“
Er entsann sich dunkel einer Madonna,
von der gesagt wurde, ihr Kopf wäre aus
einem Meteorsteine gebildet.
„Die ist die wundertätigste von allen“,
fuhr Fanny sehr leise fort. „Ich hatte sie um
etwas zu bitten.“
Beide schwiegen.
„Ich möchte das wohl wissen“, sagte er
dann nachdenklich; aber sie schüttelte den
Kopf. Jetzt hatten die Beiden die Wallfahrts-
kirche erreicht.
„Kommen Sie noch einmal mit hinein?“
fragte Brenkhusen.
„Gern.“
Beim Eintreten bemerkte sie, daß er die
Finger nicht in das Weihwasserbecken tauchte.
Erschrocken sah sie ihn an. „Sind Sie
denn ein Protestant?“
„Ja, das bin ich.“
„Ach“, meinte sie bedauernd.
Und ihm wurde plötzlich sehr schwer ums
Herz. Daß er daran noch gar nicht gedacht

hatte: der Un-
terschied der
Konfessionen.
Wunderlich,
auch soeben
noch, als sie
ihm von ihrer
Wallfahrt zur
Madonna er-
zählte, war ihm
der Katholizis-
mus nur als
eine neue, kind-
lich rührende
Seite ihres We-
sens vorgekom-
men. Was es
bedeutete: eine
katholische
Frau, vielleicht
eine bigotte?
Erst in diesem
Augenblick fiel
es ihm lastend
auf die Seele.
Sie blieben
nicht lange in
der Kirche. Brenkhusen hatte nichts von den Bildern noch von den
Votivtäfelchen gesehen, die er früher so gern betrachtet hatte — — das
eine Täfelchen, das hatte ihm immer so viel Freude gemacht: eine
fromme Seele bedankte sich auf demselben, daß sie „mit Hilfe der
Muttergottes und des Herrn Professors Dr. Michel ihr Augenlicht wieder-
erlangt hatte“.
Heute fehlte Brenkhusen der Sinn für diese Dokumente naiver
Menschlichkeit. Er sah nur immer verstohlen auf das liebe Mädchen,
über dessen Züge sich ein Schatten gelegt hatte.
Sie traten wieder ins Freie.
Goldener Mittagsglanz umstrahlte sie
blendend. Sehr langsam schritten sie vorwärts.
„Fühlen Sie sich mir nun plötzlich frem-
der, da Sie wissen, daß' ich Protestant bin,
Fräulein Fanny?“ fragte Brenkhusen mit for-
schendem Blicke.
Sie atmete auf, ein wenig beklommen.
Dann schüttelte sie lächelnd den Kopf. „Nein,
nur im ersten Moment war es mir — —
Nein, ich bin nicht so und unser Herr
Pfarrer — der, wo mein Beichtvater ist —
der ist auch gar nicht so. Sehr ein lieber
alter Plerr. Der hat erst neulich gesagt, es
wär’ keine Todsünd’, wenn man einen Pro-
testanten gern“ — sie wurde plötzlich dunkel-
rot — „gern haben“ schien für sie ein ver-
fängliches Wort zu sein — „wenn man Pro-
testanten zu Freunden hätte, darunter gäb’ es
auch gute Menschen; man müßte nur“ — sie
sprach leiser, mehr zu sich selber — „fleißig
für ihr Seelenheil beten, damit sie den rechten
Weg fänden.“
Brenkhusen schwieg. Das klang beruhi-
gend. Also kein eifernder Zelot, sondern „sehr
ein lieber alter Herr“ war der Beichtvater ?
Die beiden Wanderer hatten sich jetzt
einer Terrasse zugewandt, von der man einen
weltumfassenden Blick über die Landschaft
genoß. Ganz einsam war es um sie her, denn
die Mittagstunde hatte längst geläutet.

Max Klinger: Der Tod als Trösten Aus dem Werk „Meister der Zeichnung".

XXVIII. 13.

F. Stuck: Studie zum Inferno. Aus dem Werk „Meister der Zeichnung".
 
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