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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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18. Heft
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Orthopädische Heilanstalt von Hofrat Fr. v. Hessing in Göggingen bei Augsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0545

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MODERNE KUNST.






Orthopädische Heilanstalt von Hofrat Fr. v. Hessing
in Göggingen bei Augsburg.
C^tr
.-Um Jahre 1868 erteilte das K. Staatsministerium dem Orthopäden Friedrich
Vy Hessing zu Augsburg die Genehmigung zur Errichtung einer ortho-
pädischen Heilanstalt in dem ehemaligen Landgerichtsgebäude in Göggingen bei
Augsburg. Heute umfaßt diese Anstalt einen Komplex von über 60000 Quadrat-
meter. An die „Alte Anstalt“, das ehemalige Landgericht, schließen sich rings
um einen prächtigen Park Wandelhallen an, um den Kurgästen auch bei schlechtem
Wetter Bewegung im Freien zu ermöglichen. Hier finden wir auch den „Neubau“
und die „Burg“, ferner die „Neue Anstalt“ mit den orthopädischen Werkstätten,
Speisesälen, Wintergärten, Musikzimmer usw. Direkt einem Flügel angegliedert
ist die Anstaltskirche mit herrlicher Orgel und großartigem gothischen Schnitz-
werk. Bei der Haltestelle der elektrischen Trambahn, welche Augsburg mit
Göggingen verbindet, steht das „Kurhaus“ mit großem Park, in dessen Mitte sich
das prächtige „Palmenhaus“ und Sommertheater erhebt. Das ganze Etablissement
bietet gegen 400 Patienten Raum, ist elektrisch beleuchtet und fast durchweg
mit Zentralheizung eingerichtet. Ein musterhafter „Ökonomiebetrieb“ liefert
erstklassige Produkte für die Küchen, mehr als 100 Stück Vieh sorgen für den
Milch- und Butterbedarf der Anstalt.
Göggingen ist von Augsburg mittelst elektrischer Straßenbahn in 20 Minuten
zu erreichen. Außerdem stehen auf Wunsch die eigenen Equipagen der Heil-
anstalt am Bahnhof Augsburg zur Verfügung. Das Klima Göggingens ist kräftigend
und nervenstärkend, reine Bergluft weht von den Alpen hernieder und trägt im

Burg.
7. Rückgratverkrümmungen, entstanden durch englische Krankheit (Rhachitis) und
schlechte Körperhaltung im Hauptentwicklungsalter.
8. Wirbelentzündungen (Spondjditis). Auch diese Patienten, die meistens hoch-
gradige Schmerzen haben, verlieren solche im Stützkorsett und brauchen nicht
zu Bett liegen. Zur Lagerung sind eigens gepolsterte Stühle vorhanden.
9. Alle Schädlichkeiten des Schnürkorsetts, z. B. Wandernieren, Senkung der Ge-
därme und Unterleibsschwäche, werden durch ein besonderes, anatomisch
konstruiertes Frauenkorsett (nicht zu verwechseln mit orthopädischem Korsett)
beseitigt. Besonders hervorzuheben ist das zur Herbeiführung einer unge-
störten, beschwerdefreien Schwangerschaft erfundene und nur hier gefertigte
Umstandskorsett. Dasselbe kann bis zum letzten Tage der Schwangerschaft
getragen werden und verhindert die durch Unterleibsschwäche oftmals ein-
tretenden Frühgeburten.
10. Alle Arten von Lähmungen, Kinderlähmungen nach Schlaganfällen.
11. Nerven- und Rückenmarkserkrankungen, wie Tabes, Hysterie, Neurasthenie usw.
Der Ruf der Anstalt ist in der ganzen Welt verbreitet, alle Nationen und
Stände, hoch und nieder, reich und arm, suchen in derselben Hilfe für die
mannigfachen Leiden und

Gebrechen. Schon vielen,
die jede Hoffnung aufge-
geben, haben die vorzüg-
lichen Methoden Fr. von
Hessings Hilfe gebracht.
Der Meister vereinigt das
Wissen des Arztes mit
dem genialen Scharfblick,
der hellen Intuition des
Künstlers, unterstützt

durch jahrzehntelange Hofrat Fr. v. Hessing, Beinbruch behandelnd,
reiche Erfahrung. Nicht
mit Unrecht ist er der Schöpfer der modernen Orthopädie genannt worden.
Auch in den Dienst des Staates hat er sein Können gestellt durch sein Buch
„Kriegsapparat zum leichten Transport Verwundeter“, das 1893 erschienen. Eine
wertvolle Bereicherung der medizinischen Wissenschaft bildet sein Werk „Ortho-
pädische Therapie“, das er 1903 zusammen mit Dr. Hasslauer herausgegeben. Eine
stattliche Reihe von Orden ziert die Brust des genialen Künstlers, dem es vergönnt
ist, seine segenspendende Kunst der leidenden Menschheit zuteil werden zu lassen.

Theater.

Verein mit der rationellen orthopädischen Heilmethode nicht wenig zur raschen
Gesundung bei.
Die Grundidee der Erfindungen, die heute als Hessingsches System allent-
halben in der medizinischen Welt die volle Anerkennung gefunden hat, gipfelt in
dem Prinzip der gleichzeitigen Entlastung, Fixation und Extension der erkrankten
Gelenke, Knochen usw. und in dem Ersatz gänzlich verlorener oder unbrauchbar
gewordener Muskeln und Sehnen durch entsprechend angeordnete Gummizüge.
Mit nachweisbarem Erfolg werden behandelt:
1. alle Arten von' Gelenkentzündungen, auch tuberkulöser Natur, insbesondere
Ilüft-, Knie- und Fußgelenkleiden. Schmerzen, Steifigkeiten und Kon-
trakturen schwinden durch Anwendung der in der ganzen Welt bekannten
sinnreichen heiltechnischen Apparate ohne die so lästige Bettruhe.
2. Knochenbrüche. Die Einrichtung von Brüchen erfolgt schmerzlos. Kein
Gelenk wird steif gestellt, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Das Gehen
ist vom ersten Tage ab möglich und Patient kann im Einhergehen ohne
Schmerzen die Heilung abwarten. Speziell wird darauf aufmerksam
gemacht, daß 3—4 Wochen alte Brüche, bei welchen infolge ander-
weitiger Behandlung die Neigung zu
Verkürzung und später schwer zu be-
seitigenden Verschiebungen besteht,
hiernoch einer gutenlleilung entgegen-
geführt werden. Je früher mit der
Redression solcher nicht korrekt
heilender Brüche begonnen wird, desto
größer ist die Aussicht auf guten Erfolg.
3. Gelenkverrenkungen, namentlich die
angeborenen Hüftgelenk Verrenkungen.
4. Rhachitische Verkrümmungen, O-und
X-Beine.
5. Gichtische und rheumatische Gelenk-
verbildungen.
Hofrat Fr. v. Hessing, 6' KlumPfüße, Spitz- und Plattfüße.
Korsett anlegend.

Neue Anstalt mit Kirche.
 
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