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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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22. Heft
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Buss, Georg: Das Motiv in der Kunst
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Unsere Bilder
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284

MODERNE KUNST.

zu begeistern. Der mit dem Aufbsge bedachte Künstler muß Zusehen, wie er
sich in der Zwangslage zurechtfindet. Die historische Richtigkeit soll unter allen
Umständen gewahrt bleiben, wo vielleicht lieber die Phantasie mit Macht einge-
setzt und die Nüchternheit des Vorganges in Poesie verwandelt hätte. Da gilt es,
sich bescheiden, auch bescheiden gegenüber den besonderen Wünschen, die irgend
eine gewichtige Person geäußert hat und die nicht gut zu umgehen sind. Der
Klippen und Dornen gibt es bei solchen Aufträgen oft so viele, daß der Künstler
seines Lebens nicht froh wird und sich mehr wie ein Lohnarbeiter, denn als Schöpfer
dünkt. Und doch kann und darf der Staat zur Pflege des vaterländischen Ge-
dankens auf die Mithilfe der Kunst nicht verzichten, wohl aber vermag er die
Aufgaben so zu stellen, daß sie dem Künstler größere Bewegungsfreiheit gestatten.
Vor allem muß verlangt werden, daß der Gegenstand allgemein bekannt, mithin
volkstümlich und von jedem Beschauer des Bildes sofort in seiner ganzen ge-
wichtigen Bedeutung zu ermessen ist. Vorwürfe aus der neueren Geschichte, mit
der sich das Wohl und Wehe der Nation verbindet, werden immer die besten sein,
weil vorauszusetzen ist, daß sie auch dem schlichtesten Angehörigen des Volkes
verständlich sind. Es wird im Übrigen
immer ein Vorzug der religiösen Vor-
würfe bleiben, sich jedermann in ihrer
Bedeutung zu offenbaren und somit den
Wissensdurst nach dem „Was“ zu be-
friedigen. Schon in dieser mehr volks-
tümlichen Fassung der Aufgabe liegt für
den Künstler eine gewisse Befreiung, und
noch mehr, wenn ihm die Ausführung
so zugestanden wird, wie sie ihm kraft
seiner Phantasie, seines besten Eigen-
rechts, vorschwebt. Dann auch dürfte
der Widerstand von Künstlern, die da
proklamieren : „Wir sind nicht dazu da,
um Geschichte zu malen, sondern um der
Kunst zu dienen“, merklich nachlassen.

Unsere

T^yermann Fenner-Behmer, der
(?) im vorigen Jahre durch einen
plötzlichen Tod mitten aus dem Schaf-
fen seiner besten Mannesjahre heraus-
gerissen wurde, gehörte zu jenen Künst-
lern, die unbekümmert um Mode und
herrschende Tagesstimmung ihren Weg
gehen. Die Freude an Schönheit und
Eleganz, an Rasse und Kultur, an
Vornehmheit und Geschmack bildeten
den Kernpunkt des Wesens seiner
Kunst. Als Krone dieser Schönheits-
welt schwebte ihm stets die Frau in
ihrer schlanken, rassigen Erscheinung
vor, und ihr hat er immer wieder ge-
huldigt. Ihre Formen, ihre Art sich zu
bewegen, ihre Schönheit, ihre Grazie,
ihr Caprice hatte er mit großem Ver-
ständnis erfaßt, wie dies auch eines
seiner bekanntesten Werke, „Blue China“, versinnbildlicht. Das Original dieses
Gemäldes erregte auf der Großen Berliner Kunstaustellung im Jahre 1912 all-
seitiges Interesse. Es stellt eine Morgenszene im eleganten Ankleidezimmer einer
Dame dar. Mit erhobenen Händen hält sie das duftige Seidenhemd, um es über
ihren Körper zu streifen, auf dessen gepflegter, samtartiger Haut helle Lichter
und Reflexe spielen. Von diesem Werke ist übrigens im Kunstverlag von Rieh.
Bong, Berlin W. 57, ein prächtiger Farbenlichtdruck erschienen, der an Vollen-
dung und Farbentreue nichts zu wünschen übrig läßt.

Paul Gervais hat in seinen Gemälden „Erntesegen" und „Heimkehr
vom Felde“ die Fülle und Pracht des Sommers verherrlicht. Schwerbeladen
schwankt der garbengefüllte Wagen durch die Einsamkeit des Waldes. Freude
und Zufriedenheit ruht auf den Gesichtern der Helfer und Helferinnen, die
die Früchte des Feldes im Abendsonnenschein nach mühevollem Tagewerk heim-
bringen. Die üppige Reife der sommerlichen Natur, welche die Felder mit so
reicher Ernte segnet, ist hier bildlich in glänzender Weise zum Ausdruck gebracht.

Christian Kroghs Gemälde „Schwere See" schildert uns die mannig-
fachen Gefahren der wettergebräunten Seeleute. Der kleine Segler ist in ein
böses Unwetter geraten und wird von den Wogen arg bedrängt und wie eine Nuß-
schale hin- und hergeworfen. Aber die Mannschaft läßt sich von dem Ungestüm


„L’art pour l’Art" ist theoretisch ein schöner Satz, aber praktisch nicht zu
verwirklichen, denn um den Gegenstand und das Publikum kommt die Kunst
nicht herum. Es gibt überhaupt keine Kunst, sondern nur Kunstwerke, und diese
sind gefärbt von der besonderen Art der Zeit, in der sie entstanden. Den Ein-
wirkungen der Sitten, Gewohnheiten, Anschauungen und eigentümlichen Ver-
hältnisse seiner völkischen Umgebung kann sich kein Künstler entziehen. Die
alten holländischen Meister mit ihren Bildern, in der sich der materielle Zug des
damaligen Holland getreulich wiederspiegelt, liefern ja den schlagendsten Beweis.
Grund genug, daß der Künstler mit Worten nicht ablehnt, was er in Wirklichkeit
gar nicht ablehnen kann und was ihm auch ein gut Teil Leben verleiht. Der
lebendige Zusammenhang mit dem Volke, in dessen Umgebung er schafft, wird
ihm immer notwendig sein, und je verständlicher er sich zu machen weiß, um
so besser für ihn, denn die Faktoren Lob, Anerkennung und Liebe ergeben ein
Produkt, dessen Kraft zu frohem Weiterstreben anspornt und über manche
materielle Sorgen hinweghebt.
Gewiß, die künstlerische Behandlung ist die Hauptsache. Und ebenso ist
es gewiß, daß jeder unbedeutende oder
mehr zur Illustration geeignete Gegen-
stand durch eines Meisters Kraft zu
stolzer Höhe emporgehoben werden
kann. Aber trotzdem läßt sich nicht
abweisen, daß interessante Gegenstände
mehr als nichtssagende ansprechen.
Daher wird es nicht leicht sein, uns
zugunsten der rein malerischen Dar-
stellung so ganz vom Gegenstände zu
emanzipieren. Mögen Kunstleistung
und interessanter oder wenigstens an-
sprechender Gegenstand stets vereint
sein —‘ zum Schleppenträger der Ge-
schichte oder der Novelle wird damit
der Künstler noch lange nicht.

©ilder.

Paul Gauguin: Guitarrespieler.

Aus dem Verlag
Paul Cässirer, Berlin.

des Meeres nicht beugen. Wie ange-
wurzelt steht der Steuermann auf sei-
nem Posten, während ein anderer hin-
auslugt, um den Kurs des Fahrzeuges
zu sichern.

Auf der diesjährigen Jahresaus-
stellung des Wiener Künstlerhauses be-
findet sich Suppantschitschs Ge-
mälde „Sonnenlichter“. Das alte,
baumumstandene Häuschen mit seiner
morschen, halbverfallenen Mauer wird
gleichsam liebkosend von den Strahlen
der Sonne übergossen. Die Reflexe
huschen in flimmernden, glitzernden
Lichtern über die ganze Landschaft und
erfüllen sie mit einem geheimnisvollen
Schimmer, der dem ganzen Gemälde

einen überaus zarten, fast märchenhaften Reiz verleiht. Franz Eichhorsts
Arbeit „Ein heißer Sommertag“ führt uns hinaus an die' von üppigem
Wiesengrün umsäumten Ufer eines Flusses, in dessen Wassern sich die Jugend
in freier Ungebundenheit beim Baden tummelt.

In dem so wirkungsvollen Tiefdruckverfahren kommt der volle Stimmungs-
gehalt von J. Schönwalds „Abend im Moor“ ausgezeichnet zur Geltung.
Die Schleier der Dämmerung und die schattenartigen Nebel, die sich gerade im
Spätherbst über den Wassern zusammenballen, geben dem Bilde einen typischen
geheimnisvollen Zauber. Lastende Stille, Öde und Verlassenheit, wie man sie
an solchen Orten trifft, treten hier vortrefflich in Erscheinung.

F. Müller-Münster: „Die heilige Cäcilie". Schon wiederholt ist die
heilige Cäcilie, die Patronin der Kirchen- und besonders der Orgel musik, von
Malern verherrlicht worden. In der älteren und auch in der modernen Kunst
führte der Vorwurf zu stimmungsvollen Kompositionen. Müller - Münster hat
ihn in einer neuen Variante behandelt, indem er die Macht der Kirchen-
musik, die das Gemüt zu höheren Sphären erhebt, durch die lauschenden
Engelschöre ebenso schön wie empfindungsvoll kennzeichnet. Mit den kleinen
Teufelchen, die als Zaungäste verstohlen zuhören, läßt der Künstler einen Strahl
feinen, sonnigen Humors in die ernste Stimmung hineinleuchten.
 
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