Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI Heft:
1. Heft
DOI Artikel:
Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0019

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
7


ie Rfißn des Hßrrn non JBrßnfißusßn.

Von Klaus Rittland (Elisabeth Heinroth).

Copyright 1913 by Rieh. Bong

)er nie an einem sonnenheißen Vormittag das stille, kühle
Trinkstüblein des Würzburger Bürgerspitals aufgesucht und
die Tiefen einer Flasche Steinweins ergründet hat, der weiß
nicht, was Lebensgenuß heißt. Der Steinwein, dieser Grandseigneur in
der Rangordnung der Weine, stark, edel und gehaltvoll, würzig, ölschwer
fließend-wer käme ihm gleich im ganzen Frankenlande, im ganzen
weingesegneten Südwesten des Deutschen Reiches!
Noch war die rechte Frühschoppenstunde für Würzburg nicht ge-
kommen.
Nur einer saß dort am langen, schweren Eichentische hinter seiner
gewölbten Bocksbeutelflasche, ein Herr gegen Ende der Vierzig, im
Reiseanzuge von grau meliertem englischem Stoffe. Noch hatte er keinen
Schluck getrunken. Dicht hielt er das Glas unter die Nase und sog als
feiner Genießer die süße, kräftige Blume ein.
Er hatte schon einen langen Morgenspaziergang hinter sich. Gestern
Abend spät war er in Würzburg angekommen, und heute, gleich in der
Frühe, hatte er seinen Lieblingsweg aufgesucht, jenseits des Mains, in

der Richtung nach Oberzell. Man ging da lange zwischen
niederen, weißen Mauern dahin, bröckligem Gemäuer,
aus dem die schnellen Eidechschen hervorhuschten. Heiß
hatte die Sonne auf den steinigen Boden gebrannt. Und
Curt Brenkhusen hatte denselben Eindruck gehabt, den
dieser Weg schon vor Zeiten in ihm geweckt, da er ihn
als junger Student gewandelt war: Italien. Das war ein
italienischer Weg. Überhaupt, dieses ganze Würzburg,
es war eine merkwürdig südliche Stadt. Oder schien

ihm das nur so, weil es das erste Stück Süddeutschland war, das er
einst kennen gelernt?
Der heiße Spaziergang hatte ihn sehr durstig gemacht. Er trank
nun in langen Zügen. Und nicht nur den goldnen Steinwein schlürfte er
ein — nein, einen viel köstlicheren, viel berauschenderen Trank genoß
er mit dem edlen Rebensäfte: seine Jugend — ein wundervolles, viel-
leicht das schönste Stück seiner Jugendzeit. Alles hatte ihn damals ent-
zückt, alles: das freundliche Maintal, die alten fränkischen Adelshäuser
am Markte, die Muttergottesbilder an den Straßenecken, die schönen alten
Kirchen mit den naiven Bildwerken des Tillmann Riemenschneider, die
sonnenüberfluteten Weinberge — und die Würzburger Mädchen, diese
frischen, braunäugigen, ein wenig derben und doch so anmutigen Franken-
mädels! Warum sie ihm so reizend erschienen? Vielleicht, weil eine
von ihnen die erste gewesen war — nicht seine erste Flamme, o nein,
aber die erste, die ihn die volle Süßigkeit der Liebe kennen gelehrt. Er
war ein scheuer Junge gewesen, übersensitiv, vor allem Unsauberen zu-
rückschreckend; das „Kättchen“ aber, die unternehmende kleine Würz-
burgerin, hatte ihn in ihre runden
Arme genommen und seine Scheu
weggeküßt — — schöne Stunden,
diese heißen, seligen Stunden leicht-
sinniger Jugendlust!
Der Oberpräsidialrat Curt von
Brenkhusen lächelte versonnen in sein
grünes Glas hinein. Wie lag das alles
weit, weit zurück. Wie war man jetzt
so vernünftig geworden — ein tadel-
los korrekter höherer Beamter in
reiferen Jahren, überlegsam, ruhig —
das heißt, man sollte wenigstens
ruhig geworden sein. — —
Das Trinkstübel hatte sich in
der letzten Viertelstunde gefüllt.
Würzburger Spießbürger und allerlei
Fremde. Eben traten drei neue Gäste
ein und sahen sich vergebens nach
einem leeren Tisch um, ein Herr
und zwei Damen. „Sie gestatten?“
sagte der Herr, an Brenkhusens Tisch
tretend. Und sie setzten sich ihm
gegenüber. Sonst verabscheute Brenk-
husen das Zusammensitzen mit fremden Personen. Wenn
je so etwas einmal in Hannover passierte — es passierte
aber fast nie —, pflegte er immer bald aufzustehen.
Heut aber war er sehr wohlwollend gestimmt. Freund-
lich musterte er den jungen, schon etwas dicken Herrn
mit dem Schmiß über der linken Stirnseite. Die kleine
Person zu seiner Rechten schien seine Frau zu sein. Etwas
gewöhnlich sah sie aus, allzu rote Backen, „ein Kartoffel-
gesichtchen, wie man sie hier häufig findet,“ urteilte Brenk-
husen. Und die aufgeputzte hellrosa Seidenbluse paßte
recht schlecht zu dem groben Teint. Die andere Dame
aber-erst jetzt faßte Brenkhusen sie näher ins Auge
und freudiges Staunen befiel ihn — — ja, aber das rvar ja
eine Schönheit! Eng umschloß das schlichte Jackenkleid
die prächtige Gestalt — voll, hochbusig, mit zierlicher
Taille — und aus dem weichen Oval des blühenden jungen
Gesichts blitzten wunderschöne, strahlende braune Augen
hervor. Ein paar Sekunden lang sah sie ihr Gegenüber mit
einem kaum merklichen Lächeln an, in dem etwas Heraus-
forderndes lag, der Übermut des vielbegehrten Weibes: Ich
 
Annotationen