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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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16. Heft
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Anwand, Oskar; Brandenburg, Martin [Ill.]: Martin Brandenburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0463

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Martin Brandenburg: Die Stunden der Nacht und des Morgens.

IT)artin Brandenburg,
Von Dr. Oskar Anwand.

*eit Jahren und Jahrzehnten ist jedes phantasievolle Element, das sich in der
Malerei hervorwagte, mit Mißgunst und Argwohn angesehen worden. Erleb-
nisse, die der Künstler aus innerer Anschauung geschöpft hatte, und über
denen ein Schimmer jener Höhenluft schwebte, die allen Künsten gemeinsam sein
muß, für die wir aber nur das Wort „Poesie“ haben — wurden als „literarisch" oder
„novellistisch" abgelehnt. Aus diesem Irrtum erwuchs auch der kläglich-gescheiterte
Versuch, Arnold Böcklin als einen Geschichtenerzähler und Unkünstler hinzustellen.
Eine bestimmte Gruppe von Kunsthändlern, Künstlern und Kritikern wollte nicht
mehr, daß es heißen sollte: „Es ist der Geist, der sich den
Körper baut". Dieser Geist sollte sich höchstens in der
Variierung des Motivs und der Beherrschung der malerischen
Ausdrucksmittel zeigen, nicht aber im Bilden von Gestalten
und Vorgängen, der Symbole innerer Gesichte. Glücklicher-
weise wurde diese moderne Beckmesserei, die unsere Malerei ein-
zuschnüren und zu verarmen drohte, immer wieder durch das
Auftreten von Malern ins Unrecht gesetzt, die sich in die eng-
gezogenen Grenzen nicht fügen wollten — ein Zeichen der
Gesundheit und Kraft der Volksseele. Sind Künstler dieses
Charakters, wie z. B. Martin Brandenburg, auch durch die
Schule des Impressionismus mit ihrer Verfeinerung des male-
rischen Sehens geschritten, so stehen sie als Vertreter einer
neuen Malerei der Gegenwart vor uns, die ja mit Recht das
geistige Element, das Schaffen aus inneren Erlebnissen aufs
neue fordert. Es ist durchaus kein Zufall, daß Martin Branden-
burg sich von der früheren Berliner Sezession, h. der Partei
um Cassirer losgesagt hat, um völlig frei seine eignen Wege
zu gehen.
Man denkt bei dem Namen dieses Künstlers zunächst
nicht an irgendeine malerische Technik, obwohl er auch hier
seine ausgesprochene Eigenart besitzt, sondern an seine voll-

[Nachdruck verboten.]
wiegende künstlerische Persönlichkeit, die sich sowohl in den Motiven wie in der
Art seiner Malerei ausspricht. Denn beide sind voneinander untrennbar. Um das
Wesen seiner Kunst zu kennzeichnen, wird man kaum auf Maler der letzten Zeit,
sondern eher auf große Empfindungswelten weisen, wie sie uns ebenso gut durch
andere Künste, z. B. die Dichtung und die Musik, vertraut sind. Man könnte sich bei
den mächtig brausenden Akkorden, die Brandenburg mit starker Hand zur Harmonie
emporreißt, an Beethoven erinnert fühlen. Aber eine gewisse Schwere des ge-
danklichen Elements und eine gedrängte Fülle der Erscheinungen, die aus dem
tiefen Brunnenspiegel sinnender Betrachtung emporzutauchen
scheinen, legt den Gedanken an Dante nahe, der in der Tat
tiefen Einfluß auf die Phantasie des Künstlers geübt hat. Zu-
gleich geht aber ein echt deutscher Zug durch Brandenburgs
Schaffen, in dem der Wald und die Natur eine große Rolle
spielen. Aus seinen Arbeiten duftet, blüht und sprüht es wie
aus Shakespeares „Sommernachtstraum". Der romantische und
träumerische Zug des Märchens blickt uns vertraut entgegen.
Das alles ist aus der Phantasie eines Künstlers neugeboren,
dessen hohe geistige Bildung von vornherein außer Frage steht,
und dessen reife Selbständigkeit kaum den Einfluß irgendeines
Lehrers in sich aufgenommen hat. Um dennoch einige Äußer-
lichkeiten seines Entwicklungsganges zu verzeichnen, sei be-
merkt, daß der neunzehnjährige Jüngling nach Absolvierung
des Gymnasiums 1889 die Berliner Kunstakademie bezog. Der
angehende Künstler bildete sich 1893 in Paris unter Jean Paul
Laurens fort; und 1907 arbeitete Martin Brandenburg, dessen
Heimat Berlin geworden ist, in Florenz, wo er die Villa
Romana bewohnte. Im übrigen ist das Leben dieses Malers,
der zugleich eine wertvolle und von seinen Schülern hoch
geschätzte Lehrkraft bedeutet, ohne gewaltsame und abenteuer-
liche Einschnitte bisher verlaufen.


XXV11I. 49.

Martin Brandenburg.
Phot. Hanse Herrmann, Berlin.
 
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