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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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15. Heft
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Anwand, Oskar; Sandrock, Leonhard [Ill.]: Leonhard Sandrock
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0432

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Leonhard Sandrock: Gasanstalt.

LEONHARD SANDROCR.


[Nachdruck verboten.]

Jie jeder Mensch, so ist auch der Künstler ein Kind seinerzeit; ja in noch
höherem Grade als sie alle, da er aus dem Geiste und Leben dieser Zeit
seine Werke gestalten muß, will er nicht ein Epigone und Nachahmer
bleiben. Bei manchen Dichtern und Malern sind die engen heimatlichen Beziehungen
zu ihrer Gegenwart auf den ersten Blick kaum zu erkennen, sondern offenbaren sich
erst beim genaueren Behorchen des Pulsschlages ihrer Werke. Bei anderen dringt
dieser Rhythmus schon aus den Motiven ihrer Arbeiten von
weitem an unser Ohr, um aus ihren feinsten Teilen leise wieder-
zuhallen. Zu diesen Künstlern gehört Leonhard Sandrock, der
mit Vorliebe mächtige Gefüge aus Menschenhand — Schiffe,
Lokomotiven, Krahne und Speicher, wie sie unsere Technik
erschaffen hat, mit der Welt, von der sie umgeben werden, in
seinen Gemälden neu erstehen läßt. Um die Mitte des vorigen
Jahrhunderts hat Julian Schmidt der deutschen Dichtung die
Mahnung zugerufen, das deutsche Volk auf seiner wichtigsten
Domäne — der Arbeit aufzusuchen; und nicht viel später ent-
standen Gustav Freytags Romane. Einen ähnlichen Appell ließ
Leonhard Sandrocks Seele an ihn selbst ergehen, wobei die
Ergebnisse entsprechend der neuen Zeit und der völlig andern
Kunstart, wie sie die Malerei bedeutet, auch andere waren.
Denn es sei von vornherein betont, daß Sandrocks Kunst durch-
aus keinen literarischen oder illustrativen Beigeschmack besitzt;
er ist in ausgesprochener Weise Maler, hat seine Motive durch
das Auge empfangen und verschmäht in ihnen alle Zusammen-
stellungen erzählender Art. Ein Vergleich mit dem „EisenWalz-
werk" Adolf Menzels — an dessen Bedeutung gewiß nicht


gerührt werden soll — zeigt mit voller Klarheit, wie unsere Kunst gelernt hat, an
Stelle novellistischer und genrehafter Motive breite Farbenwirkung sprechen zu lassen.
Ja, Sandrock besitzt eine ganz ungewöhnliche Breite, Kraft und Plastik des Pinselstriches.
„Wie an dem Tag, der dich der Welt verliehen, die Sonne stand zum Gruße der
Planeten, bist alsobald und fort und fort. gediehen, nach dem Gesetz, wonach du
angetreten." Dies Wort scheint auch für Leonhard Sandrock gemünzt zu sein, sofern
schon die Liebe und das brennende Interesse des Knaben, der
am 5. März 1S67 zu Neumarkt in Schlesien in einem Pastor-
hause geboren war, der Welt der Lokomotive und des Schiffes
galt, die später dem Künstler hauptsächlich die Motive seiner
Arbeiten ergaben. Schon die erste Zeichnung des Fünfjährigen
war eine Lokomotive und sein heißester Wunsch lautete, Loko-
motivführer zu werden, weil er es sich als das Schönste vor-
stellte, auf einer großen Schnellzugslokomotive die Welt zu
durchfliegen. „Durch die alljährlichen Ferienreisen nach den
Ostseebädern Dievenow und Zinnowitz", so erzählt Sandrock
selbst, „wechselte die Passion, und der Seemannsberuf trat in
den Vordergrund des Interesses. Auf den Fahrten über das
Stettiner Haff gelang es mir stets, mich auf die streng ver-
botene Kommandobrücke zu schmuggeln. Da die Kapitäne an
meinen Zeichnungen Gefallen fanden, durfte ich meist dort
bleiben und — der Sicht der übrigen Passagiere durch die
hohen Leinenwände entzogen — mein Notizbuch mit allen
möglichen uns begegnenden Schiffstypen füllen". Später, als
sich Sandrock ganz der Kunst gewidmet hatte, wandte er sich
zuerst dem Meere und den Schiffen und erst später der Loko-

XXVI1L 46.

Leonhard Sandrock.
 
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