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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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20. Heft
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Weil, Mathilde: Chippendale: historische Skizze
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Boerschel, Ernst: Deutsche Dichterfrauen
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0603

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252

MODERNE KUNST.


Lesser Ury: Liegender Akt. Ölgemälde.

zu meiner 1 heaterprobe nach Covent-Garden. Leben Sie wohl!“ Und die
schöne Schauspielerin glitt rauschend zu ihrer harrenden Equipage.
Meister Hogarth wählte nun seine Rahmen. Die beiden Künstler einigten
sich auf möglichst glatte, rotbraune Mahagonirahmen — die nur ein schmales
Goldleistchen zierte.-—
In kürzester Frist hat Meister Hogarth Chippendale berühmt gemacht. Bald
wollte jeder vermögende Aristokrat und die reichen Bürger Old-Englands nur
von Chippendale eingerichtet sein.
Eine glanzvolle Epoche brach für die englische Möbelkunst an. Meister
Chippendale bezog bald ein großes Haus in St. Martins Lane, und in seiner Werk-
statt trafen sich alle Enthusiasten die London eine künstlerische Note geben wollten.
Das französische Joch, des Rokoko sollte abgeschüttelt werden. Chippen-
dale war der richtige revolutionäre Geist — er ließ ein Werk über englische
Möbelkunst im Jahre 1754 erscheinen: „The Gentlemans and Cabinetsmakers
Director“ — das kolossales Aufsehen erregte. Das gut geschriebene Werk fand

reißenden Absatz, und immer begehrter wurden Meister Chippendales Möbel.
Meister Chippendale lieferte ebenso herrliche Prunkmöbel für die noblen
Schlösser des englischen Hochadels, wie einfache, praktische Möbel für minder-
bemittelte Bürger. Unter dem Einflüsse dieses bedeutenden Möbelkünstlers bekam
das englische Heim bald ein eigenartiges Gepräge. Es gehörte zum guten Ton,
zumindest einige Möbel von Chippendale zu besitzen. Entweder die Anrichte-
tische (dressers) oder zumindest die Hogarth-Chippendale Stühle mußten
bei dem gemütlich glosendem Kamine stehen. Und die schön verglasten Bücher-
schränke zierten bald jede englische Bibliothek, und die Chippendale Standuhren
zierten jede bessere „Hall“.
Meister William Hogarth triumphierte: „Na, was hab ich gesagt, wir sind
frei von Frankreich! We get rid of France! Es lebe die englische Kunst, und
mit ihr Meister Chippendale, der Vater der englischen Möbelkunst. I suppose —
wenn auch Jahrhunderte über unsere sterblichen Reste hinwegrauschten, unsere
beiden Namen werden in Ehren gehalten werden.

== Deutsche Dichterfrauen.
Von Ernst Boerschel.

ilsplp« er Einfluß, den Schillers Lotte auf das Schaffen und die Persönlichkeit ihres
Gatten ausgeübt hat, war von hohem Segen. Andern Dichtern zerschlug
sich dieses Glück schneller. Ivlopstock verlor seine Meta, geb. Möller,
an deren Teilnahme für seinen „Messias“ er sich erwärmt hatte, nach vier Jahren
bei der Geburt eines Kindes. Lessing mußte sich von seiner Eva König, geb. Hahn,
schon nach einem Jahre trennen. Auch sie starb (1778) an der Geburt eines
Kindes. Er hatte neun Jahre um sie geworben. Er konnte sich von dem Schlag
nicht mehr erholen und starb bald nach seiner Frau, am 15. Februar 1781. Viel
häusliches Behagen dankte Goethe seiner Christiane, geb. Vulpius., die er 1806
nach der Katastrophe von Jena geheiratet halte. Die Mutige hatte ihn 1806 vor
dem Einbruch der Franzosen in sein Haus gerettet, indem sie eine Wache vor
seinem Hause erwirkte. Mit welcher Liebe und Eifersucht Goethe an ihr hing,
geht aus seinen Briefen an Frau Aja, seine Mutter, hervor. Die Worte, die er
1816 nach ihrem Tode an Alexander von Humboldt schrieb: „Der ganze Gewinn
meines Lebens ist, ihren Verlust zu beweinen“, hören sich ungleich besser an
als das, was Grabbes Frau gleich einer wutschnaubenden Megäre beim Tode ihres
Gatten sagte: „Topp, das ist gut, daß der Unhold tot ist!“
Die vortrefflichen Frauen unserer Dichter haben uns gezeigt, wie bedeutend
ihr sänftigendes Wesen auf das Temperament und die gesammelte Schaffens-
freudigkeit ihrer Männer eingewirkt hat. Es ist fast von derselben schöpferischen
Wirkung gewesen wie der Einfluß der Mütter auf die Gemüts- und Charakter-
entfaltung ihrer Söhne. Mit welcher Aufopferung hat Ida Freiligrath, geborene
Melos, das unstete, unter politischen Verfolgungen hin- und hergehetzte Leben
ihres Gatten ertragen! Mit welchem Verständnis für seinen Dichterberuf hat sie
zu seinem Schaffen gehalten, auch wenn die Arbeit um das tägliche Brot weit
wichtiger erschien als das Erglühen für ein Gedicht. Wie pietätvoll hat Emma

[Nachdruck verboten.)
Uhland, geb. Viscner, die Werke ihres Gatten betreut, wie fein hat sie sich in
dessen Wiesen eingefunden! Ihr Buch „Ludwig Uhlands Leben“ ist das fein-
sinnigste Zeugnis dafür. Sodann Luise Reuter! Schmalhans war Küchen-
meister, noch als von Neubrandenburg aus die ersten größeren Werke Fritz
Reuters, wie die „Franzosentid“ in die Welt gingen. Es wurde nicht gemurrt,
und mit Liebe selbst die unglückselige Krankheit des Gatten, die er sich in der
Festungszeit geholt hatte, abzuwenden gesucht. „O, die Leere, die Öde des
Herzens! Das kann mir niemand ausfüllen, und wenn er’s könnte, möchte ichs
nicht. Der Austausch der Gedanken, das innere Verständnis, der Laut der lieben
Stimme, der Ausfluß seines reichen Geistes, die stets belebende, belehrende
Rede, ach, alles, alles fehlt mir, je länger je mehr“, schrieb die trauernde Frau
1874 nach dem Tode Reuters.
Einen im dämmernden Licht scharfer Lebensschicksale verschwimmenden
Dichterstern zur vollen Höhe heraufgeführt zu haben, die Anerkennung für diese
Tat gebührt unter den Gattinnen unserer neueren Dichter Christine Hebbel,
geb. Enghaus. Als eine der Größen des damaligen Wiener Burgtheaters hat sie
Hebbel mit der ersten Darstellung der Judith die Bühne erschlossen, die ihm
bisher versagt geblieben war und damit des Dichters Schaffen ungeheuer an-
geregt. Seine späteren Werke flössen dann aus jener Inbrunst hervor, die die
Anerkennung und der Ruhm in den Dichter legen. Christine Hebbel geht als
eine der bedeutendsten geistigen Anregerinnen eines unserer ersten Dichter in
die Literaturgeschichte ein.
Sollen wir noch die Gattinnen Frey tags, Jensens und Fontanes nennen?
Auch mit ihnen wäre die Reihe der Dichterfrauen, die auf das Schaffen ihrer
Männer einen günstigen Einfluß ausgeübt haben, nicht erschöpft, sondern zieht
sich bis in unsere Tage hinab.
 
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