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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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25. Heft
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Neisser, Artur: Der Pariser "Salon" 1914
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Seyfont, Paul de: Mitbringsel
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0746

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MODERNE KUNST.

sehr liebt und verschlingt, werden mit anekdotischer Genauigkeit malerisch
erzählt. Selbst in dumpfe Krankenzimmer wird uns ein ziemlich ungenierter
Einblick gewährt oder in Blindenhospitäler, (wo sich die Unglücklichen mit fast
erotischer Inbrunst in ihre geliebte Tonkunst versenken) oder in Spelunken und
Nachtlokale aller Art.
Inmitten dieser ausgeprochenen Publikumskunst gibt es aber nun auch
im „Salon“ wie stets, so auch diesmal Säle, die wie ruhige Inseln in dem
Meer nervöser städtischer Geschäftigkeit und Unrast anmuten. Ich spiele hier
nicht nur auf jene Porträts still schaffender Künstler an, die in irgendeinem
stillen Montmatrewinkel ihr abseitiges Leben führen und die sich auch durch den
sie beobachtenden Malerfreund nicht aus ihrer Ruhe bringen lassen; auch die
stillversonnenen alten Frauen oder die etwas mürrisch gutbürgerlichen Familien-
bilder habe ich hier weniger im Auge, Bildnisse, in denen der Maler seine An-
gehörigen manchmal fast gegen deren Willen zu verewigen scheint. Ich denke
vielmehr besonders an jene Spezialausstellungen, die zu mehren und zu Zyklen
zu kombinieren, in künftigen Jahren die vornehmste Aufgabe der Hängekommission
des „Salons“ bilden müßte. Es ist nichts beglückender und lehrreicher, nichts
führt auch den Laien leichter in die Kunstbetrachtung hinein, als derartige

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Sonderausstellungen, wie sie Gaston Latouche von seinem reichen, interessanten
Werk veranstaltet hat. Latouche hat sich in vielfachen abendlichen Wanderungen
durch den lauschigen Park von Versailles .oder wohl auch während eines Nacht-
festes in diesem unvergleichlichen Schloßparadies so völlig eingelebt in die ver-
liebt tändelnde Welt Ludwigs XIV., daß seine Bilder wie Illustrationen zu
irgendwelchen Zeitgedichten aus dieser Periode anmuten, ohne dabei der mo-
dernen romantischen Pikanterie zu entbehren. „Ein Nachtfest in Versailles“
zeigt ein modisch gekleidetes, verliebtes Paar, das sich auf einem Kahn in einem
der Rundteiche des Gartens ergeht. Zwei Faune rudern das Boot, das ganz in die
grünschimmernde Lampionatmosphäre und in die Flammen des Raketen-Sprüh-
feuers getaucht ist. Wundervoll ist der nächtliche Schimmer des Parkes mit dem
gelben Dämmer des künstlichen Feuerwerks zu einer Einheit verbunden; diese
Einheit der Farbe ist Latouches schönstes Charakteristikum. Mancher seiner
Freunde unter den „Sozietären“ des „Salons“ hätte von Latouche lernen sollen,
was es heißt, sich künstlerisch bescheiden und malerisch sich mäßigen. Nicht
zufällig gehört Latouche grade der „Societe des Artistes franpais“ an, die auch
sonst z. B. darin, daß sie in einem Sondersaale mehrmals wöchentlich moderne
Konzerte und Konferenzen veranstaltet, künstlerischen Ernst offenbart.

Mitbringsel.
Eine Betrachtung von Paul de Seyfont.

ist eine gute und gewiß schon recht alte Sitte, von einem Feste, einer Reise,
einem Ausgange denen, die wir lieben und die daheim bleiben mußten, ein
Zeichen herzlichen Gedenkens heimzubringen, damit sie gleichsam Anteil haben
an dem Schönen, das uns dieweilen begegnete, damit ein Abglanz unsrer Freude auch
sie mit warmem Strahle treffe. Es ist eine uralte Festessitte, der sich in gleicher Weise
hoch und niedrig unterwirft. Das große, bunte Schnupftuch, das der Bauer alsEnveloppe
für den Hochzeitskuchen von dem jungen Paare mit auf den Heimweg bekommt, ist ja
nur eine andre, eben rustikalere Form der Konfekttüte höfischer Festlichkeiten. Es ist

[Nachdruck verboten.]
eine reizvolle Sitte, der zumal Liebende oft mit wahrer Hingabe frönen. Wenn Goethe
einmal ein paar Tage von Weimar abwesend war, dann sandte er seiner Christiane
fast mit jedem Briefe eine Gabe sehnsüchtigen Heimerinnerns. ,,In Paris wirds allerlei
geben, in Frankfurt gib.ts noch ein zweites Judenkrämchen. Heut ist ein Körbchen
mit Likör abgegangen und ein Päckchen mit Zuckerwerk. Es soll immer was in die
Haushaltung kommen“, schreibt er aus dem Lager bei Verdun. Ein andermal heißt es:
„Ich mache mir Vorwürfe, daß ich nicht Spielsachen für den Kleinen eingepackt und
den Sohn über die Mutter vergessen habe, er soll nun auch was haben, entweder bring


Franz Hoch: Abend am See.

Aus dem Kunstsalon Eduard Schulte, Berlin und Düsseldori.
 
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