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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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18. Heft
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Skowronnek, Fritz: Aus den Wolken gefallen: eine Frühlingsgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0524

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Aus den "Velken gefallen.
Eine Frühlingsgeschichte von Fritz Skowronnek.


uf dem Gutshof von Quittainen war es still geworden. Zuerst
waren die Knechte mit ihren Gespannen weggeritten, dann
marschierten die Scharwerker unter Führung des Vogts hinter-
drein . . . Die jungen Burschen übermütig scherzend und schäkernd, die
Mädel lachend und kichernd . . . Von dem jungen Volke ging ein Strom
von Lustigkeit aus, als wenn sie nicht zu schwerer Tagesarbeit sondern
zum Tanzplatz, wanderten, wo Fiedel und Brummbaß locken.
Das war der Frühling, der aus ihrem Herzen sang. Eben erst war
die Sonne aufgegangen. Noch
hingen die Tautropfen am Grase
und den dünnen Ästen der Sträu-
chen Überall funkelten die Far-
ben des Regenbogens. Die ganze
Luft schien erfüllt von einem
einzigen zitternden Ton, der aus
den Kehlen der jubilierenden
Lerchen zusammenfloß. Da-
zwischen schmetterten die Buch-
finken ihre helle Strophe und die
Spatzen lärmten aufgeregt, denn
über Nacht waren die Schwalben
heimgekehrt und stritten heftig
mit den frechen Eindringlingen,
die ihre Nester in Besitz genom-
men hatten.
In dem Storchnest saß in
treuer Erfüllung ihrer Mutter-
pflichten Frau Adebar. Eben be-
grüßte sie mit freudigem Ge-
klapper ihren sorgsamen Gatten,
der ihr von der Wiese das Früh-
stück geholt hatte . . . . schöne
fette Frösche und ein paar
Mäuse . . .
Vor dem Kutschstall hatte
Brinkmann, der alte Kutscher,
seine sechs Pferde aufgebaut,
stattliche, wohlgenährte Trakeh-
ner, deren glatte Rücken im
Sonnenschein leuchteten, .ebenso
wie die blütenweißen Hemds-
ärmel und die blaue Schürze des
Graukopfs .... Ein behäbiges
Lächeln lag auf seinem glatt-
rasierten Gesicht, aus dem der
Stolz und die Freude über seine
Pflegebefohlenen sprach. Eine
geschickte Kammerzofe kann ihre

Bruno Wersig: Capri. Im Frühling an der Via Tragara.

Gebieterin nicht sorgfältiger bedienen, als Brinkmann seine Pferde. Er
kämmte ihre Mähnen und bürstete ihre Felle, er wusch ihre Beine und
salbte ihre Hufe, daß sie glänzten. Ganz ruhig standen die klugen Tiere, nur
ab und zu den Kopf aufwerfend. Sie wußten genau, daß sie gleich nach Been-
digung der Morgentoilette goldgelben Hafer und duftendesKleeheu bekamen.
Am Frühstückstisch im'Gutshause hatte die Hausfrau noch einmal
den Versuch gemacht, ihre Tochter von dem Spazierritt abzuhalten.
Hilda, eine schlanke Blondine von achtzehn Lenzen, berief sich aber
auf die väterliche Erlaubnis, und das Zeugnis des Inspektors, daß sie eine
vollendete Reiterin sei. „Und es gibt keinen frommeren Gaul, als den
Pascha“, schloß sie mit einem bittenden Blick zu ihrem Vater hin, der
ihr bestätigend zunickte.
Vor der Freitreppe wartete bereits Brinkmann mit dem behäbigen
Grauschimmel, der seine Herrin mit kräftigem Wiehern begrüßte. Während

[Nachdruck verboten.]
Hilda ihm zur Begrüßung ein Stück Zucker zwischen die Lippen steckte,
untersuchte der Gutsherr sorgfältig Sattelzeug und Zaum. Dann hob er
seine Tochter wie eine Feder auf und setzte sie in den Sattel.
„Zu Mittag bin ich pünktlich zurück, geliebter Papa“, rief Hilda, als
sie den Gaul antraben ließ. Eine Viertelstunde später ritt sie auf den
Gutshof von Bauditten, um ihre Jugendgespielin Thea Koch abzuholen, deren
Pferd, eine schlanke rassige Stute, schon gesattelt auf und ab geführt wurde.
„Onkel, Tante“, rief sie dem befreundeten Ehepaar zu, das mit der
Tochter auf derVeranda erschien,
„das hat noch einen Kampf mit
Mama gekostet, bis ich die Er-
laubnis bekam, allein auszureiten.
Aber nun wollen wir es auch für
voll nehmen, nicht war Thea?“
„Ich bin dabei“, erwiderte die
Freundin, ein zierliches Persön-
chen mit blitzenden Augen.
Im Schritt ritten die jungen
Mädchen den Feldweg entlang,
der von allzu reichlichem Regen
stark aufgeweicht war. Rechts
und links lagen die Roßgärten
der Remonten, von hohen Zäunen
eingehegt. Wie ein Sturmwind
kamen die wilden jungen Tiere
auf den Weg zu gesprengt und
begleiteten die Reiterinnen.
Das Wetter hatte sich in-
zwischen zu seinen Ungunsten
geändert. Mit überraschender
Schnelligkeit hatte ein heller
Dunst den ganzen Himmel über-
zogen, durch den die Sonne wie
durch einen Schleier blickte. Bald
waren aus dem Dunst dichte
bleigraue Wolken geworden, die

auf die Erde herabzuhängen
schienen.
„Du Hilda, ich denke, wir
kehren um“, meinte Thea, „ich
fürchte, wir bekommen noch
etwas auf den Pelz.“
„Ach Thea, wie kannst du
bloß so schlecht zu mir sein!
Das erstemal, wo ich allein aus-
reiten darf. Aber was hat deine
Finesse?“
„Ich weiß auch nicht, was
sie hat“, erwiderte Thea und beugte sich vor, um beruhigend den Hals
der Stute zu klopfen, die aufgeregt schnarchte und mit den Ohren
arbeitete.
„Geht bei euch eine Dreschmaschine?“ rief Hilda.
„Aber Hilda, jetzt im Frühjahr.“
Nun begann auch Pascha unruhig zu werden. Das surrende und
brummende Geräusch wurde immer lauter ...
„Du, das ist ein Luftschiff“, rief Hilda, die Mühe hatte, ihren Gaul
zu bändigen.
Auch Finesse stürmte gegen den Zügel. „Schade, daß wir es nicht
sehen können“, meinte Thea. Sie hatte kaum das Wort gesprochen, als
ihre Stute ganz unvermutet einen Satz zur Seite machte und ihre Reiterin
abwarf. Zum Glück hatte ihr Fuß in demselben Augenblick den Bügel
verloren, denn Finesse raste wie eine Besessene, davon. Auch Pascha
 
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