Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

DOI Heft:
26. Heft
DOI Artikel:
Leicht-Athletik
DOI Artikel:
Tovote, Heinz: Die Zigarettentasche
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0780

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
MODERNE KUNST.

323

Ehrgeiz ist. (Jnd darin liegt der ideale Wert der Leichtathletik. Man arbeitet an sich
selbst, man trainiert und verzichtet auf Annehmlichkeiten, die das moderne Leben
bringt, nicht um in einen Kampf zu gehen, der dem Sieger Gold oder Goldeswert
bringt, nein, man kämpft um die Ehre seines Klubs, dem auch ein eventueller Ehren-
preis in den weitaus meisten Fällen zufällt.
Es ist ein Glück für ein Volk, wenn es sich begeistern kann an den athletischen
Taten seiner Jugend. Ein Volk, das Athletik treibt, ist gesund, und der Gang der Ge-
schichte zeigt, daß Völker, die den Sport aufgaben, die in ein Schlemmerleben ver-

fielen, auf dem absteigenden Ast angelangt waren. Das muß aber heutzutage unter
allen Umständen verhindert werden. Unser Zeitalter stellt so kolossale Ansprüche an
die Menschen, an ihren Körper, ihre Nerven, daß sich die ganze Rasse somit notge-
drungen im Laufe der Zeit verschlechtern würde. Zugleich ist der Sport ein Mittel, die
Jugend vor den Gefahren der Großstadt zu bewahren. Daß er auch in dieser Beziehung
vieles hält, daß er aus jungen Leuten, aus unerfahrenen Kindern ernste Männer macht,
die im harten Kampf ums Dasein Sieger bleiben, kann er beweisen. Deshalb laßt der
Jugend die Freude am Sport, denn es ist nur zu ihrem und des Vaterlandes Besten.

T)ie Zigareffenfasche.

Von Heinz Tovote.


hübsch, das silberne Etui." — Ja, ganz hübsch!
„Mit dem Zeichen des Yachtklubs.'' — Ja, leider!
„Weshalb leider! ..." — Weil dieses Abzeichen jemand zum
Verhängnis geworden ist.
„Zum Verhängnis? ..." — Ja! Zuerst habe ich das Ding geschenkt
gekriegt und später habe ich es mir zur Erinnerung gekauft.
„Verstehe ich nicht.“ — Ich benutze die Zigarettentasclie nie. Aber
sie liegt da als ein Memento! Kein angenehmes, kann ich versichern.
„Also hängt eine Geschichte dran?"
So ähnlich, eine böse Geschichte, die mich in argen Konflikt mit mir
selbst gebracht hat, ob ich recht gehandelt habe. Das weiß ich heute noch
nicht ganz, aber ich kann es Ihnen ja erzählen. Dann mögen Sie urteilen.
„Bitte!“.
Also die Geschichte ist über fünfzehn Jahre her, und ich hatte damals
noch nicht die Erfahrungen, wie ich sie heute habe. Ich war noch ohne alles
Mißtrauen, und freute mich über jedes kleinste Abenteuer, dem ich be-
gegnete, weil ich ja die Kehrseite nicht kannte. Eines Tages stand ich auf
der Elektrischen, die schon ganz besetzt war, als noch eine Dame zustieg,
die eigentlich überzählig war. Sie stand schlecht, und so bot ich ihr
meinen Stehplatz an der
Wand an, weil sie einen
Schirm trug und ein paar
Päckchen an Knebelschnüren,
und der Wagen ruckte so,
daß sie das Gleichgewicht
kaum halten konnte.
Sie hatte mir freundlich
gedankt, und daraufhin be-
trachtete ich sie mir genauer.
Der Hut saß so tief, daß
vom Gesicht nicht viel zu
erkennen war.
Aber sie war hübsch, ein
niedliches Gesicht mit großen
unschuldigen Augen. Ein
junges Mädchen oder eine
ganz junge Frau, so fein und
zierlich war sie.
Ein Paket fiel ihr hin-
unter, das ich ihr aufhob. Ein
Neigen des Kopfes dankte
mir, und dann raffte sie offen-
bar all ihren Mut zusammen,
um zu fragen, wie sie nach
der Wormser Straße komme,
an der die Elektrische direkt
vorbeifuhr. Ich konnte cs
ihr sagen, und während sie
abstieg, kämpfte ich mit mir,
und schalt mich einen Dumm-
kopf, daß ich nicht den glei-
chen Weg eingeschlagen hatte,
als sei das auch mein Ziel,
und mit ihr abgestiegen war.


%
w
Jp

[Nachdruck verboten.]
Nun war es zu spät. Der Wagen bog schon in die Tauentzienstraße
ein, und die günstige Gelegenheit war verpaßt.
Zu spät begriff ich, wie töricht ich gehandelt hatte. Ich sprang ab und
lief zurück. Aber als ich in die kurze Wormser Straße kam, war nichts mehr
von ihr zu sehen.
Da entschloß ich mich zu warten, und die Zeit ging hin. Eine halbe
Stunde, eine volle Stunde, und erst als nahezu zwei Stunden vorbei waren,
ging ich endlich, weil ein Schutzmann mich seit einiger Zeit beobachtete, und
mich nicht mehr aus den Augen ließ.
Ich vergaß das feine Mädchengesicht nicht. Unter Tausenden hätte.
ich ihre Gestalt sofort wiedererkannt. — Und ich erkannte sie wieder, als
ich ihr nach fünf, sechs Tagen im Kaufhause des Westens begegnete, in einem
Augenblicke, da ich schon jede Hoffnung begraben hatte.
Ich grüßte, und sie nickte instinktiv wieder; denn ganz plötzlich standen
wir uns gegenüber. Dann machte sie rasch ein ganz fremdes Gesicht —
aber ich ließ es nicht dazu kommen, daß sie mir wehrte, sondern sprach
sie rasch an — und berief mich auf das erste Zusammentreffen. Sie
wollte böse werden, - aber dann gab sie es auf; und wir kamen rasch in ein
Gespräch. Wir trafen uns wieder, wurden immer vertrauter, aber ich erfuhr
nicht viel von ihr, fast gar
nichts.
Einen Trauring trug sie
nicht, aber andere, offenbar
kostbare Ringe. Sie mußte
in sehr guten Verhältnissen
leben, aber es war nichts aus
ihr herauszubringen, wie ge-
schickt ich auch versuchte,
etwas über sie selbst zu
erfahren.
Ich hatte ihr mein Wort
geben müssen, ihr nicht nach-
zuforschen, ihr niemals nach-
zugehen. Das hatte ich
versprochen und hielt es. End-
lich erfuhr ich von ihr, daß
sie verheiratet sei, aber ihr
Mann war in Australien auf
ein Vierteljahr.
Das erleichterte die Sache
und gab mir Mut, und bald
wurden wir sehr befreundet
und sahen uns oft.
Aber häufig konnte sie
nicht. Es vergingen Tage, daß
ich sie nicht zu sehen bekam.
Das Geheimnis machte mich
ganz krank. Wenn ich eine
Frage stellte, schloß sie mil-
den Mund, und es gab keine
Möglichkeit, ihr ein aufklären-
des Wort zu entlocken. Ich
stieß gegen eine Mauer, die
» ■ undurchdringlich schien.


Edmund Erp ff: Leichtathletik. Stabhochsprung.
 
Annotationen