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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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6. Heft
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Duncker, Dora: Die Marquise von Pompadour
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0187

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MODERNE KUNST.






Die GQarquise

Mit Abbildungen aus dem

Von Pompadoup.

Roman von Dora Duncker.

als erste unter der Maske der wandelnden Taxus-
bäume erkennt.
Die erste Liebesnacht unter gestammelten
Liebesschwüren, heißen Küssen! Bild reiht sich
an Bild, Szene an Szene. Immer mehr erliegt der
König dem unwiderstehlichen Zauber, der Grazie,
dem wohlgebildeten Geist dieser schönen „Bür-
gerin“ gegen die die Hofgesellschaft, die Königin,
der Dauphin, die Partei der Jesuiten sich zornig
und vergeblich wehren.
Mit lachendem Munde, durch Geist und über-
legene Klugheit entwaffnet Jeanne d’Etioles einen
Teil ihrer Feinde. Sie bringt neues Leben in die
stagnierende Hofgesellschaft. Die jungen Prin-
zessinnen gewinnen sie sich als Verbündete. Die
Philosophen, Voltaire an der Spitze, bilden einen
schützenden Kreis um sie. Sie nützen ihren Ein-
fluß beim König aus, aber sie zeigen sich nicht
undankbar. Sie halten in Treue an ihr fest.
Mit Hilfe La Vallieres, einem direkten Nach-
kommen Louise von La Vallieres, wird durch die
Marquise in Versailles das berühmte Liebhaber-
theater, das „Theatre des petits cabinets“ ge-
gründet, den König
abzuziehen von seinen häufig wiederkehrenden
Melancholien und seiner Todesfurcht.
Mit Moliöres „Tartüffe“ wird das Theater
eröffnet. Nur Mitglieder der Hofgesellschaft treten
auf, als ihr erster Stern Mme. de Pompadour.
Ihre „Dorine“ entzückt den König. Bezaubert
von ihrer munteren Anmut, ihrer schelmischen
Drollerie, gibt er Befehl, diese Vorstellungen zu
einer bestehenden Institution zu erheben. Ko-
mödien von Voltaire, La Chaussee, Dufresny wer-
den einstudiert, Opern und kleine Ballette vor-
bereitet. Die Aufführung von „Acis und Galathea“
wurde zu einem künstlerischen Ereignis ersten
Ranges.
Die berühmtesten Maler der Zeit, vornehmlich
Boucher und Vanloo, Bildhauer und Architekten
von Ruf, wurden durch die Marquise an den Hof
gezogen. Boucher, dein die Nachwelt eine Fülle
bezaubernder Porträts der Pompadour zu danken
hat, war gleichzeitig Freund und Lehrer der,
insbesondere für die Gravüre hochbegabten Frau.
Auch bei der Begründung der weltberühmten
Porzellanmanufaktur von Sevres, die der Initiative
und steten künstlerischen Mitarbeit der Marquise
ihr Entstehen und ihre hohe kunstgewerbliche
Bedeutung verdankt, hat Boucher seiner Freundin
und Schülerin manch
wertvollen Rat ge-
geben.
Diesen sonnigen
Seiten ihres von Unruhen und Aufregungen ge-
peitschten Lebens standen finstere, Vernichtung
drohende Schatten gegenüber. Die Schmähungen
und Drohungen, die in Form von Pasquillen auf
sie niederprasselten, die grollende Stimme des
Volkes, das sie für den wirtschaftlichen Niedergang
Frankreichs zur Verantwortung zog, der unaus-
gesetzte Kampf des Königs mit dem Parlament, der
sie verfolgende Haß des Dauphin, von den Jesuiten
unterstützt. Dazu kamen die Intriguen der Minister,
die ebenso hartnäckig wie erfolglos ihr das Heft
aus den Händen zu reißen versuchten.
Wundervoll, mit tiefem psychologischen Ein-
dringen in das Wesen dieser seltenen Frau, in die
komplizierte Eigenart ihres schweigsamen melancho-
lischen Geliebten, mit unvergleichlich dichterischer
Kraft, schildert die Verfasserin das Zusammenklingen
der Charaktere des Königs und der Pompadour, in
das kein noch so gewaltsames Ereignis dauernde
Disharmonie zu bringen vermochte. Selbst zu der

Allegorische Darstellungen
nach Kupferstichen der
Marquise von Pompadour.

Original
in der
Nationalgalerie
zu Edinburgh.

?s ist ein eigen Ding um die Schilderung
asy4) einer bedeutsamen Geschichts-und Kultur-
epoche im Gewände des Romans. Der
Historiker hat mit nichts anderem als dem rein
Tatsächlichen, dessen Wirkungen und Ausstrah-
lungen zu tun. Wie anders der Romandichter, den
ein historischer Stoff anregt, begeistert, fest in
seinem Bann hält! Bei ihm geht es um Wahrheit
und Dichtung. Um die Lust zu fabulieren einer-
seits, um ein möglichst treues Festhalten an der
historisöhen Wahrheit andrerseits. Sein Werk ist
auf Schritt und Tritt in Gefahr, zu viel Wahrheit,
oder zu viel Dichtung zu bringen, durch eine zu
breite, beflügelte Phantasie zu verwirren, oder
durch zu trockne historische Treue zu langweilen.
Nur wem der große Wurf gelungen, die goldene
Mitte zu halten, wird den Anforderungen ent-
sprechen, die man an einen historischen Roman
zu stellen berechtigt ist; nur der wird unterhalten,
fesseln, spannen, ohne der historischen Treue ins
Gesicht zu schlagen.
Dora Duncker, die schon in ihrem „Liebes-
idyll Ludwigs XIV.“ diese schwere Aufgabe mit
glücklichster Hand

Porträt
der Marquise
von Pompadour.
Gemalt von F. Boucher.

gelöst hat, ist in ihrem neuen Werk „Marquise
von Pompadour“ noch weit über ihren ersten
historischen Roman hinausgewachsen. Die Pom-
padour in ihrer Liebe zu Ludwig XV , ihre Ent-
wicklung vom liebenden und geliebten Weibe
zur einflußreichen Beraterin und Mitarbeiterin des
Königs, die Zeit ihrer reinen Freundschaft, die
Jahre ihrer Mitregentschaft endlich, die so viel
Haß und Hader aufgewühlt haben, sind ein
spröder, schwer zu meisternder Stoff. Es be-
durfte eines tiefen, liebevollen Eindringens in die
Materie, um die Spreu vom Weizen zu scheiden
und aus den tausend und abertauend mißver-
ständlichen Auffassungen, — man denke nur an
die vom blinden Haß erfüllten Berichte der
Jesuiten! — den Kern der Wahrheit herauszu-
schälen. Wurde die Pompadour bisher nur als
das schöne, kalte, intrigante, ruhmsüchtige Weib
geschildert, in dem nichts lebte als der brennende
Ehrgeiz, den König und durch ihn Frankreich zu
beherrschen, so wird in Dora Dunckers ebenso
geistreichem, als von Gemüt und Leidenschaft
durchpulstem Buch eine Fülle neuer Wahrheiten,
nie geahnter Tiefen und Schönheiten aufgedeckt.
Zum ersten Male tritt uns die allmächtige Ge-
liebte des fünfzehnten Ludwig menschlich nahe.
Tief ins Herz sehen

Allegorische Darstellungen
nach Kupferstichen der
Marquise von Pompadour.

wir dieser Frau.
Wir miterleben ihre
Kämpfe, ihre Qualen,
ihre teuer erkauften Siege. Wir sehen sie mitten
im Triumph und Glanz von Krankheit und bitterem
Menschenleid durchwühlt. Wir sehen sie als zärt-
liche Mutter, die schmerzzerrissen ihr einziges ge-
liebtes Kind dahingeben muß. Wir sehen sie als
liebevolle Tochter, stets bereit für die Ihren ein-
zustehen.
So aus Licht und Schatten gewoben, voll
spannenden dramatischen Lebens, voll heißen sprü-
henden Temperaments, entwickelt sich das Bild
der schönsten und genialsten Mätresse des 18. Jahr-
hunderts.
Wir werden in die ersten ehrgeizigen Träume
der jungen Jeanne d’Etioles versetzt, die in der Ehe
mit dem schlichten, gutherzigen Gatten kein Genügen
und kein Glück findet. Wir sehen in bunten pla-
stischen Farben das Hochzeitsfest des Dauphin ge-
malt, auf dem, in den lichterstrahlenden, goldenen
Sälen von Versailles des Königs Herz und Sinne
für die schöne Jeanne d’Etioles entbrennen, die ihn

Louis XV. Nach einem Pastell von Maurice-Quentin de la Tour
im Louvremuseum Paris.
 
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