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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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11. Heft
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Zum Leben und Schaffen Karl Spitzwegs
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0330

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MODERNE KUNST.

141

„Weshalb bist du nur so brummig?“
fragte Fannv, nachdem sic eine Zeitlang
geschwiegen hatten.
„Bin ich das? Ich habe doch kein
unfreundliches Wort gesagt“, war die
kühle Antwort.
„Ja, aber — überhaupt kein Wort.“
Sie überlegte. Ob er das wohl gesehen
hatte, wie der Leutnant den Handschuh
zurückschob und einen Kuß auf ihr Hand-
gelenk drückte?
„Gönnst du mir’s nicht, wenn mir
einer so ein bissei die Cour macht?“
fragte sie maulend, innerlich beklommen.
„Jedenfalls ist es mir sehr unsym-
pathisch, wenn eine Dame sich auffallend
benimmt , erwiderte er, schroffer, als er
eigentlich beabsichtigt hatte.
„Auffallend? Ja, aber, jetzt möcht’
ich wissen“ — er sah beim Schein eines
hereinfallenden Laternenstrahls, daß sich
Fannys Augen mit Tränen füllten — „jetzt,
wenn das auffallend war, wie ich heute
gewesen bin, dann kenn’ ich mich
nimmer aus. So eine Puppe, auf Draht
gezogen, die bin ich freilich nicht. Aber
sonst — —“
Sie suchte nach Worten, ihn wieder
freundlich zu stimmen.
„Daß ich mit dem kleinen Dragoner,
dem Herrn von Velten, viel getanzt habe,
das war doch keine Sünd', gelt, du? Und
daß wir nachher noch ein bissei im Neben-
zimmer miteinander geschwätzt haben, da
kann doch in der weiten Gotteswelt auch
keiner was drin finden.“


zweg: Heimkehr,

Da er noch immer stumm blieb, griff
sie nach seiner Hand und schmiegte sich
an ihn. Sie fand ihn ungerecht — gries-
grämig; aber sie wollte ihm seine schlechte
Laune nicht nachtragen. Die frohe Stim-
mung zitterte noch in ihr nach und machte
sie sehr friedfertig.
„Sei doch nicht so, Schatz,“ bat sie,
„warum willst du mir die Freude ver-
derben? Ich hab’ mich herrlich amüsiert
heute. Ich bin so gern lustig; aber glaub’
mir’s — du darfst mir wirklich glauben:
ich hab’ mir nichts, auch nicht das Ge-
ringste zu schulden kommen lassen.“
„Das ist doch selbstverständlich,
Fanny“, antwortete er und strich flüchtig
mit der Hand über ihre Wange.
Daß sie so etwas überhaupt aussprechen
mochte: ich hab’ mir nichts zu schulden
kommen lassen —
Er war überzeugt, daß sie die Wahr-
heit sprach — in ihrem Sinne. Gewiß,
sie hatte die Grenze nicht überschritten,
die von gefallsüchtiger Tändelei und
jugendlich überströmender Genußfreudig-
keit zu — etwas Bedenklicherem führt.
So wie heute hatte sie sich sicherlich auch
auf den Würzburger Studentenbällen der '
Festlust hingegeben.
Sie war ein braves Mädel gewesen.
Und sie war überzeugt, eine musterhaft
brave Frau zu sein.
Er hatte kein Recht, ihr zu grollen.
Und doch war seine Seele von Miß-
mut, von Zagen erfüllt. Wie fremd war
ihm diese junge Frau! [Fortsetzung folgt]


ließen und J^dfaffen Karf Spiferoegs*


fumor haben, das heißt durch manche Schmerzen gegangen sein, heißt verstehen
und darum lieben, mit jener zärtlichen Wehmut des Mitleids lieben. Humor
haben, das heißt überlegen sein, ein Wissender sein und darum über das Leben lächeln,
weil es so traurig ist, zum Weinen traurig. Solch ein Wissender, solch ein Humorist
im höchsten Sinne ist Karl Spitzweg, den man wohl auch den Maler des Biedermeiers
nennt, weil er die Welt dieser romantisch-philiströsen Zeit, selbst ein echtes Kind der
Epoche, mit Vorliebe in seinen Werken widerspiegelt. Seltsam, daß ein so bedeutender
Künstler, eine so
starke Persönlichkeit
wie Spitzweg, dessen
Kunst alle Kämpfe
überdauert hat, viel-
leicht der einzige Ma-
lerwar in diesenjahr-
zehnten der Revolu-
tionen, dervon keiner
Partei angefeindel
worden ist! Seltsam
daß der „Altmeister
der Münchener
Kunst" erst jetzt einen
verständnisvollen
Biographen gefun-
den hat: Hermann
Uhde - Bernays,
dessen reich illustrier-
tes Buch: Carl Spitz-
weg. Des Meisters
Werkund Bedeutung
in der Geschichte der
Münchener Kunst,

- [Nachdruck verboten.)
Delphin-Verlag München, zum ersten Male mit feinem Empfinden dem Schaffen des
Meisters nachgeht und Spitzwegs Bedeutung mit sicheren Strichen festlegt. Liebe das
Leben mit seinen Torheiten, sagt Uhde-Bernays in seinem Vorwort, das sind die goldenen
Worte zum Herzen der Spitzwegschen Kunst, die ein Besonderes hat: sie erlaubt uns
mit dem Ernste, den wir ihr schulden, zu ihr Stellung zu nehmen, aber sie verpflichtet
uns nicht zu solcher Stellungsnahme. Sie ist im Gegenteil so bescheiden und liebens-
würdig, so wenig aufdringlich, daß sie uns nach unserm persönlichen Geschmack
gestattet, den ur-
sprünglich gewähl-
ten Standpunkt zu
wechseln, daß sie
uns wie in einem
bunten Zauberbuch
blättern läßt, dem
erst unser eignes
Empfinden spiegel-
hellen Glanz gibt.
Das scheint mir,
wenn wir uns nur
an das Gegenständ-
liche der Spitzweg-
schen Kunst halten
und das rein Male-
risch-Technische vor-
erst beiseite lassen —
für welches neben-
bei bemerkt Uhde-
Bernays gleichfalls,
man muß wohl sagen
als erster, die rechte
Formel gefunden hat,

XXVIII. 36.

Karl Spitzweg: Frauenbad in Dieppe.
 
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