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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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22. Heft
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Baumann, Felix: In der japanischen Sommerfrische
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0674

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.MODERNE KUNST.




Schlafengehen. Enragierte Sänger schwelgen
vor dem Zubettgehen noch in gesanglichen
Unterhaltungen, sehr zu ihrem eigenen Ver-
gnügen, aber zur mehr oder weniger stillen
Verzweiflung der anderen Gäste.
Während sich die bessere japanische
Gesellschaft im Sommer mit Vorliebe an die
See begibt, suchen die in Japan ansässigen
Ausländer lieber die Orte in den Bergen auf.
Die fremde Diplomatie hat sich in der Nähe
von Nikko, in dem 4000 Fuß hoch gelegenen
Chuzenji eine richtige Fremdenniederlassung
gegründet. Allerdings erfreuen sich Nikko
und Chuzenji einer beneidenswerten Lage.
Auch der jetzige Kaiser, der bekanntlich
leidend ist, hält sich gern in Nikko auf.
Am populärsten und beliebtesten sind
jedoch die „sieben Spas“ im Hakonedistrikt.
Das in einem Tale zwischen den Bergen Takanosu und Myoyoga gelegene
weltbekannte Bad Miyanoshita; Yumoto mit seinem pittoresken Tamadare-no-
Wasserfall und dem So-un-ji-Tempel, in dem sich das Grab des von Hideyoshi
besiegten So-un Hojo befindet; der Lieblingsaufenthalt des ermordeten Fürsten Ito,
das reizende Städtchen Tonosawa; ferner Sokokura am Ufer des reißenden Haya-
kawaflusses, wo der Revolutionsheld Yoshitaka ermordet wurde, das drei heiße
Quellen besitzende Bad Dogashima mit den Shirabe-no- und Konohagakura-no-
Wasserfällen sowie der durch das nette Teehaus „Goldfischhaus“ bekannte
Gebirgsort Riga, bei dem sich die So-un-zen- und Myoga-Berge erheben und
endlich das klimatisch so gesunde Dorf Ashi-noyu.
Seit der Eröffnung der Zentralbahn, die von Nagoya nach Matsumoto führt,
sind auch die idyllisch gelegenen Ortschaften in den sogenannten „japanischen
Alpen“ den Sommer-
gästen erschlossen
worden. Unter den
„japanischen Alpen“
sind die Gebirgsketten
zu verstehen, die die
Grenzen der Provinzen
Suruga, Totomi, Mi-
kawa, Mino, Hida,
Etchu, Echigo und
Shinshu bilden. Die
Gebirgsketten, die
sich auf der Haupt-
insel im mittleren Teil
befinden und von den
Japanern in eine nörd-
liche, eine mittlere
und eine südliche ein-
geteilt werden. Die

Japanischer Omnibus.

Hidaberge umfassen die nördliche, die Kiso-
kette die mittlere und die Akaishiberge die
südliche Gruppe.
Die Zentralbahn bietet die Möglichkeit
entzückend gelegene Sommerfrischen wie
Tajimi, Tokitsu, Shirikitsume, Nakatsu und
vor allem die romantische Kisogegend leicht
zu erreichen. Man nennt die japanischen
Alpen nicht mit Unrecht „die japanische
Schweiz“, wenn auch in Japan mehr das
vulkanische Element zum Ausdruck kommt.
Zu den herrlichsten Gegenden zählt das an
heißen Quellen reiche Moorland Kanukochi
in der Provinz Shinano. Von hier werden die
Touren auf den Yari-ga-take oder „Speerberg“
unternommen. Die Aussicht von Kanukochi
auf die Umgebung ist einzig schön. Am
besten verläßt man in Akashina die Zentral-
bahn und beginnt in dem ungelähr 30 englische Meilen entfernten Dorf Hokujo
die japanische Alpen tour.
Die Liste der japanischen Sommerfrischen ist hiermit noch nicht erschöpft,

Die rote Lack-Brücke in Nikko.
denn es gibt noch viele Orte wie Shiobara, Ikao, Kusatsu, Karuiziwa usw., aber
der Beweis dürfte erbracht sein, daß auch der Japaner während der heißen Sommer-
tage an Seebädern und Gebirgsorten keinen Mangel zu leiden braucht.

Japanerknaben beim Baden.

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Jyjflte Wirtshausembleme. Bis ins spätere Mittelalter gab es in Deutsch-
land keine Gasthäuser nach unseren heutigen Begriffen. Der ganze Ver-
kehr bewegte sich in minimalen Grenzen, weitere Reisen waren mit großen
Strapazen und mancherlei Gefahren verbunden, und die wenigen Reisenden und
fahrenden Gesellen fanden in Burgen und vor allem in den Klöstern Unter-
kunft und Verpflegung, deren edle
Gastlichkeit in gutem Rufe stand.
Später, als Handel und Wandel
Zunahmen, als größere Sicherheit
und bessere Verfassung der Straßen
zur Hebung des Verkehrs bei-
trugen, konnten die Klöster den
vermehrten, vielseitigen Bedürf-
nissen nicht mehr gerecht werden
und mußten ihre Gastfreiheit be-
trächtlich einschränken. An ihre
Stelle traten nun die eigentlichen
Gasthäuser. In den Städten er-
füllten die Zunfthäuser diesen
Zweck, auf dem platten Lande
übernahmen die Besitzer der an
den Straßen gelegenen größeren
Bauerngehöfte Verpflegung und
Bewirtung der Reisenden. Beson-
ders einladend müssen diese Wirts-

häuser jedoch nicht gewesen sein, wenn man der Beschreibung des Erasmus
Glauben schenken darf: „ . . .Das zum Waschen gereichte Wasser war schmutzig;
auf das Essen mußte man stundenlang warten, bis alle Gäste beisammen, oft
achtzig bis neunzig- in einer Stube, wo sie ungeniert Toilette machten. Die
Tischtücher waren grob wie Segeltuch, Teller und Löffel von Holz, der Wein
sauer, die Speisen aufgewärmt und
spärlich zugemessen, die Lein-
tücher ungewaschen usw.“ Das
waren sicherlich keine verlocken-
den Zustände, der Reisende mußte
froh sein, eine Zufluchtsstätte für
die Nacht zu finden. Aber mit der
Zeit schwanden diese Mißstände
mehr und mehr und machten
geordneteren Verhältnissen Platz.
Das Gastwirtsgewerbe bildete sich
zu einer regelrechten selbständigen
Zunft aus, und Zunfthäuser und
Zunftstuben verwandelten sich
vielfach in öffentliche Gastwirt-
schaften. Als Embleme dieser
Schenken dienten die verschie-
densten Dinge, so ein Tönnchen,
ein Reif, ein Herold, ein Pokal,
zuweilen auch der Drudenfuß, das

In den Dünen am japanischen Strande.
 
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