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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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18. Heft
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Skowronnek, Fritz: Aus den Wolken gefallen: eine Frühlingsgeschichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0525

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MO DK RN]-: KUNST.

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hatte sich steil gebäumt, kurz auf der Hinterhand herumgeworfen und
jagte hinter .Finesse her.
Im letzten Augenblick hatte Hilda noch gesehen, was den Pferden
solch einen Schrecken eingejagt hatte. Aus der Wolke kam ein gewal-
tiger grauer Vogel steil herabgesaust, ein Luftfahrzeug, das auf dem Roß-
garten landen wollte.
Als der alte brave Pascha das schreckliche Ungetüm nicht mehr sah
noch hörte, ließ er sich zum Stehen bringen. Ja, nach einigem Streicheln
und Zureden ließ er sich umkehren und denselben Weg zurückleiten.
Das Flugzeug, ein Eindecker, lag still auf dem Boden. Die Remonten,
die wie rasend in die entfernteste Ecke ihrer Koppel davon gestürmt
waren, kamen neugierig zurück. Die Nüstern gebläht, den Schweif ge-
hoben umkreisten sie laut schnaubend die Maschine.
Angstvoll spähte Hilda nach ihrer Freundin Thea aus. Da lag sie
dicht am Zaun mit geschlossenen Augen, beide Arme von sich gestreckt,
anscheinend bewußtlos. Ein jäher Schreck durchzuckte das Mädchen.
War Thea mit dem Kopf gegen den Zaun gefallen? Dann konnte es
ein entsetzliches Unglück gegeben haben.
Hastig sprang sie ab, ließ Pascha stehen und lief zu Thea, deren
linker Fuß von der Grabenborte in das trübe Lehmwasser gerutscht war.
Schnell hob Hilda den Fuß höher und legte ihn aufs Trockne. Dann beugte
sie sich über ihre Freundin und befühlte ihr den Kopf und die Arme . . .
Nirgends eine Spur von Blut ... es war also wohl nur eine tiefe Ohn-
macht. . .
Sie hatte es gar nicht gemerkt, daß von dem Flugzeug her ein Mann
angehumpelt kam. Er kroch durch die Stangen und richtete sich ächzend
auf. Jetzt erst sah Hilda auf und maß ihn mit zornigem Blick. „Sie
haben was Schönes angerichtet mit Ihrem plötzlichen Landen. . . . Ein
Wunder bloß, daß ich nicht auch mit gebrochenen Gliedern neben meiner
Freundin liege“, rief sie ihm zu.
„Ich habe es leider schon gesehen, daß die junge Dame von ihrem

Pferde abgeworfen wurde. Auch mein Kamerad ist anscheinend schwer
verletzt. Wenn gnädiges Fräulein Hilfe herbeiholen könnten . . .“
Er trat zu Pascha, faßte ihn am Zügel und bot Hilda die Hand zum
Aufsteigen. In gestrecktem Galopp sprengte sie davon, ohne darauf zu
achten, daß ihr das schmutzige Lchmwasser bis ins Gesicht emporspritzte.
Von den Feldern her kamen bereits Menschen angelaufen. Sie hatten
das Flugzeug gehört und niedergehen sehen. Dumpf staunend glotzten
sie die Maschine an . . .
Der Luftschiffer hatte sich neben seinem verunglückten Kameraden
gesetzt und ihm das angefeuchtete Taschentuch auf die Stirn gelegt. Er
ärgerte sich über das gefühlsrohe junge Volk, das sich leise Bemerkungen
zuflüsterte und dann laut auflachte.
Endlich kam der Bauditter Gutsvogt heran, ein ruhiger besonnener
Mann. Er schickte sofort einen flinken Jungen nach dem Gutshof und
scheuchte die Zudringlichen, die nicht übel Lust zeigten, auf das Flug-
zeug zu klettern . . .
Eben hatte der Kutscher Theas lediges Pferd aufgegriffen, als Hilda
angerast kam. „Schnell einen Leiterwagen anspannen . . . viel Stroh
'rauf ..." Fünf Minuten später rasselte der Wagen vom Hof. Ein zweiter
jagte nach der andern Seite davon, zur Stadt, einen Arzt zu holen.
Thea war unter der Pflege, ihrer Mutter bald zur Besinnung ge-
kommen. Nur ihr linker Knöchel war angeschwollen und schmerzte sehr.
Aber es schien nur eine Verrenkung zu sein. Mit dem verunglückten
Luftschiffer sah es schlimmer aus. Er hatte das rechte Bein dicht unter
dem Knie gebrochen und schien auch eine Gehirnerschütterung davon-
getragen zu haben.
Sein Kamerad war mit einigen blauen Flecken und einer Schramme
auf der Nase davongekommen. Er hatte sich dem Gutsherrn als Ober-
leutnant von Drigalski vorgestellt und um Verzeihung gebeten, daß ihr
Fahrzeug — allerdings ganz unfreiwillig — den Unfall der Tochter des
Hauses herbeigeführt hätte.


Bruno Wersig: Capri. Im Mondlicht.
 
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