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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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1. Heft
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Rittland, Klaus: Die Ehen des Herrn von Brenkhusen, [1]
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MODERNE KUNST.


gefalle dir wohl? Das glaub’ ich. Dann aber wich sie seinen bewundernden
Blicken aus und wandte sich lebhaft dem Ehepaare zu Den Mann nannte
sie: „Herr Doktor“ Er schien Assistent an einer Universitätsklinik zu sein,
denn er erzählte von Asepsis, von Operationen, von unangenehmen Vor-
kommnissen im I lorsaal und einem Chef, der täglich nervöser würde.
Das Frauchen schien aus Würzburger Bürgerkreisen zu stammen. „Eine
von den Ehen,“ vermutete Brenkhusen, „wie sie in Universitätsstädten
nur allzu häufig geschlossen werden: der Student in höheren Semestern
verlobt sich mit seiner Zimmerwirtstochter und schleppt dann sein Leben-
lang die Kette enger Kleinbürgerlichkcit am Fuße nach.“
Ob die Schönheit auch aus dieser Sphäre stammte? Wahrscheinlich.
Die Drei ließen sich den Imbiß kommen, den die meisten Gäste des
Trinkstübels zu sich nehmen: derbes Graubrot
mit einem Landkäse, der abscheulich roch und
sehr gut schmeckte.
Brenkhusen bestellte auch von der landes-
üblichen Zukost.
„Gelt, der Wein schmeckt besser, wenn
man ein bissei was dazu ißt,“ meinte die kleine
Knallrotbäckige, die schon längst auf eine An-
knüpfungsgelegenheit gewartet zu haben schien.
„Steinwein ist auch sonst zu stark. Er be-
kommt besser, wenn man was Festes dazu in
den Magen kriegt.“
Brenkhusen nickte, etwas verlegen. „Ganz
recht, gnädige Frau.“
„Ich muß das ja wissen, denn ich bin eine
Doktorsfrau,“ fuhr sie schelmisch fort, nicht
ohne Stolz. „Heute kriegt man Durst bei der
Hitze, gelt? Und dabei sind wir noch im April.“
„Ja, in meiner Heimat fängt es eben erst
an, grün zu werden,“ erwiderte er, ganz gegen
seine Art als reservierter Hannoveraner, gleich
eine persönliche Note anschlagend. Heute
paßte eine zwanglose Plauderei mit wildfremden
Leuten in seine süddeutsche Jugenderinnerungs-
stimmung hinein.
„Sie sind Norddeut-
scher?“ mischte sich jetzt
die Schönheit in das Ge-
spräch. „Das sieht man
gleich.“
„So?“ meinte er nun
lächelnd. „Habe ich einen
so ausgeprägt norddeut-
schen Typus?“
Sie nickte. JA.
Die kleine Rotbäckige pW
schüttelte den Kopf.
„Aber warum denn,
Fanneri? Wegen dene
blonde Haare? Mein Mann
ist ganz hellblond und stammt doch aus Tutzing.“ — Fanneri zuckte die
Achseln. „Die Blondheit macht’s nit. Aber ich kenn' mich aus. Ich
glaub' sogar, ich kann ungefähr sagen, aus was für ’ner Gegend der Herr
ist: aus Hannover.“
„Richtig geraten.“
Sie triumphierte. „Gelt, ich hab’ einen scharfen Blick?“
„War damals der kleine Rhenane, der Solnitz, nit auch aus Hannover,
Fanny?“ fragte die Doktorsfrau.
Das junge Mädchen zog die Augenbrauen zusammen. „Aber nein,
das war ja ein Pommer.“ Die Erwähnung des Rhenanen schien ihr un-
angenehm zu sein. Und als die Freundin fortfuhr: „Aber ich weiß doch,
wie er damals bei Euch gewohnt hat —“ schnitt sie ihr rasch das Wort
ab, indem sie sich dem Doktor zuwandte: „Sie, Herr Doktor, ist’s
wahr, daß die Marie Schrepf“ (sie sagte Mah—rie) „in die Klinik ge-
kommen ist und operiert — Wissens, die Marie, wo die Geschieht' mit dem

t cl-UA GA

Hans Stuben rauch:
Der Werdegang einer Sängerin
Das Lampenfieber vor dem ersten Auftreten
oder wollte nicht. Und die beiden Damen ergingen sich in einem behag-
liehen kleinen Klatsch über die Erlebnisse der leichtsinnigen Mah—rie.
Dann nahm das dicke Frauchen den Fremden von neuem aufs Korn:
woher und wohin? Und er erzählte, daß er in Würzburg studiert hatte;
und man sprach von den Professoren, die damals die Leuchten der Uni-
versität gewesen waren, von Köllicker, Skanzoni, Rindfleisch, Bergmann,
Köhler — und von den Harmoniebällen, den wundervollen Harmonie-
bällen— und endlich wurde man so gut Freund, daß der junge Ehemann
sich vorstellte. Dr Geishuber; die schöne Freundin hieß Fräulein Wurzler.
Brenkhusen nannte seinen Namen, ohne den Titel beizufügen; dieses

Artillerieleutnant ge-
habt hat?“
Der Oberpräsidial-
rat lächelte still vor
sich hin. Wie anhei-
melnd würzburgisch
das klang: die Marie,
wo die Geschieht’ ge-
habt hat! — Jugend-
klänge!
I)er Doktor konnte
keine Auskunft geben —
 
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