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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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18. Heft
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Körbitz, Georg A. H.: Moderne Gewächshäuser
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0544

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MODERNE KUNST.






Innenansicht des der Polichvilla auf der IBA. Leipzig
angegliederten Wintergartens.

kostbare Frucht, längst auch
dem Ärmsten ein gewöhn-
liches Genußmittel geworden
ist, so wollen wir heut auf
unsrer Tafel, in unsern Vasen
bizarre Orchideen sehen,
wollen wir unter hohen, grü-
nen Palmen in unsern Winter-
gärten wandeln, wollen wir
mitten in Eis und Schnee uns
am buntesten, duftigsten Früh-
ling, einem Frühling der
Tropen, oft ergötzen und er-
holen. Noch vor wenigen
Jahrzehnten war das ein un-
erreichbarer Wunsch. Das
ältere Warmhaus war im
Grunde genommen nur eine
der den Bedingungen zu einer
nicht gerecht werden konnte.

Ausgeführt für Se. Erlaucht, Graf Otto Harrach, Schloß Prugg, N.-Österr. Ausgeführt für Herrn Ritterguts- u. Fabrikbes. Karl Wolf, Schweinsburg.

unnatürliche Couveuse, ein überheizter Brutkasten
gedeihlichen Entwicklung der Pflanzen durchaus
Die vornehmste Aufgabe des modernen Gewächshausbaus ward es, den Pflanzen
diejenigen Vegetationsverhältnisse zu schaffen, unter denen sie in ihrer Heimat
am besten gedeihen. Solche Erkenntnis führte geradezu zu einer Revolution
im Gewächshausbau.
Die Pflanze ist ein Kind des Lichts, der Wärme, Luft und Feuchtigkeit und
unter diesen Fak-
toren steht viel-
leicht das Licht,
unter dessen Ein-
wirkung allein die
Pflanze zu assi-
milieren vermag,
eine Stoffvermeh-
rung der Pflanze
erfolgt, an erster
Stelle. Deshalb
suchte man von
jeher beim Bau des
Gewächshauses so-
wohl durch die An-
ordnung des Ganzen wie durch die besondere Kon-
struktion des Glasdaches der Pflanze die günstigsten
Lichtbedingungen zu schaffen. Bis in die jüngste
Zeit hinein verwandte man für die Dachscheiben
des Gewächshauses ganz allgemein das dünne
Ilellglas oder auch das schlierige Rohglas, Glas-
sorten, die zwar verhältnismäßig billig sind, dafür
aber auch gewisse Gefahren für die Pflanzen-
kulturen bergen. Unter bestimmtem Bestrahlungs-
winkel vermögen z. B. schlierige Rohglasscheiben
geradezu als Sammellinsen, als Brenngläser, zu
wirken, und es ist vorgekommen, daß sie selbst
Brände verursacht haben. Das Hellglas anderseits
begünstigt außerordentlich stark Schlagschatten.
Mehlhorn verwendet nun statt dieser Sorten
geripptes oder geschnürltes Rohglas, das die höchst wertvolle Eigenschaft
hat, einmal Schlagschatten so gut wie völlig aufzuheben, sodann aber auch die
Sonnenstrahlen, gleichviel unter welchem Winkel sie auftreffen und von welcher
Seite sie einfallen, ganz gleichmäßig im Raume zu zerstreuen. Damit wird die
Entwicklung der betreffenden Kultur eine viel gleichmäßigere. Es gibt aber
auch Kulturen, wie z. B. die des Zyklamen (Alpenveilchen) und der Dahlie, denen
mit diffusem Lichte nicht gedient ist, weil dadurch eine gewisse Verweichlichung
und unreine Farbtöne erzeugt werden. In solchen Fällen ist man noch immer
genötigt, auf das rheinische Hellglas zurückzugreifen und muß dann gelegentlich
eben schattieren, wie man ja auch bei geripptem Glase die Schattierung nicht
völlig entbehren kann.
Auch auf diesem Gebiete hat Mehlhorn Gutes, ja geradezu Vorbildliches
geschaffen. Seine „Zentralschattierung“ bewirkt durch zentrale, außerordent-
lich einfache Antriebsvorrichtung (auf einer Führung über dem Glasdache) mit
einem Handgriffe das Beschatten ganzer Dachflächen, zugleich jedoch auch ein-
zelner Dachseiten und kleinerer Partien. Dieses der Firma patentierte Verfahren
weicht von den üblichen recht wesentlich dadurch ab, daß die Schatten- bzw.
Hagelschutzdecken nicht auf- und abrollen, sondern im bestimmten Abstande von
der Glasdecke an Gleitdrähten hängend faltenartig zusammengerafft und geglättet
werden. Unter natürlichen Verhältnissen ist Lichtwirkung fast stets mit Wärme-
zufuhr verbunden. Im Gewächshause sind das zwei getrennte Faktoren, die
eine eigne Behandlung beanspruchen. Auch auf diesem Gebiete schlug Mehl-
horn einen besonderen, völlig neuen Weg ein, indem sein Oberheiz-System
mit seiner Wärmezufuhr die Wirkung der Sonnenstrahlen nachahmt, bzw. ergänzt

oder ersetzt, so daß sich die Kulturen selbst bei den ungünstigen Witterungs-
verhältnissen des Winters gut entwickeln können. Bei diesem geistvollen System
werden die Heizrohre so gleichmäßig an den Glasflächen verteilt, daß nicht nur
die schädliche Abkühlung von oben her vollständig aufgehoben wird, sondern
auch noch ein Überschuß an Wärmekraft erzeugt wird, der von oben her auf
das Blattwerk der Pflanzen einwirkt. Infolge dieser Konstruktion braucht man
auch bei strengster Kälte das Gewächshaus nicht zu decken, und zugleich wird
die Schweißwasserbildung mit ihrem lästigen Tropfenfall auf ein Minimum
beschränkt. Ja, dieses Mehlhornsche Wärmezufuhrsystem hat noch einen andern
nicht zu unterschätzenden Vorteil. Ein besonderer Wärmeauftrieb erzeugt nämlich
längs der Glasflächen der Seitenwände und des Daches eine ganz regelmäßige
Luftzirkulation. Bei dem Entlangstreichen aber nimmt die Luft die an den Glas-
flächen niedergeschlagene Feuchtigkeit auf, verwandelt sie bis zu gewissem Grade
in gasförmigen Zustand, d. h. in Sauerstoff und Wasserstoff und erzeugt so eine
den Pflanzen höchst dienliche Atmosphäre.
Ganz besondere Schwierigkeiten, natürliche Verhältnisse auf die Gewächs-
hauskulturen zu übertragen, bot bislang das Problem der Bewässerung. In
der Natur führen den Pflanzen — von ganz wenigen Fällen abgesehen — Regen
und Tau die erforderliche Feuchtigkeit zu. Die Nachahmung dieses natürlichen
Vorgangs war in den Gewächshäusern von früher schon deswegen meist un-
möglich, weil unter einem Glasdach gewöhnlich recht verschiedenartige Kulturen
mit sehr verschiedenem Wasserbedürfnis vereinigt waren. Heut baut man, wo es
irgend angeht, für jede besondere Kultur ein besonderes Gewächshaus. Es liegt
auf der Hand, daß man schon durch die ganze Konstruktion des Hauses den
Feuchtigkeitsgehalt darin bis zu gewissem Grade beeinflussen kann; die flachere
oder steilere Dach-
neigung spielt bei-
spielshalber hierbei
eine nicht zu unter-
schätzende Rolle.
Mehlhorn hat
denn auch für die
einzelnen Kultur-
zwecke, für beson-
dere Gebäudever-
hältnisse, für die
eignen klimatischen
Bedingungen der
betreffenden Ge-
gend usw. beson-

Ausgeführt für Herrn Gell. Reg.-Rat Dr. von Böttinger,
Mitglied des Herrenhauses, Arensdorf (Elberfeld).

dere sehr ingeniös erdachte Gewächshauspro-
file konstruiert, von denen unsere Abbildungen
ja einzelne veranschaulichen. Die Bewässerungs-
frage löst nun Mehlhorn durch seine Spreng-
und Regeneinrichtung, die, wie ein bekannter
Fachmann jüngst mit Recht hervorhob, eine Revo-
lution auf dem gesamten Gebiet der Hortikultur
bedeutet. Er fängt zunächst alles auf das Glas-
dach niedergehende Regenwasser auf und leitet
es in Sammelbassins. Von diesen aus wird es in
den Regenapparat emporgedrückt. Erscheint es für
die besondere Kultur zu kalt, so kann es vor dem
Versprühen noch mittels eines „Boilers“ auf eine
bestimmte Temperatur vorgewärmt werden. Die
Sprengeinrichtung schleudert das Wasser in
feinstem Sprühregen durch die Luft, und für die meisten Kulturen dürfte dadurch
schon eine genügende Anwärmung des Wassers erreicht werden. Die Innenluft des
Gewächshauses wird bei solchem Besprengen derart mit Wasser gesättigt, daß ihr
Feuchtigkeitsgehalt dem nach einem warmen Gewitterregen gleicht. Auch für
Freiluftkulturen läßt sich die Mehlhornsche „Patcnt-Spreng- und Regeneinrichtung“
zweckmäßig verwerten. — Nach dem Gesagten ist es ohne weiteres erklärlich, daß
das „Mehlhornsche Reformsystem“ heute schon in unzähligen öffent-
lichen und privaten Gärtnereibetrieben eingeführt ist, erklärt sich auch
die steigende Bedeutung, die es für die ganze Hortikultur erlangt hat.

Ausgeführt für Se. Maj. König Ferdinand von Bulgarien, Palais Vrana bei Sofia in Bulgarien.
 
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