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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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17. Heft
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Abeking, Hermann: Neuzeitliche Holzbildkunst
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Silbergleit, Arthur: Das lichte Land
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0499
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214

MODERNE KUNST.

das pulsierende Blut der Adern durch
die lichte Helle der Haut. Wir haben
hier tatsächlich einen Eindruck, der ganz
Kunst ist und doch wieder, so weit dies
überhaupt erreichbar ist, ganz Natur. Die
Haut des Kriegers ist rauh. Das ist nicht
etwa mit künstlicher Absicht erreicht.
Hier kommt dem Bildner der fast im
Halbkreise geschliffene Meissei zu statten,
der das Holz stückweise in kleinen Ver-
tiefungen vom Blocke entfernt, also zu,
nächst zu einer gerauhten Oberfläche
führen muß, die erst bei Anwendung des
messerartigen, geraden Meißel seine sanfte
Glätte, wie hier der Frauenleib, erhält.
Auch das Beiwerk, Haar und Stoff, gibt
im Holze einen angenehmen Klang, wäh-
rend diesem, besonders dem Haare im
Stein und Metall zumal in den Ansätzen
oft etwas Hartes und Unwahrscheinliches
anhaftet. Eine ähnliche Aufgabe wie Gott-
hard Sonnefeld hat sich Albert Hußmann
in seiner Plastik „Bogenschießender Ken-
taur“ gestellt. Hier galt es Menschen-
und Pferdeleib zu vereinigen, gleichfalls
aber den Unterschied der nackten Haut
und des kurzen Felles zum Ausdruck zu
bringen. Die Mittel sind ähnliche: sie
schreiben eine teils glättere, teils rauhere
Behandlungsweise vor. Die Schwierigkeit
in Hußmanns Thema lag darin, hier die
rechte Grenze zu finden, denn der Kentaur,
der Sohn der wilden Berge, ist sturm-
und wettererprobt, die menschlichen Teile
seines Körpers sind gehärtet und wei-
bischer Weichheit fremd, andererseits ist
das Fell des Rosses von einem Glanz und einer Glätte, die es sehr wohl mit
der menschlichen Haut in gleiche Linie zu stellen möglich macht. Hußmann
hat seine Aufgabe trefflich gelöst. Es ist ihm gelungen, die Gegensätze deutlich
zu machen, ohne hier oder dort über das Ziel hinauszugehen. Allerdings kommt
ihm eine leichte Tönung, die das Fell zeichnet und es vom oberen Körper trennt,
außerordentlich zu statten. Wir haben hier den Fall, wo eine Färbung durchaus
gegeben und unabweislich erscheint. Daß es eine solche zuläßt, ja sogar als Kunst-
mittel fordert, ist eben wieder ein Vorzug des ITolzes, der keine Parallele in
anderen bildnerischen Materialien findet.
Professor Wilhelm Haverkamp knüpft in seiner Gruppe „Charitas“ an die
Traditionen des 16. Jahrhunderts an. Die Holzbildmeister jener Zeit wußten ihrer
Plastik einen ganz eigenen Reiz dadurch zu verleihen, daß sie rein zeichnerische

Motive, deren Ausdruck der Stichel im
weichen Holze fast zu heischen scheint,
in ihre Bildwerke übertrugen. So hat
auch Wilhelm Haverkamp jene Partieen,
die ein solches Beginnen zulassen, die
Falten der Haube, des Hemdes, des Ge-
wandes, die Strähnen des Scheitels und
die lockigen Häupter der Knaben auf das
zierlichste geordnet und anmutig belebt.
Auch Professor Ernst Herler verschließt
sich nicht der Tradition, was die Behand-
lung des Bartes und des Haupthaares
seines „Moses“ zeigt. Nur wählte er zur
Darstellung des zürnenden Gesetzgebers,
der im Begriff steht, seine Tafel zu zer-
schmettern, einen härteren Stoff, dieEiche.
Im Gegensatz zur Linde zeigt diese deut-
lich, welch größeren Widerstand sie der
Bearbeitung entgegensetzte. Endlich be-
siegt, ergibt sie eine weit höhere Glätte,
ja sogar einen Glanz, der, wo er beab-
sichtigt ist, fast metallen genannt werden
kann. Von ebenfalls großer Härte dürfte
das Material zu Professor Peter Breuers
„Elefantengruppe“, dasMarkassaebenholz,
sein. Fast scheint es, als ob das Hohl-
messer hier und dort verzweifelnd abglitt,
wie es die Behandlung des Bodens treff-
lich illustriert. Die massigen Körper er-
strahlen in tiefschwarzer Politur, und die
eingesetzten Zähne aus weißem Elfenbein
vervollständigen das Abbild von Natur-
treue und gigantischer Wucht. Daß sich
das Holz zur Büste wie zur Kostüm-
statuette in gleichem Maße eignet, dürften
die „Elegie“ von Gerhard Janensch wie
die „Lautenspielerin“ von Gustav Schmidt-Kassel mit Klarheit beweisen.
Wir konnten aus der Zahl der Künstler, die sich zu der genannten Aus-
stellung für Holzbildkunst zusammengetan haben, nur die Werke einiger heraus-
greifen. Daß die besten Bildhauer für die Sache des Holzes eingetreten sind,
beweisen ferner Namen wie Max Kruse und Ludwig Manzel, wie Hermann
Hosaeus, Arthur Lewin-Funcke und zahlreiche andere.
So glauben wir an unseren Beispielen erläutert zu haben, daß sich das Holz
einem jeden bildnerischen Vorwurf willig zeigt. Ja die Vorzüge dieses Materials
für den Bildhauer sind so ungeheure, daß wir wohl zu der Hoffnung berechtigt
sind, die Holzbildkunst werde, der Vergessenheit entrissen und zu neuem Leben
erweckt, ein dauerndes Ausdrucksmittel unserer Bildhauer bleiben und wie
einst zu hoher Blüte gelangen.


Neuzeitliche Holzbildkunst. Wilhelm Haverkamp: Charitas.
Verlag Neue Photogr. Gesellschaft A.-G. Steglitz.


Das Uchte Land.
Von Arthur Silbergleit.
Der Tag nahm schon sein Abendmahl,
Auf daß sein Heimgang heilig werde,
Bergwasser sangen im Choral
Ihr Requim der müden Erde.
Die Abendsonne überwob
THit ihrem Heiligenschein die Firnen,
Die Föhren rauschten Gottes Lob.
Schon fühlten sich der Berge Stirnen
Vom Sternendiadem gekrönt.
Und in der Seen Spiegelsälen
Schien Licht und Schatten längst versöhnt.
Beim IHondeskuß sich zu vermählen.
Die Wälder hielten schweigend an
Den Atem ihrer grünen Seelen,
Nur eine Nachtigall begann
Der Welt Legenden zu erzählen
Vom Pilgertume eines IHanns,
Der, weiß im wallenden Gewände,
Verklärt mit seinem Herzensglanz
Die lange Finsternis der Lande.

Neuzeitliche Holzbildkunst. Peter Rreuer: Elefantengruppe.
Verlag Neue'Photogr. Gesellschaft A.-G. Steglitz.
 
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