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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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21. Heft
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Anwand, Oskar: Große Berliner Kunstausstellung 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0639

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270

MODERNE KUNST.



listische Ausführung klein, und Karl Larssons gefällige Ara-
besken in einem Stil, den man modernes Rokoko nennen
könnte, besitzen erst recht nicht die innere Einfachheit und
Größe, welche die Monumentalmalerei erfordert. Trotz alledem
oder auch gerade deshalb, hat diese Abteilung für Monumental-
malerei das Verdienst, als Wegweiser in ein neu zu eroberndes
Land zu deuten.
Auch dem Aquarell und mehr vielleicht noch dem Pastell
fallen für die Kunst unserer Zeit neue Aufgaben zu. Wenn
dem Realismus und Impressionismus ein schwereres Material,
das Öl, entsprach, so gibt eine neuerwachende phantasievolle
Kunst ihre inneren Gesichte und Träume gern mit leichteren,
zarteren Mitteln wieder. Nicht ohne Grund bezeichnet man
Pastell und Aquarell als farbige Zeichnung, da die Zeichnung
im Gegensatz zum Ölgemälde mehr andeuten und beschwingter
wirken kann. Für diese Möglichkeiten, die im Pastell liegen,
sind die vortrefflichen Arbeiten Martin Brandenburgs kenn-
zeichnend, von denen wir den „Spaziergang“ — junge
Mädchen, die gleich einem Lichtstrahl durch den Wald
huschen — hiermit wiedergeben, ohne daß freilich die Schwarz-
Weiß-Reproduktion die feinen Tonwerte ersetzen könnte.
Bedauerlicherweise fehlt Lesser-Ury, der als einer unserer
ersten Pastellkünstler ausgezeichnet am Platze gewesen wäre.
Der Kunst Ludwig Hofmanns, die mit der Brandenburgs ver-
wandt ist, liegt dieses Ausdrucksmittel gleichfalls gut. Es ist
interessant, von hier auf die Pastellkunst der Franzosen zu
blicken: auf Degas, der mit Balletteusen vertreten ist, auf
Louis Legrand, der hier Szenen aus der Pariser Boheme
wiedergibt, und auf den zarten Odilon Redon mit seinen
Blumenstücken. Als gute Aquarellisten seien unter den Deut-
schen noch Hans von Bartels, Paul Meyerheim, Gotthardt
Kuehl, Hans Herrmann, Kayser-Eichberg und der Österreicher Oskar Laske genannt.
Auch die Ausländer haben die Aquarell- und Pastellabteilung reich beschickt. Neben
dem schon angeführten Frankreich sind besonders Belgien, Holland und England gut
vertreten: Khnopff mit seinen symbolischen Visionen, Cassiers mit Städteblicken und
Landschaften, Maris mit Landschaften. Daß die Engländer das Aquarell stets
gepflegt haben, braucht kaum erwähnt zu werden. So prägt sich bei ihnen eine gute
Schulung aus, die freilich zugleich etwas Konventionelles an sich hat.
Die Sonderausstellungen, die das Bild dieses oder jenes Künstlers für die Öffent-
lichkeit ergänzen sollen, bieten neben starken Persönlichkeiten auch schwächere. Der
Grundsatz, sich von jeder Einseitigkeit fern zu halten, ist zweifellos glücklich; aber
man sollte auch nur solche Maler wählen, deren Maß für die Grenzen einer Sonder-
aussteilung ausreicht. Freilich — die Große Berliner Kunstausstellung verlangt
alljährlich Sondcrausstcllungen, schon um das Einerlei der gemeinsamen Säle zu
unterbrechen, während geeignete Künstler nur spärlich gesät sind. So sieht man sich
häufig zu dem Versuche gedrängt, aus der Not eine Tugend zu machen. Über-
raschend tritt Schad-Rossa auf, der alt an Jahren plötzlich den Zielen der Jungen
in Motiven, Bewegung, Farbe usw. mit Geschick nachgeht. Die märkischen Seen, Spa-
nien, Italien und Bayern mit ihrem Volksleben geben ihm den Stoff für seine hell-
farbigen, dünngemalten und von Leben erfüllten Arbeiten. Was an Karl Albrechts

Martin Brandenburg: Spaziergang. Große Berliner Kunstausstellung 1914.
Kunst anzieht, ist die Reinheit der Farbe und die stille Versonnenheit, die er in seine
Blumenstücke oder Interieurs hineinwebt. Dieser selbe Geist regt sich in seinen —
wenn man so will — Figuren-belebten Interieurs und Landschaftsausblicken. Dabei
zeigt seine Palette die zunächst etwas gleichmäßig und porzellanen wirkt, eine feine
Wandlungsfähigkeit. Karl Kappsteins Ölbildern wohnt eine Festigkeit inne, welche
die Frische und Ursprünglichkeit der Skizze zu sehr vermissen läßt; überall ist aber
die Solidität seines Könnens anzuerkennen. Freier gibt er sich in seinen Mono-
typien, die diesen Künstler auf eigenstem Gebiete zeigen. Zur jüngeren Generation
gehören der Breslauer Friedrich Pautsch, dessen slavisch-pathetische Art, Figuren
zusammen zu bringen, ohne sie rhythmisch zu beherrschen, höchstens einen Anfang be-
deuten kann, und der Düsseldorfer Max Clarenbach mit seiner etwas künstlichen,
nicht natürlich kräftigen Malerei. Aus den Mondschein- und Nebellandschaften Louis
Douzettes hätte man keine Sonderausstellung hersteilen sollen, da diese Art des
Künstlers bekannt genug ist.
Daß die Berliner Maler, die wir alljährlich in der Großen Berliner Kunstaus-
stellung finden, ihr auch diesmal das Gepräge geben, versteht sich von selbst. Man
braucht nur ihren Namen zu nennen, um ihre Kunst zu kennzeichnen. Hierher
gehören: Langhammer, Kallmorgen, Looschen, Hans Herrmann und Oskar Frenzei.
Leonhard Sandrock hat neben der kräftig gemalten „Gasanstalt“, die wir hiermit
wiedergeben, und außer einem farbig reizvollen Hafen-
bilde eine Arbeit ausgestellt, die sich dem Monumental-
bilde nähert: eine Anzahl von Arbeitern marschiert an
der Mauer ihrer Fabrik entlang nach Hause. Unter
den Jüngeren gehören zu der bewährten Garde der
Berliner Aussteller Franz Eichhorst, Hans Hartig und
Ernst Kolbe. Ebenso müssen Franz Stassen, Franz
Ltinstroth und P. W. Harnisch genannt werden. Als
Portraitisten stehen auch diesmal wieder Hugo Vogel,
Schulte im Hofe und Fritz Burger, von dem wir das
Bildnis des Staatssekretärs Dr. Solf veröffentlichen
in erster Reihe. Zu den Berlinern gesellen sich in den
gemeinsamen Sälen die Königsberger Jernberg, Heichert
und Dettmann, die Dresdner Bracht, Poeschmann, der
Münchner Herterich usw.
Unter den Sälen der einzelnen Kunstzentren treten
die der Düsseldorfer auch diesmal am stärksten hervor.
Nicht nur die Einzelleistungen eines Heinrich Hermanns,
Kampf, Hardt, Liesegang, Stern stehen auf beträcht-
licher Höhe; auch der Gesamteindruck ist ein günstiger.
Das läßt sich von den Münchnern, die nach Berlin, ihrem
alten Brauche treu, recht mäßige Arbeiten geschickt
haben, durchaus nicht sagen.
Die Abteilung für Malerei zur Zeit Wilhelms I.
erbringt aufs neue den Beweis, wie Kunsthändler,
Kunstbetrachtung und Publikum die Kunst einer Zeit
gewöhnlich auf eine bestimmte Richtung hin festlegen,
so daß Arbeiten, die seitwärts hiervon stehen, kaum
beachtet werden. Dann mißachtet die nächste Zeit

O. Jernberg: Morgenrast. Große Berliner Kunstausstellung 1914.
 
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