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Moderne Kunst: illustrierte Zeitschrift — 28.1913-1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.31172#0706
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BEILAGE ZUR „MODERNEN KUNST“.


Neapel, der allerüppigsten
Stadt des damaligen Italiens,
ward der Dichter des „De-
camerone" geboren. Seine
,, Herzensflamme'' war Maria,
■die natürliche Tochter Ro-
berts und Gemahlin eines
angesehenen Nobile.
So genoß, sagt Hermann
Hesse, dem wir eine außer-
ordentlich reizvolle Boc-
caccio - Biographie verdan-
ken, der Bastard eines kleinen
Kaufmanns wie in der schön-
sten Abenteuernovelle die
Liebe der Tochter eines
großen Königs: Noch man-
ches Jahr später hat der
Dichter im Decamerone
einer der liebenswürdigen
Frauengestalten der Um-
rahmung des Geschichten-
gemäldes in Erinnerung an
jene Maria den Namen Fia-
mctta gegeben. Vielleicht
sind diese heiteren Jüng-
lingsjahre ohne Sorge die
schönsten im Leben des
Boccaz gewesen. Um 1341
berief der Vater, der sich
inzwischen vermählt hatte,
Giovanni wieder nach Florenz
zurück. Es waren unerquick-
liche Verhältnisse, die der
Sohn antraf. Nicht lange
litt es darum Boccaccio in
Florenz: drei Jahre später
schon finden wir ihn als
Vertrauten der nicht gerade
sittenstrengen Königin Johanna wieder in Neapel,
und vermutlich sind hier die ersten Geschichten des
Decamerone entstanden und am Hofe von Boccaccio
selbst vorgetragen worden, wie sie die Jünglinge und
Jungfrauen der Dichtung einander erzählen. Hier auch
sah er das Wüten der Pest vom Jahre 1348, jener Pest,
die ihm den grausigen Hintergrund zu der um so
lebendiger wirkenden Bunte des Decamerone abgab,
und ihn, da der Vater der Seuche erlag, endlich ganz
seinen dichterischen Neigungen leben ließ. Wahrschein-
lich übermachte der Florentiner Kaufherr dem Sohne
kein Vermögen. Wir wissen nämlich, was freilich nur

Fritz August von Kaulbach in seinem Atelier.
wenig Beweiskraft zu haben braucht, daß Petrarca
wiederholt unsern Dichter mit Geld unterstützte, und
daß er ihm im Testament fünfzig Florentiner Goldgulden
hinterließ, damit Boccaccio sich dafür ,,einen warmen
Rock für die langen Winternächte des Studierens“ kaufen
könnte. Von nun an verlief sein Leben ohne heftige
Erschütterungen; als „Angehöriger keines Standes hoch
über allen Ständen“ widmete er sich hinfort nur noch
poetischen und wissenschaftlichen Studien, und der
Vierzigjährige schuf sich im Decamerone ein Denkmal,
dauernder als Erz, ward der Schöpfer der italienischen
Prosa und der Meister der Novelle. Freilich solche

Anerkennung ward seinem
Werke, solch Lorbeer krönte
seine Stirn nicht schon im
Leben. Seine Landsleute
schätzten und ehrten ihn
um anderer Dinge willen:
ihnen war er der wissens-
reiche, kluge Staatsmann,
dem sie manche wichtige
Gesandtschaft, so dreimal
an den Hof der Päpste nach
Avignon und einmal gar nach
Deutschland zu Ludwig
von Brandenburg, dem Sohn
Ludwigs des Bayern, ver-
trauten; ihnen war er der
beste Kenner und Interpret
Dantes, dessen „Göttliche
Komödie“ er vom Jahre 1373
an in der Kirche Santo
Stefano zu Florenz öffentlich
ausdeuten mußte, wofür er
jährlich 100 Goldgulden be-
zog. Noch einmal spielte im
Leben des Alternden die
Liebe, die ja nicht nach
Jahren wägt, eine Rolle.
Boccaccio verliebte sich in
eine vornehme Witwe, die
ihm die Verliebtheit aber
übel heimzahlte. Auch solche
Liebesgeschichte hat er uns
im Decamerone erzählt, vor-
ahnend gleichsam, und ohne
daß er selbst hernach daraus
die weiseLehre gezogen hätte.
Sie verbitterte ihn sehr, diese
Liebesposse, und der Ver-
_ schmähte rächte sich durch
ein gallig-böses Buch mit demTitel „Corbaccio“ (der „böse
Rabe" zu deutsch), darin man „Hunderte von schimpf-
lichen, grausamen, haßerfüllten und anklagenden Reden
über die Weiber“ finden kann, so man Lust dazu hat.
62 Jahre alt, starb Boccaccio am 21. Dezember 1375 an
zehrender Krankheit. Das Haus, darin er seinen Qualen
erlag, ist noch heute erhalten: in seinem einstigen Arbeits-
zimmer hat man sein Bild al fresco an die Wand gemalt.
Mit ihm sind auch manche seiner Werke gestorben; nur
die „Fianretta“ und vor allem der „Decamerone" werden
ewig leben. Im übrigen aber hat Boccaccio schon recht,
wenn er von seinen Novellen einmal etwa sagt: „Jede

Phot. B. Dittmar, München.


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