Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Möhle, Hans
Holländische Zeichnungen — Kunstwerke aus den Berliner Sammlungen, Band 13: Berlin: Mann, 1948

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.72968#0075
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Damals entstand wohl auch das frische Blättchen mit dem reizenden
Mädchenkopf (Abb. 38), der sich so echt kindlich neugierig aus der
Bildfläche heraus dem Betrachter zuwendet und ihn aus der un-
ergründlichen Schwärze seiner großen Kinderaugen gespannt an-
schaut. Das pralle Köpfchen, von ornamental gezeichneten Locken
keck umspielt, ist vom breitgeführten Tuschpinsel kräftig modelliert.
Das helle Sonnenlicht auf dem Gesicht und dem weißen Spitzen-
kragen leuchtet dazu in wirkungsvollem Kontrast. Wahrlich, die
zeichnerische Begabung Terborchs steht hinter seiner malerischen
nicht zurück!
Die zeichnerische Produktion Hollands in der zweiten Hälfte des
17. Jahrhunderts wird nicht nur quantitativ durch die Landschaften
bestimmt, im Gegensatz zur Malerei dieser Zeit, in der Bildnis und
Genre mindestens die gleiche Rolle spielen. Weitaus die meisten
holländischen Landschaftszeichner werden nicht müde, immer
wieder das Antlitz ihrer Heimat zu gestalten. Von den verhältnis-
mäßig wenigen holländischen Italienfahrern ist Nicolaes Berchem
(1620-1683) der begabteste. Seine gebirgige Flußlandschaft links
oben »Berchem f (= fecit) 1656« signiert (Abb. 40), mag hier den
Typus seiner kunstvoll komponierten, nicht vor der Natur selbst ge-
zeichneten südlichen Landschaften vertreten. Er belebt sie mit
mannigfaltigen, sehr geschickt gezeichneten Staffagefiguren. Es sind
meist bildmäßig durchgeführte Kompositionsstudien für Gemälde
und Radierungen. Unser Blatt hat Berchem nach seiner Gewohnheit
mit schwarzer Kreide gezeichnet und mit dem Tuschpinsel so laviert,
daß Licht und Schatten in kurzen Abständen und scharfen Kon-
trasten nebeneinander stehen. Dadurch kommt ein bewegtes, flim-
merndes Leben in das Ganze; es wirkt dennoch nicht kleinlich, weil
großzügige und klare Umrisse die Hauptformen zusammenhalten.
Besonders schön ist der Fernblick mit dem breit gelagerten Tafel-
gebirge rechts. Der Typus der südlichen Ideallandschaft, der in den
römischen Werken des Claude Lorrain seine künstlerische Voll-
endung erfuhr, wird durch die romanisierenden Holländer in der
Art Berchems nach dem Norden verpflanzt.

71
 
Annotationen