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Moholy-Nagy, László
Von Material zu Architektur — München, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.29204#0096
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durch Spiegelung und reflexe dringt die Umgebung in die bildebene ein — die
seit dem impressionismus erstrebte flächenhaftigkeit wird aufgelöst,
die fläche wird zu einem teil der atmosfäre, des atmosfärischen grundes, indem sie
die außer ihr existierenden lichterscheinungen aufsaugt; sehr im gegensatz zu
früher, als das bild nur ein zur landschaft hin geschnittenes loch, eine illusio* •*)
nistische fensteröffnung war.

dieses Stadium ist gewissermaßen der abschluß des impressionismus: die üben*
windung der fläche nicht zur plastik, sondern zum raum hin.

die letzte Vereinfachung des bildes: der projektionsschirm

hier ergibt sich die ausdeutung des letzten bildes von malewitsch: die plane
weiße fläche.*) man geht kaum fehl mit der behauptung, daß hier der ideale
schirm geschaffen war für die licht* und schattemeffekte, die — aus der umge*
bung stammend — darauf geworfen werden können, das gleiche, was der große
bruder des kleinen manuellen bildes: die filmleinwand — verwirklicht,
wenn die projektion auf einer lichtempfindlichen Schicht fixiert wird, entsteht
die fotografie oder das fotogramm. (abb. 66)

es scheint, daß — entwicklungstechnisch — das manuelle bild von den reineren
„malerischen“ lichtgestaltungsmöglichkeiten der projektion überholt wird,
seit der erfindung des films beschäftigen sich viele manuelle maler mit diesem
problem: projektion, licht, bewegung, durchdringung. (die fotografie ist zweifei*
los auch eine brücke dazu.) ••)

•) malewitsch, der große suprematistische maler hatte als abschluß seiner experimentellen male*
rischen arbeit ein bild gemalt: eine weiße, quadratische leinwand, mit einer gleichwohl weißen,
kleinen quadratischen fläche darauf.

•*) man kann darin so weit gehen, daß man den zunächst unverständlichen schritt picassos:
seine neoklassizistische periode — im großen ganzen unter diesem aspekt sieht: als bemühung
um eine andere seite der fotografischen Problematik (Verzeichnung, Verzerrung),
wie der kubismus überhaupt in vielem — besonders in der behandlung der fakturwerte — ein
ausgesprochen fotografisches problem (s. abb. 21 und 63) vorwegnimmt, weil die fotografie
erst — nach einem jahrzehnt der kubistischen arbeit — die durchführung ihrer eigenen möglich*
keiten in angriff nahm, das ist derselbe fall wie bei der simultanen sichtproblematik des films,
die im kubismus auch enthalten ist. (allerdings als nebeneinander, gegenüber dem nach*
einander der kinetischen projektion.) die simultanität wird im kubismus durch die metode
der gleichzeitigen aufsicht, schrägsicht, Zerlegung usw. erzielt, sozusagen als räumliche „über*
blendung“.

auch der futurismus behandelte filmische probleme, lange bevor der film zur ausnützung seiner
ureigenen Problematik kam.

man könnte den futurismus in seiner essentiellen Problematik als zeitliche „Überblendung“
karakterisieren.

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