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Moholy-Nagy, László
Von Material zu Architektur — München, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.29204#0099
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beziehung zur plastik
(die allgemeine läge)

während viele menschen zur malerei langsam eine beziehung zu bekommen pfle»
gen, ist die plastische gestaltung in einer merkwürdig isolierten Stellung, die
meisten menschen stehen ihr fremd gegenüber und wissen nicht, wie sie ihnen
zum erlebnis werden könnte, sehr viel tragen zu dieser haltung die letzten
jahre bei, die eindeutig plastik» und tafelbildfeindlich waren, soweit tafelbild
und plastik als dekoration, als schmückendes element verwendet wurden, war
diese haltung begründet, wenn aber bild und plastik — auch in ihren zu»
künftigen erscheinungsformen, in ihren zukünftigen Wandlungsmöglichkeiten —
generell zum sterben verurteilt werden, so liegt dahinter meist nicht mehr als
eine erstarrte losung, die auf mißverstandene — wenn auch einmal notwendig ge»
wesene — abwehr zurückgeht.

bild und plastik waren in der gestern gut bürgerlichen wohnung verpflichtende
Zeichen der vornehmen „gesinnung“, die bilder vergrößerte Ornamente, die pla»
stiken seit Jahrzehnten entweder billige stukkatörarbeit oder tafelaufsätze, ehren»
preise für sportliche leistungen.

denkmalkultur?

aufstellungsort und plastische form — das spiel politischer parteien.

der tiefe sinn bildnerischer werke, die möglichkeiten reicher erlebniskondensation,
ihre biologischen und sozialen Zusammenhänge sind der vorigen periode unerlebt
geblieben, obwohl — eben in der vorigen periode eine wahre Verhimmelung der
„kunst“ mode war.

„kunst“ wurde ganz äußerlich als spitze aller menschlichen leistungen angesehen
(nicht anders als heute von vielen die technik). dahinter stand aber oft nichts
als kultursnobistische rührigkeit. der bedarf an „kunst“ — gleich dem anekdotischen
seifenverbrauch — wurde zum gradmesser für den bildungswert des volkes.
dieser tatbestand reizte zur auflehnung. das war der grund, daß unsere genera»
tion (siehe und lies die futuristischen manifeste) schärfste worte gegen jede art
öder Schaustellung fand.

in der Überstürzung richtete sich diese ablehnung gegen die berechtigung des
bildnerischen ausdrucks überhaupt.

bald setzte eine korrektur ein, nachdem man erkannt hatte, daß eine verlogene
haltung gegenüber schöpferischem tun das eigentliche ziel des angriffs gewesen
war; daß diese haltung die existenz des schöpferischen selbst aber nicht in frage
stellen konnte; daß weder die alten formen der malerei noch die der plastik

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