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Moholy-Nagy, László
Von Material zu Architektur — München, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.29204#0202
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organ; •) ferner in anderen raumerlebend funktionierenden empfindsamkeiten
unseres körpers, deren lokalisierung nach heutigem wissen noch sehr ungewiß
ist. sie gehören wahrscheinlich in die gruppe jener sinnestätigkeiten, die atmo*
sfärisches und telepatisches aufnehmen und weiterleiten, die bewußtmachung
dieser bereiche wird u. a. auch der architektur große dienste leisten.

primitiv formuliert erfaßt der mensch also den raum:

von seinem gesichtssinn aus in erscheinungen wie: weite Perspektiven (abb. 182),
sich treffende, schneidende flächen, ecken, klare durchsichten (abb. 183),
durchdringungen (abb. 186, 201—208), maßverhältnisse, licht,
von seinem gehörsinn aus: durch akustische erscheinungen;

von der bewegung aus: in verschiedenen raumrichtungen, durch kommunb
kation (abb. 179, 183) — horizontal, vertikal, diagonal, kreuzungen,
Sprünge usw. (abb. 180);

von seinem gleichgewichtssinn aus: durch kurven, drehungen (wendeltreppen),
(abb. 135, 136, 199, 201).

raumerlebnis ist kein privileg begabter menschen, sondern biologische
funktion

die biologischen grundlagen des raumerlebnisses sind einem jeden gegeben, so
wie das erlebnis der färben oder der töne, durch Übung und geeignete beispiele
kann ein jeder diese fähigkeit aus sich herausschälen, wohl werden zahlreiche
unterschiede in der erlebnisfähigkeit Vorkommen, genau wie das bei andern
erlebnisgebieten der fall sein mag — grundsätzlich aber ist das raumerlebnis
einem jeden zugänglich, selbst in seiner reichen, komplizierten form.

Praxis

die zur erfüllung der funktion eines bauwerks nötigen elemente fügen sich zu
einem raumgebilde, das uns zum raumerlebnis werden kann, das raumgebilde
ist in diesem fall nichts anderes als der ökonomischste Zusammenhang von grund*
rißorganisation und mensch. das jeweilige lebensprogramm spielt darin eine be*
deutende rolle, die art der raumgestaltung ist damit allerdings noch nicht gegeben.

•) in dem „buch der 1000 wunder“ von fürst und moszkowski (46. — 48. tausend, albert langen
verlag münchen) sind einige interessante diesbezügliche experimente beschrieben, „das wirbelnde
meerschweinchen“ (s. 106) behandelt die lokalisierung des gleichgewichtssinnes; „ein schritt vom
wege“ (s. 60) die raumorientierung; „biene und geometrie“ (s. 83) dasselbe.

„das formhören“ (s. 57) berichtet über die akustischen bestimmungsmöglichkeiten der formen
und des raumes; ähnliches der aufsatz „augenersatz für blinde“.

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