Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Moller, Georg; Gladbach, Ernst
Denkmähler der deutschen Baukunst (Band 3) — Darmstadt, [1844]

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.8370#0006
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
ganz verlassen wurde, hat Deutschland das
nicht geleistet, was wir in Italien finden.
Dort war der Ausbildung dieses Styls durch
die herrlichen Marmorarten, durch die un-
mittelbare Anschauung antiker Muster von
Bildhauerkunst, Malerei und Mosaikarbeiten
offener Weg gebahnt, während in Deutsch-
land diese Bauart als eine mehr oder we-
niger freie Nachahmung mit verändertem
Material erscheint.

Das Studium desselben ist in Bezug auf
die ähnlichen Grundbedingungen, welche
bei unsrer jetzigen Kirchenbaukunst, wo
mit geringen Mitteln viel geleistet werden
soll, vorliegen, und daher ähnliche Resul-
tate erwarten lassen, sehr belohnend. Wenn
auch die Ausführung dieser Basiliken nicht
der Feinheit der gleichzeitigen italienischen
Gebäude gleichkommt, so zeigen doch die
wenig erhaltenen Denkmäler dieser Art
Keime einer reichen Phantasie und Schö-
pfungskraft, von deren Ausbildung die spä-
tere deutsche Spitzbogenkunst das schönste
Zeugniss gibt.

Der Übergang des Bundbogenstyls zu
der Bauart des 13. Jahrb., wo der Spitzbo-
genstyl harmonisch durchgebildet erscheint,
ist wohl in keinem Lande in so zahlreichen
Denkmälern ausgedrückt, als in Deutsch-
land, und dürfte wohl schon hierin der
deutlichste Beweis liegen, dass die Einfüh-
rung des Spitzbogenstyls bei uns nicht plötz-
lich von Aussen, sondern durch allmählige
innere Fortbildung erfolgte, und seine Herr-
schaft in eben dem Masse über ganz Eu-
ropa ausdehnte, als der Einflus der grossen
deutschen Kaiser des Mittelalters in allen
europäischen Angelegenheiten vorwiegend
war. Wir linden insbesondere in vielen
deutschen Kirchen dieser Übergangsperiode,
dass sich die Grundform des Baues, das
Äussere desselben und der grösste Theil der
Details der älteren Bauart anschliesst, wäh-
rend im Innern der Übergang zu den ho-
hen spitzen Gewölben des 13. Jahrhunderts
sichtbar ist.

Das Bedürfniss nach harmonischer Ein-

heit des Gebäudes, wie solche im Kölner
Dombau als Ideal erscheint, verdrängte in
einem auffallend kurzen Zeitraum unter der
Herrschaft der Hohenstaufen die letzten
Reste der älteren Bauart und liess die erste
rein im Spitzbogenstyl erbaute Elisabeth-
kirche zu Marburg entstehen.

Dieser Styl gestattet nur die ausschliess-
liche Anwendung der Spitzbogenformen,
welche die grösste Mannichfaltigkeit zu-
lassen, und lässt in der geschickten Ver-
bindung derselben mit dem spitzen Giebel
und der Pyramide eine strenge Einheit und
Harmonie der Formen erkennen. Der Ru-
hepunkt, auf den wir hier in der deutschen
Baukunst des Mittelalters gelangt sind, muss
für den historischen Forscher derselben das
erhabene Ziel seyn, nach welchem er durch
die vielfach bewegten vorhergegangenen
fünf Jahrhunderte hinarbeitet. Zur Erleich-
terung seiner Arbeit dienen hauptsächlich
genaue geometrische Aufnahmen der er-
haltenen Denkmäler, wodurch nur allein
ein richtiger Vergleich derselben unter sich
möglich gemacht werden kann.

Mögen die folgenden auf diese Weise
ausgearbeiteten Hefte, worin möglichst ganze
Gebäude oder die in einem Style durch-
geführten Theile einzelner Gebäude des
Mittelalters dargestellt werden sollen, und
wo bei der Erklärung der Kupfertafeln zu-
gleich dasjenige gesagt werden soll, was
mir von der geschichtlichen Entstehung der
Denkmäler bekannt geworden ist, und was
ich zur Würdigung derselben in architek-
tonischer und historischer Beziehung für
nützlich und wesentlich halte, als ein will-
kommenes Material zur Geschichte der Ent-
wickelung deutscher Baukunst aufgenom-
men werden. In diesem Sinne habe ich auf
die chronologische Reihenfolge der in den
folgenden Heften dargestellten Denkmäler
keine besondere Rücksicht genommen, um
mich auch bei einzelnen Gebäuden von
ganz verschiedenen Jahrhunderten in der
Wahl des Darzustellenden nicht zu be-
schränken.
 
Annotationen