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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 1.1900/​1901

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Nr. 6
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https://doi.org/10.11588/diglit.47723#0317

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283

Im Anschluss an die frühere Notiz über die Gemälde der Sammlung des k. Universitäts-Professors
Dr. Erich Frantz halten wir folgenden Aufsatz für besonders interessant:
V.
Alte Möbel und Geräte aus der Sammlung des Kunsthistorikers,
Univ.-Professor Dr. Erich Frantz.
1. Florentiner Truhe. Gotisch. Die Front ist dreiteilig; jedes Feld zeigt im Rand geschnitztes
Masswerk in zierlicher Durchbildung. Intarsia belebt die Umrahmungen und auch die Eckpfosten. Selten
schönes und wohlerhaltenes Stück, passend für ein Museum. Höhe 63, Breite 165 cm.
Die Truhe oder Lade ist bekanntlich das wichtigste Zimmergerät profanen Charakters im Mittel-
alter. Bestimmt Kleidung, Linnen und Wertgegenstände aufzunehmen, dient sie auch oft als Sitzbank und,
bei gewisser Höhe, selbst als Tisch. Auch an den Höfen pflegte man bis ins XVI. Jahrhundert auf solchen
Koffern bei grösseren Versammlungen Platz zu nehmen. Sie wurden mit Stoffen oder Kissen belegt. Man
bediente sich ihrer, wie im Hause, so auch zu kirchlichem Gebrauch. Ihre Verzierung bestand in Malerei,
Schnitzarbeit (Masswerk, Laub- und Rankenornament, Tierfiguren in phantastischer Zeichnung und Compo-
sition), welche sich zumeist an der Front entwickelt. Während der Gotik besitzt auch dieses Möbel einen
architektonischen Charakter, der jedoch in Italien weniger hervortritt, da hier das klassische Element den
gotischen Stil modifiziert und ihm eine mehr dekorative Aufgabe zuweist. Äusser Bemalung ist es hier be-
sonders Intarsia, Marqueterie, die eingelegte Holzarbeit in farbigen Tönen, welche dem einfach konstruierten
und gegliederten Möbelstück Zierde und künstlerischen Typus verleiht. Während der Renaissance tritt dann
prächtiges und reiches Schnitzwerk mit figürlicher Darstellung hervor. Das deutsche und französische Möbel
profanen Charakters trägt während der Gotik mehr den konstruktiven kirchlichen Typus mit den Formen
des Bauwerkes an sich. In Italien, dem Lande der Cosmatenarbeit und prächtigen Marmorincrustation,
herrscht das zierlich gemusterte, das feinere Leben der Oberfläche. Selbst Maler von einigem Ruf, wie in
Florenz Vesello, Vesellino (Francesco di Stefano), Pier di Cosimo u. a. haben für die reicheren Patrizier Braut-
truhen, sowie anderes Prunkgerät mit ihren Compositionen geschmückt. Manche der in den Galerien Italiens
enthaltenen kleineren Bilder auf Holz waren Füllungen von Sakristeischränken und profanem Möbelwerk.
2. Florentiner Truhe. Aus der besten Zeit der Renaissance. In Nussbaumholz geschnitzt, an
der Front mit phantastischen Tierkörpern, aus denen Rankenornament hervorgeht. Diese Truhe, sehr vor-
nehm und reich behandelt, stammt aus einem der Florentiner Paläste und diente zugleich als Sitzmöbel, wie
die Höhe der Bank und der glatte Deckel beweisen. Sie ist, gleich der vorigen, trefflich erhalten, ohne
jede Ausbesserung.
3. Italienisches Cabinet. Stil der Renaissance. Dieses zierlich behandelte kleine Prunkgerät hat
eine architektonisch gegliederte Front mit Halbsäulen und Halbfiguren. Sowohl die Kästchen dazwischen,
als die Seitenteile, Deckel und Rückwand sind mit bunter Intarsia (Marqueterie) überzogen, welche Archi-
tekturen, Ruinen und oben Ornament darbietet. Wohl erhalten.
Diese Kästchen bildeten die Vorläufer der eigentlichen Cabinets, welche, obgleich der Name schon
um 1528 auftritt, erst um die Mitte des XVI. Jahrhunderts üblicher wurden, woraus dann später die so-
genannten »Kunstschränke« sich entwickelten. Die Cabinets dienen zur Aufbewahrung von kostbarem Klein-
gerät und Schmuckgegenständen. Äusser mit Schnitzwerk und Intarsia wurden sie mit buntem Gestein,
Perlmutter, Elfenbein und Schildpat verziert. In Deutschland waren Nürnberg und Augsburg, auch Dresden,
Wien und München durch die trefflichen Arbeiten der »Kistler« berühmt.
4. Frühgotische kleine Truhe oder Kästchen deutschen Ursprungs, mit Malerei, zu kirchlichem
Gebrauch. Der Deckel ist erhöht. Dargestellt sind: an den Schmalseiten Kreuzigung und eine thronende
Madonna mit dem Stifter zur Seite; an den Langseiten Heilige; am Deckel die Embleme der Evangelisten.
Seltenes Gerät aus früher Zeit und ohne jede Ausbesserung oder Retouche an der Malerei. Das einfache
Schloss hat romanischen Charakter. Höhe 34, Breite 43J/2 cm.
5. Schweizer Truhe im Stil der Frührenaissance. Dieses interessante Stück aus der Uebergangs-
epoche zeigt am oberen Rand eingelegtes Zinnenwerk und noch spätgotische Füsse. An der Front eine
Füllung von Schnitzwerk im Renaissancetypus: Ornament aus dem Köpfe herauswachsen. Höhe 67, Breite 96 cm.
Diese Truhe diente nicht als Sitzgerät, sondern nur zur Aufbewahrung. Die naive und doch schwung-
volle Behandlung des Ornamentes verleiht diesem sehr einfach und solid gebauten Möbel eigenartigen
Charakter.
 
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