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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 4
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Pudor, Heinrich: Die moderne bildende Kunst in Schweden
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0221
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— 137 —

Die moderne bildende Kunst in Schweden.

Von Dr. Heinrich Pudor.

Die Geschichte der bildenden Kunst in Schweden
ist beinahe gleichbedeutend mit derjenigen der
schwedischen Architektur. Zwar hat auch die
schwedische Malerei der vergangenen Jahrhunderte
eine stattliche Reihe von Künstlern aufzuweisen
und die Plastik vollends hat in Schweden Meister
hervorgebracht, welche sich, zum Mindesten so lange
sie lebten, Weltruf erwarben. Aber im Vergleich
zur Architektur ist das, was Schweden in der
Malerei und Plastik hervorgebracht hat, als wenig
bedeutend zu bezeichnen, vor allem deshalb, weil
es nicht schwedisches Eigengewächs, so zu sagen,

ist, sondern Uebertragung iremdländischer künst-

lerischer Errungenschaften auf schwedischem Boden.
Immerhin wollen wir, um die Brücke zur Neuzeit
zu schlagen, der geschichtlichen Entwicklung auch
der Malerei und Skulptur Schwedens mit einigen
Federstrichen Genüge thun.

Als der Nestor der schwedischen Malerei darf
der unter dem Namen Ehrenstrahl geadelte D. Klöker
(1629 bis 1698) bezeichnet werden, der aus Ham-
burg gebürtig war. Er hat Fresken und Talel-
gemälde, allegorische Gemälde, Genrebilder und
Porträts hinterlassen, in denen er sich von der
technischen Seite aus als ein hervorragender Meister
seiner Zeit zeigt. Nur tragen eben seine Bilder
weder besonderes schwedisch-nationales, noch
persönlich-individuelles Gepräge. Sie sind so gemalt,
wie die französischen Maler seiner Zeit, wie Lebrun,
malten. Das gilt selbst von seinem im Stock-
holmer National-Museum befindlichen Selbstporträt.
Uebrigens sind die schwedischen Schlösser und
Kirchen voll von Fresken und Oelbildern des
Künstlers, dessen Produktivität erstaunlich war.

Ehrenstrahl gilt in der schwedischen Geschichte
als der Vater der schwedischen Malerei, indessen
mit Unrecht. Denn aus Deutschland gebürtig, hat
er französischem Geschmack gehuldigt, und gehört
nur äusserlich zu Schweden.

Auch im 18. Jahrhundert kam es in Schweden
nicht zu den Anfängen einer nationalen Malerei.
Als es die Ausschmückung des königlichen Schlosses
galt, wurden ausländische Maler berufen, wie z. B.
Taraval. Die aus ‘Schweden gebürtigen Maler
dagegen, wie Alexander Roslin, A. U. Wertmüller,

u. a. verblieben entweder im Ausland oder liessen

sich doch durch französische oder englische Ein-
flüsse durchaus in ihrer Geschmacksrichtung be-
stimmen. Per AHilleström imitierte vortrefflich
Boneber, Carl Fredrik von Breda imitierte meister-
haft Lawrence und Gainsborough, Peter Adolf Hall

gab eine verkleinerte Auflage van Dyk’s — um nur
einige Beispiele aufzuzählen.

Nicht viel besser erging es der schwedischen
Malerei im 19. Jahrhundert. In der ersten Hälfte
desselben lag sie fast vollständig darnieder. Und
als sie neues Leben erhielt, war es wiederum das
Ausland, diesmal wesentlich Deutschland, von dem
sie Anregungen empfing. So wurde der Historien-
maler K. A. Hellqvist durch Piloty sehr wesentlich
beeinflusst, G. von Rosen darf als der bedeutendste
Repräsentant einer ganzen Reihe von Künstlern
gelten, die durch die Düsseldorfer Schule für ihr
Leben lang geaicht wurden. Als bedeutendstes
Werk des letztgenannten Künstlers darf das Porträt
Nordenskjöld’s hervorgehoben werden. Nach der
technischen Seite ragt hervor der Maler N. Fors-
berg (geb. 1841) dessen Bild „Das Ende eines
Helden“ jetzt in der Stockholmer Galerie befindlich,
im Pariser Salon 1888 eine erste Medaille erhielt.

Es würde zu weit führen, alle schwedischen
Maler der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts namhaftft
zu machen, und es würde zudem wenig Wert
haben, denn sie Alle geben Kopien, oft aus-
gezeichnete Kopien der mitteleuropäischen Malerei,
im Besonderen Deutschlands.

Von einer nationalen schwedischen Malerei.
kann man erst seit etwa einem Jahrzehnt sprechen.
Im Besonderen ist es Anders Zorn (geb. 1860)
der dem schwedischen Namen auch auf dem Ge-
biete der Malerei einen grossen Ruhm verschafft
hat. Zorn gehört zu den bedeutendsten Malern
der Gegenwart, vielleicht sogar zu den grössten
Malern, die es gegeben hat. Er ist der Franz Hals
der schwedischen Malerei. Nicht dass er etwa
durch diesen oder einen anderen holländischen
Maler beeinflusst wurde — am nächsten steht er
vielmehr der modernen französischen Schule —
aber er hat das Geniale, Treffsichere und dabei
Skizzenhafte, das Gesunde und unverwüstlich Frische
des genialen Holländers. Man muss das lebens-
irohe Schweden, dieses dicht über dem Meeres-
boden sich erhebende, urgesunde Hochgebirgsland
kennen, um den Schweden Zorn verstehen zu
können. Denn wenn er auch in Paris sein Atelier
hat, in Paris gelernt hat, und von vielen als zur
französischen Schule gerechnet wird — innerlich
ist Zorn ganz und gar Schwede und durchaus nicht
Franzose. Wenn daher die heutigen Geschichts-
schreiber Ehrenstrahl als den Vater der schwedischen
Malerei bezeichnen, so werden künftige Geschlechter,
und mit grösserem Recht, Zorn dies Ehrenattribut
beilegen können.
 
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