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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 4
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Pudor, Heinrich: Die moderne bildende Kunst in Schweden
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0222

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= 138 —

Dabei ist bezeichnend, dass Zorn nicht nur
schwedische Stoffe mit Vorliebe wählt, sondern
dass geradezu das schwedische Bauern- und Dori-
Leben seine eigentliche Domäne ist — vergleiche
zum Beispiel das köstliche Bild, ein die Stiege
herabschreitendes Bauernmädchen, das im Jahre 1898
in London, im Jahre 1901 in der Berliner Sezession
zu sehen war. Das Stockholmer Nationalmuseum
besitzt neben einer Reihe vorzüglicher Radierungen
(entzückend und „ein echter Zorn“ das in einer
Hängematte schlatende Mädchen) und Handzeich-
nungen, zwei Oelbilder Zorns, sein Selbstportrait
(dargestellt in einer hellen Malerkutte), ein prächtiges
Werk voll von Leuchtkraft der Farbe und Charak-
teristik, und das Bild eines älteren Herrn (Bibliothekar
Wieselgren) mit dem Glase in der Hand, der aus einer
Gruppe Trinkender nach vorn schreitet — auch dies
ein Meisterwerk. Das Nationalmuseum in Christiana
besitzt ein gutes Bild „J. Skaergärden“ (In den
Schären), das Zorn im Jahre 1894 gemalt hat. Es
ist eine vortreffliche Lichtstudie; besonders die an
einen Felsen lehnende nackte Frauengestalt ist
technisch ausgezeichnet. Das Kopenhagener Museum
besitzt ein besonders schönes Werk von der Hand
Zorn’s, ein Aquarell „Boelgeskvalp“, das eine voll-
kommene Beherrschung der Wasserfarben-Technik
und dabei den charakteristischen Stimmungsgehalt
Zorn’s zeigt. Im übrigen sieht man heute in allen
grossen Gemäldegalerien des Kontinents Werke
von Zorn.

Nicht minder schwedisch-national als Zorn ist
der bekannte Tiermaler Bruno Liljefors (geb.
1860), der ebenso wie Zorn in Deutschland sehr
geschätzt. wird. Und in der That ist es auch bei
ihm die Stimme der Natur, und zwar dieses be-
stimmten Stückes Natur, die aus seinen Gemälden
spricht. Waldvögel brütend auf Tannenwipfeln oder
Kieferwedeln — nur Liljefors versteht sie uns so zu
schildern, dass wir uns selbst in dieses Milieu ver-
setzt fühlen und Waldesluft zu atmen glauben.
Und ebenso ist es, wenn er die stille Grösse des
nordischen Winters malt, oder die Erhabenheit des
Ozeans, belebt nur durch ein paar heimziehende
Wasservögel (wie auf dem prächtigen Bilde „Ejdrar“
aus dem Jahre 1894 in der Stockholmer National-
galerie, das eine wunderbare, wie weltfern wirkende
Farbenharmonie zeigt. Aehnliches gilt von dem
herrlichen Bilde „Vildgjaes“ (Wildgänse) in dem
Kopenhagener Museum. Auch hier ist nicht nur
die Natur wissenschaiftlich- exakt getreu wieder-
gegeben, sondern das Bild zeigt zugleich eine voll-
kommene Farbenharmonie, und es trägt endlich den
persönlichen Stempel Liljefors’ und den nationalen
Skandinaviens.

Von weiteren jüngeren schwedischen Malern
mögen noch genannt werden Nils Kreuger (geb.
1858), der noch etwas antik wirkende, als grösster
schwedischer Freskenmaler bekannte Carl Larsson
(geb. 1853),') ferner der Landschaftsmaler G.S. N.
Kallstenius (geb. 1861), der Portraitmaler R. Theger-
ström (geb. 1857) von dessen Hand man ein ganz
ausgezeichnetes Portrait des Komponisten Sten-

ı) Vergleiche dessen interessantes Portrait August Strindberg’s
Zeichnung in Oel) aus dem Jahre 1899 im Stockholmer Museum.

hammer, am Klavier sitzend, in der Stockholmer
Galerie sieht, und endlich der geniale Karikaturist
A. Engström (geb. 1869).

*

*

Die schwedische Plastik hat sich in mancher
Beziehung ähnlich entwickelt, wie die Malerei,
insoweit nämlich auch hier fremdländische Einflüsse
vorherrschend waren und im allgemeinen eine
klassizistische Geschmacksrichtung eingeschlagen
wurde. Wie die Schweden Ehrenstrahl als den
Vater der schwedischen Malerei bezeichnen, so
nennen sie wohl Johann Tobias Sergel (1740
bis 1814) den Vater der schwedischen Plastik.
Aber was von jenem gilt, gilt auch von diesem.
National-Schwedisches und Persönlich-Individuelles
findet man nicht in Sergel’s Werken. Mit grösserem
Recht kann man ihn den schwedischen Thorwaldsen
nennen. Denn ähnlich wie der dänische Bildhauer
lässt er sich nach der formellen Seite von der
Antike inspirieren, studiert auch wohl die Natur
selbst (Sergel mehr als Thorwaldsen), aber bringt
zu wenig eigenen persönlichen Gehalt hinzu. Form-
schön, aber innerlich kalt, so muten alle seine -
Werke an. Man würde den Schöpfer derselben für
einen Franzosen oder Italiener aus der späteren
Rococozeit halten, wenn man nicht wüsste, dass
er ein Schwede wäre. Uebrigens haben französische
Einflüsse auch auf die frühere schwedische Plastik
eingewirkt, nachdem die {französischen Bildhauer
J. Ph. Bouchardon (1711—1753) und P. H. L’Arche-
vesque (1721— 1778) zur Ausschmückung des
Schlosses nach Stockholm berufen waren. Dabei
ist es aber gerade sehr bezeichnend, dass diese
klassizistische Formenschönheit in der Plastik gerade
in Schweden so bedeutende Vertreter fand. Denn
der Sinn für Formenschönheit ist an und für sich
eine Nationaleigenschait des Schweden, und zwar
von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart hinein.
Er documentiert sich auch äusserlich, sowohl in
der Kleidung und Wohnungseinrichtung, wie in der,
Nationaltracht — man kann diesen lebhaften Formen-
sinn bis in das schwedische Bauernhaus verfolgen.
Der künstlerische Realismus hat daher in Schweden
niemals so bedeutende Vertreter gelunden, wie der
Klassizismus — das gilt von der Architektur, von
der Dichtkunst, von der Malerei und von der Plastik.

— Man sieht eine stattliche Reihe von Sergel's
Werken in dem Stockholmer Nationalmuseum. Her-
vorgehoben seien „Liegender Faun“ (ausgezeichnet
modelliert und charakterisiert), Amor und Psyche,
die aus dem Bade steigende Venus, ferner eine
Menge Portraitbüsten, von denen einige aus-
gezeichnete Charakteristik zeigen, wie die des
Reichsrat Scheffer, andere ganz konventionell,
iranzösisch im Sinne des Rococo gehalten sind.

Sergel hinterliess eine Schule. Es bildete sich
eine Sergel’sche Tradition. ‘Nur ein ganz klein
wenig ziemlich unschuldiger Romantik that man
hinzu. So erstehen die Bildhauer Johan Niklas
Byström (1783—1848), der nicht minder, wie
Sergel, brillant modellieren kann (vergl. seine
Hero in Stockholm), aber oft noch mehr ins Kon-
ventionelle verfällt, als Sergel — vergleiche seine
Juno mit dem Herkulesknaben ebendort. Aehnlich
 
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