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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 10
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Klossowski, Erich: Michael Willmann
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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0569

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— 384 —

Michael Willmann.

Von Erich Klossowski.

Der Künstler, von dem ich hier erzählen will,
ist heute so gut wie vergessen, wenigen dem Namen
nach bekannt und auch diesen nur eine vage und
dunkle Vorstellung. Zu seinen Lebzeiten war
Michael Willmann ein berühmter Mann. Seine
Zeitgenossen nannten ihn, in der bombastischen
Ausdrucksweise ihrer Epoche, den schlesischen
Apelles. Sandrart schätzte sich glücklich, seiner
Akademia picturae noch vor Abschluss der Aus-
gabe von 1680 einen Artikel über den Meister ein-
fügen zu können. Und wenn seine Behauptung:
dass damals fast alle Kirchen und Paläste Deutsch-
lands mit Willmanns Werken prunkten — auch
eine thörichte Uebertreibung gewesen sein muss,
so geht immerhin das eine daraus hervor, dass
man diesem Künstler zweifellos eine mehr als
lokale Bedeutung zugestand. Willmann gehört
nicht nur in die schlesische Kunstgeschichte und
man braucht seine Ausgrabung nicht mit Lichtwark
und dem Schlagwort der Heimatskunst zu ent-
schuldigen. Er gehört zu den Repräsentanten des
künstlerischen Deutschland nach 1648. Sein Lebens-
schicksal, seine Stellung in jener Welt sind kultur-
geschichtlich so bezeichnend, von so typischer
Bedeutung, dass ein Buch etwa über die deutsche
Barockmalerei sich diese interessante Figur un-
möglich entgehen lassen dürite. :

Willmann wurde geboren in Königsberg im
Jahre 1630. Sein Vater Peter war ebenfalls Maler,
aber künstlerisch wohl ohne Bedeutung — haud ex
infimis nennt ihn der höfliche Sandrart. Als Zwanzig-
jähriger zieht der junge Michael Leopold, da ihm
die abgelegene Heimatstadt nichts mehr zu bieten
vermag, auf die Wanderschaft. Holland, das gelobte
Land der Malerei, ist das nächste Ziel. In Amster-
dam hält es ihn länger fest. Gerne möchte er bei
einem der grossen Maler im Atelier arbeiten.
Jac. Backer gilt als hervorragender Lehrer und
dann ist ja Rembrandt da. Aber die Geldmittel
reichen nicht: es bleibt ihm nichts übrig, als die
Galerien zu durchwandern und die Augen autfzu-
sperren. Er lernt radieren und es gelingt ihm,
wenigstens den Lebensunterhalt aufzubringen.
Schliesslich kann er sich nicht mehr halten und
zieht weiter. Er durchquert Deutschland und Polen
und kommt nach Prag. Hier gewinnt er neue
entscheidende Eindrücke. Die Stadt ist grade da-
mals in neuer Blüte begriffen; ein glänzender Adel
erhebt sich zu einem fürstengleichen Dasein, von
dem noch heute die prunkenden Paläste der

Czernin, Morzin, Nostiz, Waldstein erzählen. Mit
ihm wetteifern die Orden in prächtigen Bauten,
die Macht der siegreichen Kirche zu verkünden.
Und hier in dieser neuen Hochburg des Katholi-
zismus, angesichts dieser festlichen, rauschenden
Kunst, die er um sich erstehen sah, mag Willmann
eins aufgegangen sein. Möglichkeiten zur Schönheit
gab es ın diesem armen, zertretenen deutschen
Lande nur im Schosse der alten Kirche, in dem
schon immer der Baum der Kunst gewurzelt hatte.
Sandrart berichtet nur von der Wirkung, die das
Studium der grossartigen Rudolfinischen Kunst-
sammlung auf dem Hradschin auf ihn ausübte.
Damals waren die Bilder der Buckinghamschen
Galerie, die Ferdinand III. in England hatte auf-
kaufen lassen, dort untergebracht. Aber jene andere
Wirkung zeigt sich in der überraschenden Ver-
bindung, die wir ihn um die Mitte der fünfziger
Jahre eingehen sehen. Er taucht plötzlich in Schlesien
auf und malt dort für das Cisterzienserstifit zu
Leubus einige Bilder, die zugleich die irühesten
Arbeiten sind, die sich von ihm erhalten haben.
Eins davon hängt noch in der Leubuser Stiitskirche:
eine Kreuzigung mit Maria und Johannes; eine
„Marienkrönung“ bewahrt das Kunstgewerbemuseum
und eine feine Landschaft mit Johannes d. T. das
Schles. Museum .d. b. K: zu Breslau. Die drei
Bilder sind datiert von 1656. Ausserdem zeigen
sie das Monogramm des Auftraggebers A. A. L. -
Arnoldi Abbatis Lubensis. Arnold Freiberger war
damals regierender Abt und ihm war die Aufgabe
zugefallen, das im dreissigjährigen Kriege hart mit-
genommene Stitt wieder herzustellen. Ein glück-
licher Zufall oder eine sehr glückliche Berechnung
muss es gewesen sein, die Willmann mit diesem
Manne zusammenführte. Es bahnt sich jenes Ver-
hältnis an, das schliesslich zu Willmanns Nieder-
lassung in Leubus geführt hat, wo er bis an sein
Lebensende im Dienste der Cisterzienser thätig ist.
Vorläufig sind indess die Wanderjahre noch nicht
beendet. Es iolgt ein Aufenthalt in Berlin. Der
grosse Kurfürst, selbst ın seiner Jugend Dilettant,
und durch seine Erziehung am Hofe der Oranier
ein leidenschaftlicher Liebhaber niederländischer
Malerei, findet lebhaftes Gefallen an Willmanns
Arbeiten. Besonders geschätzt wurde ein grosses
Gemälde von ihm, das die Schmiede des Vulcan
darstellte, mit Venus und Cupido, und das ihm
zahlreiche Aufträge, auch von anderer Seite, ein-
getragen haben soll. Nach Sandrarts Beschreibung
 
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