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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Nr. 6
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Suida, Wilhelm: Das Leben der hl. Agnes: Fresken-Cyklus in S. Teodoro zu Pavia
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= 197 —

Das Leben der hl. Agnes.

Fresken-Cyklus in S. Teodoro zu Pavia.

Von Dr. Wilhelm Suida.

Als ein: sonderbarer Zufall darit es erscheinen,
dass eine genauere Beachtung seitens der Kunst-
forscher einem Cyklus von Fresken noch nicht zu
teil geworden ist, der sich in der kleinen Kirche
S. Teodoro zu Pavia befindet. Das Querschilff der
Kirche wurde im Anfange des XVI. Jahrhunderts
ausgeschmückt, der rechte Arm mit Fresken aus
der Legende der hl. Agnes, der linke mit Scenen
aus dem Leben des hl. Teodoro. Die erste Er-
wähnung dieser Malereien findet sich bei Bartoli;!)
wo sie als dem Stile des Bernardino Colombani
verwandt erklärt werden, eine Ansicht, welche von
Sac. Ces. Prelini?) wiederholt wird, während Crowe
und Cavalcaselle die Legende des S. Teodoro dem
Kreise des Bernardino Fasolo. zuweisen.) Nun
handelt es sich aber bei diesen Malereien um
zwei total verschiedene Künstler. Gehört der eine,
der die Legende des S. Teodoro vollendete, der
Schule von Pavia an, und erscheint dem Colom-
bani in der That sehr verwandt, so werden wir
durch eine Betrachtung der Scenen aus dem Leben
der hl. Agnes in ganz andere und weit höhere
Sphären künstlerischen Schauens geführt. Diesen
letzteren Werken wenden wir heute vornehmlich
unsere Aufmerksamkeit zu.

In acht durch schöne ornamentierte Einrahmung
von einander getrennten Bildern hat der Künstler
das Leben der römischen Heiligen geschildert.
Wenden wir unseren Blick zunächst zu dem über
der Kapelle zu linker Hand von der Hauptwand
angebrachten Bilde: Zwei Szenen sind hier vereinigt
und wie die fünf folgenden durch Inschriften erklärt:

EL FIGLUOLO DEE PREFECGTO PRESO DE
LAMORE DE S. AGNESE LE OFFERSE ORO
ET GEMME. Der Sohn des Präfecten Sempronius,
von Liebe zu der vornehmen jungen Römerin er-
fasst, bietet ihr Gold und Geschmeide — sie aber
wendet sich ernst und doch voll Anmut von ihm
ab, mit der Hand nach oben weisend, denn einem
Höheren ist sie verlobt, dessen Strahlenglorie sich
zur Braut herniedersenkt.

Darauf erkrankt der Jüngling. EL PREFECTO
COGNOSCIUTA LA CAUSA DELLA INFIRMI-



1) Notizie delle pitture, sculture ed architetture delle prime cittä
d’Italia. Tomo II. Venezia 1777 pag. 55.

2) Almanacco sacro pavese 1881.

3) Geschichte der italienischen Malerei, Deutsche Ausgabe. 6. Bd.
pag. 89,

TATE DEL FIGLIOLO VOLEVA CHE S. AGNESE
FUSSE SUA SPOSA. Die Heilige wird zu seinem
Bette berufen, sobald die Ursache seines Leidens
bekannt geworden, und der Vater verlangt von ihr,
dass sie den Wünschen des Sohnes nachgebe.
Kriegsknechte in antikischen Trachten und Jünglings-
gestalten von grosser Anmut, Freunde des Kranken,
wohnen der Szene bei.

Die Weigerung der Jungfrau erregt den Zorn
des Präfecten. Von ihr, der Christin, wird verlangt;
dass sie ihr Opfer am Altare der Vesta darbringe.
CONDUCTA S. AGNESE AD SACRIFICARE AL
TEMPLO DE LA DEA VESTA COL SEGNO DE
LA -—- FECE RUINARE L’IDOLO. Während aber
die Peiniger sie zwingen wollen, neben den gleich
scheuen Tauben am Fusse des Altars ihre Andacht
verrichtenden Vestalischen Jungirauen niederzuknien,
erhebt sie, zum Christengotte flehend, die Hand
und macht das Zeichen des Kreuzes, woraul das
bronzene Standbild der Göttin zu Boden stürzt.

Die kühne Bekennerin aber, die in sieghaftem
Glauben den Wahn der Welt herausgefordert, wird
von dem, dessen Liebe sie einst verschmähte, vor
das Tribunal geschleppt. NON VOLENDO SACRI-
FICARE S. AGNESE DAL FIGLIOLO DEL
PREFETTO VIEN MENATA AL LOCO PUBLICO.

ESSENDA S. AGNESE POLUTA NEL LOCO
PUBLICO LO ANGELO SUBITO LA COPERSE
CUM UNA VESTE CANDIDA. Zu öffentlicher
Verspottung am Pranger verurteilt, schreitet die
Dulderin gesenkten Hauptes zur Stätte der Schmach.
Man beraubt sie ihrer Kleider, doch die wallenden
Haare verhüllen ihre Glieder und ein Engel senkt
sich hernieder, mit einem weissen Gewand ihre
Gestalt bedeckend.

Nicht als Gedemütigte, sondern gleich einer .
Triumphierenden thront die Reine in unbesiegbarer
Hoheit, der Wüstling aber, der einst ihre Liebe be-
gehrt, der jetzt sich vermessen hatte, sie zu ver-
spotten, wird von dem Teufel erwürgt. VOLENDO
EL FIGLIOLO DEL PREFECGTO INSULTARE
S. AGNESE FU SOFFOCATO DAL DIAVOLO.
Mit Entsetzen und Angst gewahren die Begleiter
des Präfectensohnes diese Zeichen des Himmels.

Der Vater, überzeugt, dass nur die Eine, die
den Tod gebracht, Leben dem Sohne wiedergeben
könne, erprobt ihre Kraft, die sich in der Aufer-

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