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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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MONATSBERICHTE

UEBER

KUNSTWISSENSCHAFT uno KUNSTHANDEL
Beiblatt.

II. Jahrgang No. 12. — Dezember 1902.

DD

Bibliographische Rundschau.

Mitgeteilt von Dr. Hermann Popp.

Allgemeine Kunstgeschichte, herausgegeben von

schreibung der nackten Thatsachen des künstler-
H. Knackfuss, M. G. Zimmermann und W. Gensel.

ischen Lebens der Völker. Damit wird aber das

gr. 8°. Velhagen und Klasing. Leipzig 1900—1902.
(I. Bd. Kunstgeschichte des Altertums und des

Mittelalters bis zum Ende der roman. Epoche von

M. G. Zimmermann. 2. unveränd. Aufl. 535 S. mit
411 Orig.-Abbildgn.. Mk. 8.— br., 10.— gebd. —
II. Bd. Kunstgeschichte der Gotik und Renaissance
von H. Knackfuss und M. G. Zimmermann. 688 S.
mit 552 Orig.-Abbildgn. Mk. 10.— br., 12.— gcebd.
— HI. Bd. Kunstgeschichte des Barock, Rokoko
und der Neuzeit von M. G. Zimmermann und
W.Gensel. 718S. mit 589 Orig.- Abbildgn. Mk. 12.— br.,
14.— gebd.)

Als jüngster Zweig der Wissenschaft hat sich
die Kunstgeschichte in einer verhältnismässig kurzen
Zeit von ihrem Abhängigkeitsverhältnis zur all-
gemeinen Geschichte befreit und zur Selbständigkeit
durchgerungen. Sie behandelt ihr Stoffgebiet nach
ureigensten Gesichtspunkten, obschon ihr die Er-
gebnisse der Geschichtswissenschaften als erste
Grundlage dienen. Die Kunst ist eben nicht etwas,
das in und auf sich beruht, nicht etwas Allein-
stehendes, sondern ein Teil des Völkerlebens, das
Destillat der Geisteskultur, das sinnlich zu ge-
stalten allerdings nur Einzelnen gegeben ist. In
der Kunst dokumentiert sich das Fühlen, Wollen
und Handeln der gesamten Menschheit. Zu ihrer
Aufweisung, Klärung und Entwicklung können
demnach die Gebilde der Kunst, die Kunstiormen,
nicht allein den Schlüssel bieten, denn diese sind
immer nur Wirkung, nicht Ursache. Der Glaube
der Völker und dessen Ausdruck im Gottesdienst,
die Naturerkenntnis, der Handel, der Krieg, die
Philosophie etc. bilden einen Teil jener Ursachen,
denen die Kunst als das feinste Kulturprodukt ent-
springt, deren Wandlungen der Mannigfaltigkeit
ihrer Entwicklung und Gestaltung zu Grunde liegt.
Der Kunsthistoriker vermag aus seiner Wissenschaft
heraus niemals die unzähligen Fäden, die zur Kunst
führen, zu erkennen, ohne die übrigen Wissenschaften
zu Hilfe zu nehmen und thut er dies nicht, so kann
auch nichts weiter entstehen als die übliche Be-

Interesse für die Kunst nicht erweckt, sondern
unterdrückt. Leider kann aber — wie Muther sagt —
unseren Gelehrten der Vorwurf nicht erspart bleiben,
dass sie ihr redliches Teil dazu beitragen, den
Leuten die Kunst zu verekeln. Denn sie machen
sie zu einem Fache wie Mineralogie und Statistik.
Nur der schreibt Kunstgeschichte, der im Stande
ist, zu zeigen, wie das Leben und die Kunst sich
durchdringen!

Das nunmehr im drei umfangreichen Bänden
vollständig gewordene Werk von Knackfuss und
Zimmermann darf in jeder Beziehung Anspruch
auf eine Kunstgeschichte im wahren Sinne des Wortes
erheben. Es ist kein trocken wissenschaftliches
Lehrbuch, sondern ein Werk, das alle die Qualitäten
in hohem Masse in sich vereinigt, die geeignet
sind, dem Leser zu einem tieferen Verständnis der
Kunst und ihren Erscheinungsformen zu verhelfen,
ihm einen Ueberblick des ganzen Entwicklungs-
ganges zu gewähren und ihm den historischen
Verlauf der vielfach verschlungenen Kunstbewegung
in allen seinen Einzelheiten, sowie auch den inneren
geistigen Zusammenhang in den künstlerischen

Schöpfungen der verschiedenen Epochen zu

zeigen und nachzuweisen. Diese allgemeine Kunst-
geschichte stellt sich also nicht, wie so viele andere,
lediglich als eine Geschichte der künstlerischen
Form und deren Wandlungen dar, sondern als ein
getreues Spiegelbild, in dem wir die Träger der
künstlerischen Bewegung und Entwicklung erblicken,
ihre Gedanken und deren sichtbare Formen, den
Gang den sie während ihrer Wirksamkeit einschlugen
und die Ziele, denen sie nachstrebten, verfolgen
können. Aber neben dieser psychologischen
Charakteristik wird uns auch der Boden und die
Umgebung, in welcher sich die Künstler und Künstler-
geschlechter bewegten, die Luft, die sie atmeten,
die Einflüsse, die auf sie wirkten und das Erbe,
das sie verwalteten und vermehrten, in fesselnder
und anschaulicher Form geschildert. Im Gegensatz
zu vielen andern Kunstgeschichten, welche den
 
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