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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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https://doi.org/10.11588/diglit.47724#0235

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— 145 —

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Tafel 51 bis inclusive 58.

Diese Tafeln geben, wie schon an Ort und Stelle vermerkt, Proben der Darbietungen der ersten

drei Hefte des laufenden Jahrgangs von G. Hirths Formenschatz.

entsprechenden Stellen aus dem Original-Texte:

Tafel 51: Thongefäss in Form eines Kopfes.
München, Kzl. Antiquarium. I. No. 775. Führer S. 17.
Höhe 0,175 ın.

Die Idee, Gefässen die Form menschlicher Ge-
sichter und Köpfe zu verleihen, ist uralt und ihre
Geschichte wäre mit jenen häufigen prähistorischen
Gesichtsurnen zu beginnen. Zu welch künstlerisch aus-
geprägter Form aber die Entwickelung führt, dafür ist
dies Stück ein in seiner Art einzig dastehendes Beispiel.
Ein männlicher Kopf mit spitzer Hakennase, plastischem
spitzen Knebelbart und Schnurrbart mit herabhängenden
Enden. Backenbart in feinen, aufgemalten, kurzen
Kurvenlinien, mächtigen geschweiften Brauen, mit
furchenartigen Runzeln auf der Stirne, um Augen, Nase
und Mund. Aber über den etwas schematisch geformten,
bemalten Ohren wächst noch ein zweites Paar tierischer
hervor. Wie ein Zackenkranz steigt über der Stirn
borstenartiges Haar auf; die Schläfengegend eigen-
tümlich weich mit Punkten, wie von ausgegangenen
Borsten; dazu die stechenden Augen mit fein gestrichelten
Wimpern, ein für die Antike selten charakteristisch
behandelter Hals, antike Löcher in Ohrläppchen und Nase
und darin ein Zierrat, von dem allerdings die goldenen
Ohrringe, Eroten mit Kännchen und Schale im Stile
jünger als der Becher, erst im Kunsthandel hinzugefügt
sein mögen, während der Nasenring mit Karneolperle
alt sein mag. Das Bild eines eigentümlichen Dämons.
Wie ein Kopfaufsatz (Kalathos) steigt die Gefässwand
über dem Kopfe empor, sehwarz gefirnist, nur mit
einem auf dem Thongrund ausgesparten Fries von
Epheu strengen Stils verziert, den Rand matt aus-
ladend. Durchmesser 0,095 m. In Scheitelhöhe setzt
ein breiter, wuchtiger Henkel an und mündet an dem
auch hinten durchmodellierten Kopf in einem Affix,
einem zweiten nur viel kleineren Kopf, einem stumpf-
nasigen, breit bockmäuligen, bärtigen (der Schnurrbart
rot) Pan, mit Glotzaugen, starken Brauen, Stirnrunzel,
Bocksohren und riesigen, den Henkel heraufziehenden
Hörnern. Der kleine Kopf ist ganz schmal tektonisch
der Henkelbreite angepasst für Profilsicht berechnet.
An beiden Köpfen schwache Spuren weissen Malgrundes.
In den Augen des Grossen zur Angabe des Weissen
im Auge Spuren von Hellgelb. Die Art des Thons, die
prächtige glänzend schwarze Firnisfarbe, das Epheu-
band sind wie in strengrotfigurigen griechischen Vasen;
das Gefäss gehört wie diese in die ersten Jahrzehnte
des V. Jahrhunderts v. Chr. Aber derTypus des Dämons,
Einzelheiten der Sterilisierung an Kinnbart und Ohr, die
etwas barbarische Häufung von Merkmalen der Charak-
teristik scheiden das Werk von Rein-Griechischem. Es
stammt wohl aus süd-etruskischer Werkstatt; der dienende

Zur Erläuterung wiederholen wir hier die

Dämon wird kein anderer sein als Charun, der Seelen-
geleiter. (L.Curtius). Nach Photographien von Jäger und
Goergen in München. (In G. Hirth’s Formenschatz
26. Jhrg. zum erstenmale veröffentlicht.)

Tafel 52: Standspiegel. Altgriechisehe Bronze-
arbeit von vorzüglicher Erhaltung, aus Hermione in
Argolis. „Die Spiegelscheibe — die Griechen kannten
nur glänzend polierte Metallscheiben, noch nicht Glas
— wird getragen von einer nackten Frauenfigur mit
hohem Kopfputze, langem, künstlich gebundenem
Nackenhaar und Sandalen. In der Rechten hält sie eine
grosse Lotosknospe; unter den Füssen ein liegender
Löwe; von ihrem Hinterkopfe gehen seitlich Ranken
aus, auf deren Knospen Vögel mit Frauenköpfen (Sirenen)
sitzen, eine dekorativ feine Anordnung, die dem Ganzen
zugleich festeren tektonischen Halt verleiht. Die Propor-
tionen des weiblichen Körpers sind entsprechend der
frühen Stilstufe (erste Hälfte des 6. Jahrhunderts) noch
ganz diejenigen der männlichen. — Im kgl. Antiquarium
in München. Führer durch das kgl. Antiquarium in
München, 1901. S. 62, No. 671. Nach einer Photo-
graphie von Jäger € Goergen in München.

Tafel 54: Taschenuhren aus dem bayerischen
National-Museum in München. (In G. Hirth’s Formen-
schatz 26. Jhrg. zum erstenmale veröffentlicht.) Links
eine prächtige Arbeit des kKkurfürstlich bayerischen
Hofuhrmachers Simon Mair in Neuburg von ca. 1700
bis 1710. Das Werk wird von einem doppelten,
schön ciselierten, silbernen Gehäuse umschlossen.
Rechts eine Uhr von Gregson in Paris, um 1790 ent-
standen. Auch dieses Werk ist in zwei Gehäusen
untergebracht, von denen das äussere nur dazu dient,
um durch ein Glas das Bild in €mail translucide-Technik,
womit die ganze Rückseite dekoriert ist, zu schützen.
Die Erfindung, Uhrwerke, statt durch Gewichte, mit
Federkraft zu treiben, ermöglichte seit dem Beginne
des 16. Jahrhunderts die Herstellung von tragbaren
Uhren. Es entstanden die ersten Reiseuhren und die
ersten Taschenuhren im weiteren Sinn. Diese wurden
zuerst im „Busen oder in der Geldbörse“ getragen,
am häufigsten aber, besonders während der zweiten
Hälfte des 16. und der ersten Hälfte des 17. Jahr-
hunderts, als „Halsührlein‘ an einer Schnur oder Kette.
Die „Taschenuhr‘“ war ein weithin sichtbares Schmuck-
stück und wurde als solches kostbar verziert. Gehäuse
von Bergkrystall oder von Metall, das mit Gruben-
schmelz dekoriert war, sind in der frühen Zeit am
beliebtesten. Der Brauch, die Uhren frei am Gürtel zu
tragen, das Zifferblatt dem Träger zugewendet, erhielt
sich bis gegen Ende des 18. Jahrhunderts und führte
zu reich gearbeiteten, oft getriebenen Gehäusen. Erst

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