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Monatsberichte über Kunstwissenschaft und Kunsthandel — 2.1902

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Hirsch-Gereuth, Adolf von: Die Malereien der Biccherna und Gabella zu Siena
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— 360 —

Die Malereien der Biccherna und Gabella zu Siena.

Im königlichen Staatsarchive zu Siena befindet
sich unter anderen Schätzen eine Reihe von male-
rischen Darstellungen,') die eine ungemein wichtige
Quelle: für die künstlerische und politische Ver-
gangenheit jener Stadt darbieten.

Es ist deshalb mit Freuden zu begrüssen,
dass Cav. Luigi Marzocchi und nach seinem leider
zu irüh erfolgten Tode Rodolio Falb eine Samm-
lung dieser Darstellungen unternahm,°) und sie
mittels Lichtdruckes einem weiteren Kreise zugäng-
lich machte, während der Direktor des Archivs von
Siena, Cav. Alessandro Lisini in trefflicher Weise
die historischen Erörterungen gab, die unserm
Referat als Grundlage dienen.

Haben auch diese Erzeugnisse der Malerei,
namentlich in ihren Anfängen, nicht den bedeutenden
künstlerischen Wert wie andere Sammlungen, so
bieten sie doch für den Altertums- und Geschichts-
forscher, sowie auch für den Künstler ein einzig
dastehendes Studienmaterial für die Erkenntnis des
politischen, religiösen und künstlerischen Lebens
einer italienischen Städtrepublik für einen Zeitraum
von gut 500 Jahren, und bezeichnen gleich Meilen-
steinen die Wandlungen und Fortschritte der Maler-
schule von Siena von ihrem Anfange bis zu ihrem
Verfall.

Wir haben es bisher vermieden, den von den
italienischen Autoren gebrauchten Ausdruck „le
tavole dipinte“ ins Deutsche zu übersetzen, und
zwar, weil sich kein technischer Ausdruck findet,
welcher den Sinn der obigen Worte völlig wieder-
geben dürite. Auf keinen. Fall wäre das Wort
Tafelgemälde für unsere Sammlung am Platze, da
es sich zunächst um hölzerne Bücherdeckel handelt,
welche von den Künstlern bemalt wurden. Der
Einfachheit halber wollen wir uns indessen in
folgendem der Bezeichnung Tafel oder Bilder-
tafel bedienen.

Auch in anderen Bibliotheken und Archiven
finden sich Büchereinbände mit reichen Verzierungen
und Bemalungen, aber nirgends dürfte es eine
Sammlung geben, so einheitlich, so methodisch
und dabei doch so verschiedenartig in den künst-
lerischen Darstellungsgegenständen, wie die vor-
liegende.

Es ist indessen zu bemerken, dass diese
Bildertafeln schon lange bekannt waren, und dass

1) Vergel. Taf. 115.

2?) Le tavolette dipinte di Biccherna e di Gabella del R. Archivio
di Stato in Siena con Illustrazione storica del Direttore del Archivio
Cav. Alessandro Lisini, Opera iniziata del defunto Cav. Luigi Marzocchi
e ultimata dal suo successore Rodolfo Falb. Siena 1901.

sich Archäologen und Paläographen von Ruf, sowie
nicht weniger bedeutende Historiker und Künstler
mit diesen eigenartigen Kunsterzeugnissen befasst‘)
haben, aber alle sind sich der hohen Bedeutung,
welche diese Denkmäler der Vergangenheit für die
Kunst und Altertumswissenschaft haben, vollständig
bewusst. So bemerkt Prof. C. Paoli?) mit vollem
Rechte, dass diese Tafeln weniger deswegen be-
merkenswert sind, weil sie neue Dokumente für
die Geschichte der Malerei von Siena liefern, als
vielmehr, weil sie die letztere in ihren Beziehungen
zu den Verwaltungsbehörden und dem politischen
Leben zeigen.

Leider konnte die Publikation nur fragmenta-
risch sein, da eine Anzahl von Tafeln nicht im
Archiv, sondern teilweise im Privatbesitze sich be-
findet, teilweise, und das der grössere Teil, völlig
zu Verlust gegangen ist. Da über viele indessen
Berichte oder Ueberlieierungen vorhanden sind, so
trägt der Verfasser diesem immerhin noch günstigen
Umstande Rechnung und bringt in einem speziellen
Anhang ein chronologisches Verzeichnis dieser Tafeln
mit dem nötigen historischen Kommentar.?) Aus
diesem geht aber eines hervor, dass es nicht so
schwierig gewesen wäre, von einer Reihe im
Archive zu Siena nicht vorhandenen Tafeln Re-
produktionen zu liefern, da sie teils ın den öffent-
lichen, teils im Privatbesitz des Auslandes über-
gegangen sind. So kann z.B. die Nationalbibliothek
von Paris drei derselben aufweisen, drei weitere
sind in Berliner öffentlichen Sammlungen zu sehen,
und von zwei anderen wissen wir, dass sie sich in
Privatbesitz zu Leipzig und Köln befinden.‘)

1) Anm. Wir führen hier die vom Verfasser erwähnten Werke an:
G. B. Gavalcaselle e. J. A. Crowe Storia della pittura italiana (Firenzc,
Le Monnier 1875. T. 1. p. 273). — Periodico. Il Bibliofilo di C. Lozzi
Anno I. fasc. 3. Firenze. Le Monnier 1880) — Periodico. La Rivista Euro-
pea, Illustrazione della March. Brigida, Fava-Tanari. (Firenze Tip. editrice
1875.) — Periodico. La Rassegna Settimanale. Articolo di C. Paoli. (Firenze
1875. Vol. II, No. 16). — Periodico. L’Art, Articolo del pittore L. Mussini.
(Parigi, Anno II. p. 225.) — Atti della R. Accademia dei Rozzi. (Anno 1877.
Vol. III. p. 27.1 — La Sala della Mostra ed il Museo delle Tavolette dipinte
della Biccherna e della Gabella nel R. Archivio di Stato in Siena, omaggio
al quarto Congresso storico ‘italiano (Siena Lazzari 1879). — Le tavolette
dipinte della Biccherna e della Gabella nel Archivio di Stato in Siena,
Discorso accademico del prof. C. Paoli (Siena, Tip. Ancora 1891). —
Geffroy, M. A. Tablettes inedites della Biccherna e della Gabella de Sienne.
(Melanges d’Archeologie e d’histoire par l’Ecole francaise de Rome. Rome
1882. — Ellon Fr. Tavolette dipinte della Biccherna di Siena, che si
conservano nel Museo di Berlino, Siena Lazzeri 1895.

2) cf. C. Paoli a. a. 0.

3) Tavolette dipinte della Biccherna e della Gabella, non comprese
nella presente raccolta, delle quali conservasi memoria.

14) Im Kunstgewerbemuseum von Berlin befindet sich: 1. eine Tafel
vom Jan. 1293 (aus der Biccherna): sie stammt aus der Sammlung Ramboux
(Katalognummer 2) mit dem Wappen der vier Familien Sacchetti, Ricchi,
Accorsetti und Agazzari. Ueber sie handelt Prof. F. Ellon im Bullettino
senese di Storia Patria. (Anno II. Fasc 1—2, 1895.); 2. befindet sich da-
selbst eine Tafel vom Juli 1304, aus der Sammlung Ramboux (Katalog-
nummer 9) mit den. Wappen der vier Familien Sacchetti, Tommasi,
Spinelli (?) und Tolomei. S. Ellon a. a. O.; 3. erwähnt der Verfasser vom
Juli 1414 (aus der Biccherna) eine Tafel mit sieben Wappen. Auch sie
 
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